Karneval in Pretzsch Karneval in Pretzsch: Jubiläumsumzug für 70 Jahre verrückte Narrenzeit

Pretzsch - „Grill brennt, 100 m“ wies am Sonntag ein Schild an der Straße den Weg zum Karneval in Pretzsch. Wenn die Pretzscher feiern, dann brennt aber nicht nur der Grill, dann sind sie Feuer und Flamme.
So viel Frohsinn zum Umzug war lange nicht im Elbestädtchen, aber 70 Jahre Narretei sind schließlich etwas Besonderes. Acht karnevalistische Gastvereine und viele Gruppen aus dem Ort und der Umgebung boten ein tolles buntes Bild, das in Begleitung von zwei Kapellen (Schweinitz und Schleesen) durch die Straßen zog.
Mit dabei dürfte der halbe Kostümball gewesen sein. Ob mit Samba aus Rio oder als Knastbrüder in Streifen, ob der Renaissance entstiegen oder in Tequila gebadet, es war Farbe drin. Sogar den Begriff Cocktailkleid hatten die Mitwirkenden wörtlich genommen.
Die prämierte Gruppe „Maulhelden“, als da waren Zähne und Bürsten (Zahnarzt muss sein), verteilte Süßes und jede Menge Konfetti - was sich hoffentlich nie als geschredderte Patientenakten entpuppt.
Passend dazu die Sieger des Vorabends: „Candys“, also Süßigkeiten. „Wir sind fast alles Pretzscher und jedes Jahr mit dabei“, erzählte Mandy Bergner über die 16 Mitwirkenden. „Wir lieben es bunt. Der Alltag ist oft schon grau genug, da muss Farbe rein.“
Sichtlich geschafft, obwohl das Wochenende noch nicht ganz vorbei waren, wirkten Kimberley, Josephine und Jessica von den Pretzscher Elbefunken. Die große Garde ist das Zugpferd bei den Programmen. „Wir sind zurzeit 15. Eine von uns ist Prinzessin und eine ist schwanger“, plauderte Josephine, die 14-Jährige ist schon die achte Saison dabei.
Wie viele Zugaben sie inzwischen gegeben haben? „Mitgezählt haben wir nicht“, sagte Jessica. „Es waren viele, etwa bei fast jedem zweiten Auftritt“, schätzte Josephine. Zwar tanzten sie sich beim Umzug etwas warm, aber ohne Thermo-Unterwäsche und warmen Pullover geht trotzdem nichts, verrieten sie.
Unter der Regentschaft des Prinzenpaares Rocco und Carolin, unterstützt vom Kinderprinzenpaar Benjamin und Anna (übrigens alle die Ersten dieses Namens und alle waschechte Pretzscher) war es bisher ein ausgelassenes Jubiläum.
Die Monarchen durften am Sonntag in der Kutsche fahren, gezogen von zwei Altmärker Kaltblütern, deren Ausstattung in den Vereinsfarben grün-weiß in echter Handarbeit hergestellt worden war.
Unter den vielen Zuschauern, deren Zahl durch die verwinkelte Umzugsstrecke schwer zu schätzen war, freuten sich Renate und Walter Friese aus Wittenberg auf das kostümierte Volk. Sie haben in den vergangenen Jahren kaum einen Umzug ausgelassen, vor allem wegen Enkel Jonas, der so seinen Bonbonbedarf für etliche Monate deckt.
Dass sie bei ihrem Einsatz gelegentlich in die Wurfzone von Konfetti geraten waren, das vor allem Haare und Kleidung bedeckte, nahmen die Rentner mit Humor. Das Handy gezückt hatten Dieter und Gabriele Richter. „Wir kommen aus der Delitzscher Ecke, so etwas gibt es bei uns nicht“, erzählte er.
Bei ihrem Wochenend-Ausflug hatten sie den Hinweis und viele Leute entdeckt und spontan entschlossen, anzuhalten und sich das Ganze anzusehen. Und sie kamen voll auf ihre Kosten. „Das war super, große Klasse“, befanden sie, bevor sie wieder ins Auto stiegen und weiter fuhren.
Anschließend zogen Mitwirkende und Gäste zum Gratulieren ins Festzelt. Dabei konnte man sich zuweilen gegenseitig beglückwünschen, denn mit Kemberg, Elster und Holzdorf waren drei Vereine angereist, die in diesem Jahr ebenfalls Jubiläen feiern. Nur einer blieb gelassen.
Karlheinz Horn, früher selbst Präsident der Pretzscher Narren, hat nach Jahren der Pause wieder mal die Kappe aufgesetzt. „Das hatte ich mir zum 70. vorgenommen“, erklärte er. „Und dann wieder zum 80., 90. und auf jeden Fall 100. Jubiläum. Dann gehe ich als Flughafen BER. Da bist du hinterher nicht so fertig.“ (mz)


