Mautsäule bei Klieken Mautsäule bei Klieken: Elektronische Augen auf der B187

Klieken - Große Baustelle für eine große Säule. Viele Tage bremsten jüngst Bauarbeiten auf der B 187 die Autofahrer zwischen Roßlau und Coswig aus. Mit gedrosselten 50 km/h rollten sie vorbei an einer Baustelle, wie es sie in diesen Wochen rund 600 Mal im ganzen Land gibt.
So viele Mautsäulen werden derzeit von Toll Collect bundesweit errichtet und damit ist bereits klar, dass die vier Meter hohen und königsblau/grünen Säulen nicht der Geschwindigkeitsmessung dienen.
Im Auftrag des Bundes betreibt das Unternehmen das deutsche Lkw-Mautsystem. Seit einigen Jahren schon müssen Speditionen für die Nutzung deutscher Autobahnen eine Maut entrichten. Ab 1. Juli dieses Jahres wird das System auch auf die Bundesstraßen ausgeweitet.
Zur Mauterhebung bietet Toll Collect mehrere Möglichkeiten an. Es kann eine „On-Board Unit“ in den Lkw eingebaut werden, die dann automatisch die Maut erhebt. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Maut im manuellen Verfahren zu bezahlen.
Dafür steht neben der Einbuchung im Internet ab sofort auch die Toll-Collect-App für Smartphones und Tablets zur Verfügung. Außerdem ist die Einbuchung am Mautstellen-Terminal möglich. In einer Übergangsphase bis Ende Mai wird es Terminals in alter und neuer Variante geben. Danach werden 1.100 Terminals an großen Tankstellen, Autohöfen und Autobahnraststätten zur Verfügung stehen.
Aufmerksamkeit erregtToll Collect derweil nicht nur mit den Mautsäulen. Ende März geriet das Unternehmen nach einer Anfrage der Linken in die Schlagzeilen. Demnach hat der Rechtsstreit zwischen Bund und Toll Collect bislang Kosten von 244,6 Millionen Euro verursacht.
Der größte Teil entfällt auf die Vergütung der Prozessvertreter des Bundes, informierte das Verkehrsministerium. Bei dem Streit geht es um die verspätete Einführung der Lkw-Maut im Jahr 2005. In dem Schiedsverfahren will der Bund Schadenersatz für die entgangenen Einnahmen sowie Vertragsstrafen geltend machen. In einem zweiten Verfahren macht Toll Collect als Betreiber des Mautsystems gegen den Bund Ansprüche auf Vergütung für den Betrieb des Systems geltend.
Zuletzt wurde vermeldet, dass der Mautbetreiber vorübergehend verstaatlicht werden soll, wenn der derzeitige Vertrag im August ausläuft. Der Bund will die Anteile an der Betreibergesellschaft zum 1. September 2018 für sechs Monate übernehmen und sie an den erfolgreichen Bieter veräußern, der im Vergabeverfahren den Zuschlag erhält.
Unter anderem deshalb, weil viele Fernfahrer die kostenpflichtigen Autobahnen streckenweise meiden und auf die Bundesstraßen ausweichen. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass ab Jahresmitte weitere rund 30.000 Unternehmen unter die Mautpflicht fallen.
Keine Tempoblitzer
„Die Kontrollsäulen ergänzen die mobilen Kontrollen des Bundesamtes für Güterverkehr“, so Unternehmenssprecherin Antje Schätzel. „Sie dienen ausschließlich der Mautkontrolle. Wichtig für die Öffentlichkeit: Es sind keine Geschwindigkeitsblitzer“, betonte die Sprecherin. Mautpflichtig sind alle Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht.
„Neben Logistikunternehmen, die im Nahverkehr unterwegs sind, sollten sich auch Unternehmen aus anderen Branchen frühzeitig informieren, ob ihre Fahrzeuge unter die Mautpflicht fallen, und entscheiden, wie sie zukünftig Maut bezahlen wollen“, rät Schätzel.
Toll Collect bereite das Lkw-Mautsystem technisch auf die neuen Herausforderungen vor, die die Ausweitung der Gebührenpflicht auf alle Bundesstraßen mit sich bringt. Die technische Weiterentwicklung betrifft sowohl die Einbuchungsmöglichkeiten als auch die Kontrolle auf den Bundesstraßen. Bis Mitte des Jahres sollen die rund 600 Kontrollsäulen die mobilen Kontrollen des Bundesamtes für Güterverkehr unterstützen.
Drei Ansichten
Beim Vorbeifahren eines Fahrzeuges kontrollieren die Säulen, ob dieses mautpflichtig, das Fahrzeuggerät (On-Board Unit/OBU) erhebungsbereit ist und der Fahrer die Achszahl korrekt angegeben hat, informiert Toll Collect über die Mautsäulen. Technisch seien diese mit ähnlichen Funktionen ausgestattet wie die auf den Autobahnen installierten Kontrollbrücken. Passiert ein Fahrzeug eine Kontrollsäule, werden ein Übersichts-, ein Seitenansichts- und ein Kennzeichenbild erstellt.
Im automatischen Verfahren sendet das Fahrzeuggerät die eingestellten sowie die auf der „On-Board Unit“ gespeicherten Daten an die Kontrollsäule. Die Säule vergleicht die Daten mit den Daten aus dem firmeneigenen Rechenzentrum und erkennt, ob eine gültige Einbuchung vorliegt und ob alle Angaben korrekt gemacht wurden. Liege eine korrekte Einbuchung vor, werden die Bilder sofort gelöscht, so Toll Collect.
„Die Säulen dienen ausschließlich der Mautkontrolle, sie haben also keine Erhebungsfunktion“, heißt es aus der Pressestelle. Für die Richtigkeit der zu übermittelnden Daten seien das Transportunternehmen und der Fahrer verantwortlich.
Nach 30 Kriterien
Die Streckenabschnitte, auf denen eine Kontrollsäule aufgebaut werden soll, gibt das Bundesamt für Güterverkehr vor. Die ausgewählten Abschnitte werden demnach von vielen mautpflichtigen Lkw befahren. Toll Collect prüft nach rund 30 Kriterien, wo genau die jeweilige Kontrollsäule entlang des vorgegebenen Abschnitts aufgebaut werden kann.
Für den Landkreis Wittenberg haben sich neben der Mautsäule nahe Klieken noch weitere Standorte ergeben. Auf MZ-Nachfrage nannte Toll-Collect-Pressesprecherin Antje Schätzel zwei geplante Säulen, eine an der B100 in Kemberg, und zwar in Eutzsch/Pannigkau zwischen Dorfstraße und Alte Wittenberger Straße, sowie an der B 2 zwischen Köpnick und Karlsfeld.
(mz)