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Karate Karate: Verdonnert zum Schweigen

Von THOMAS TOMINSKI 03.01.2011, 18:26

WITTENBERG/MZ. - Gerd Richter steht wieder am Anfang. Seit seiner letzter Okinawa-Reise (Japan) zu den Wurzeln des Goju-Ryu-Karate kurz vor Weihnachten weiß der Wittenberger, dass er laut Sokrates eigentlich nichts weiß. Der Träger des vierten Dan ist kein Neuling in der Branche. Vor knapp 30 Jahren hatte Richter angefangen, verschiedene Kampfkünste zu studieren. Seine Weiterbildungsreisen führten ihn unter anderem nach Thailand, Indonesien, Kanada und Brasilien. Immer mit dem Ziel, in der Wittenberger Kampfkunstschule "Shu Ha Ri" Qualität auf höchstem Niveau anzubieten. "Ich bin kein großes Talent", erklärte der Karate-Lehrer, "doch ich habe gelernt, beharrlich zu sein."

Bei seinem Okinawa-Trip 2009 erlebte der Wittenberger Lehrer mit der Aufnahme in den inneren Kreis seinen ersten Ritterschlag. Wer es bis hierher geschafft hat, wird später zum Geheimnisträger. Zumindest, was den Stil Goju-Ryu betrifft. Nach zweieinhalb Wochen hartem Einzeltraining passierte das Unglaubliche. Morio Higaonna (9. Dan), Meisterschüler des Stil-Gründers Chojun Miyagi, lud Richter zum Spezialkurs unter Aufsicht von Sensei Masakazu Kuramoto (6. Dan) ein. Dieser erklärte dem Betreiber der Wittenberger Kampfkunstschule, dass er jetzt in die Geheimnisse des Stils eingeweiht werde. "Er hat mir deutlich gesagt, dass dieses Wissen nur mir persönlich zugänglich ist."

Der 43-jährige Hobby-Triathlet erkannte schnell, dass Training und Spezialkurs zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Kuramoto brachte ihn auf Betriebstemperatur, Higaonna verpasste Richter fast den Knockout. In seinem Tagebucheintrag heißt es wörtlich: "Mir war schwindlig und schlecht zusammen. Ich war nach dem Training am Ende. In der Nacht rebellierte mein Körper etwas, und ich hatte ziemlich viel Mühe, mein Training fortzusetzen." Nach zehn Tagen war die Prozedur beendet. Trotz aller Schinderei überwiegt das Positive. An der Quelle des Stils studieren zu dürfen, bleibt für einen Goju-Ryu-Karateka des Nonplusultra. Richter hat zudem eine Weiterentwicklung vollzogen. Als Mensch und Sportler. Aus Sicht von Higaonna und Kuramoto gab es an Technik und Ausführung wenig zu bemängeln, nur die innere Kraft befinde sich noch im Keller. Etwas nachdenklich sagt der Wittenberger: "Diese soll bei etwa 40 Prozent liegen. Ich habe deutlich gemerkt, dass es mir schwer fällt, mit den Meistern mitzuhalten."

Als Okinawa-Dauergast hat der 43-Jährige auch gelernt, die schönen Seiten seines jährlichen Japan-Trips zu genießen. Für einen Marathonläufer ist es ein Muss, andere Aktive beim Kampf über die 42,195 Kilometer moralisch zu unterstützen. Beim Naha-Marathon (Naha ist der Verwaltungssitz der Insel) suchten 25 000 Teilnehmer die Herausforderung, Richter stand entspannt an der Strecke. "Es ist unglaublich, in welchem Outfit manche Sportler losrennen. Wie die ins Ziel kommen wollen, bleibt mir ein Rätsel."

Das ganze Gegenteil hat der Wittenberger Karate-Lehrer beim traditionellen japanischen Bogenschießen Kyudo erlebt. Mit welcher Ernsthaftigkeit dieser Sport im Land der aufgehenden Sonne betrieben wird, war für ihn "schlichtweg faszinierend". Kurzes Reiseresümee: hartes Training, viel gelernt, die Übungstunden in seiner Schule werden eine neue Qualität erhalten. "Ich gebe ehrlich zu, dass ich diesmal auch ein wenig Heimweh hatte."