Jugendclub Vockerode Jugendclub Vockerode: Dessauer Sozialassistenten unterstützen Einrichtung

Vockerode - Am Ortseingang in Vockerode verkündet immer noch ein Transparent: Nein, Frau Merkel, wir schaffen das nicht! Rolf Kurtz - der Ur-Vockeroder - zählt nicht zu diesem Wir. Er ist Chef des Jugendclubs, der ist klein, aber fein eingerichtet - mit Mobiliar aus den 70er Jahren.
„Die Schrankwand ist noch von Wi-We-Na“, sagt der Mann mit einem Lächeln. Das stört die Jugendlichen nicht: Tischtennis, Billard, Playstation und Computer sind immer dicht umlagert. Es gibt Energie-Drinks oder Kaffee, jeder wie er möchte. Das Domizil - so ist es ursprünglich geplant - soll für höchstens 25 Mädchen und Jungen des Ortes der Treffpunkt am Nachmittag sein.
Das Objekt - inzwischen auch offiziell mit einem Federstrich für 70 Personen zugelassen - platzt jetzt fast aus täglich den Nähten. Quasi über Nacht wird der Club zum internationalen Treff für junge Menschen aus Afghanistan, Syrien - die plötzlich in der Mehrzahl sind - und eben Einheimische.
Kurtz braucht Unterstützung. Das Landratsamt bewilligt - zumindest befristet - eine zweite Planstelle für die im Kreis besondere, einmalige Einrichtung. Doch es wird noch viel mehr benötigt. „Ich habe 25 Bettelbriefe geschrieben. Ich mache das nicht für mich“, sagt der Chef, der allerdings praktisch vergeblich auf Reaktionen wartet.
„Es gab zwei Antworten. Absagen“, fällt seine Bilanz ernüchternd aus. Aber manchmal gibt es doch Hilfe - unerwartete.
Die Schüler der Klasse S16 vom Bildungszentrum Dessau übergeben am Mittwochnachmittag Spenden. Hausmeister Matthias Tauscher organisiert und übernimmt den Transport. Und nun liegt alles auf einem großen Tisch: Pflegeprodukte, Tischtenniskellen, Billardset sowie Pflanzen, Kissen und Lampen. „Die sollen den Clubraum gemütlicher gestalten“, empfiehlt Jessica Dammann aus Wörlitz.
Die 17-Jährigen - die jungen Frauen sind in der Überzahl - präsentieren mit Stolz und Freude die Ergebnisse ihres Schulprojektes „Hilfe für Bedürftige“. Die Idee war, hier zu helfen, sagt Melina Rosenthal aus Vockerode. Und so ziehen die Sozialassistenten, die nach ihrer Ausbildung vielleicht ja mal selbst einen Jugendclub übernehmen, selbstständig los, um Sachen, um Geld- und Sachspenden zu sammeln.
Das Klinkenputzen erweist sich schwerer als gedacht. Es wird eine Tortour. Und so mancher Jugendliche bekommt es auch schnell mit der Angst zu tun, berichtet Simone Lingner. Und die Lehrerin macht damit vor allem „die Körbe“ verantwortlich, die mit nicht druckreifen Sprüchen garniert worden sind.
„Es gibt auch viele tolle Leute, die sehr gern helfen“, sagt Lingner. Die Schüler bedanken sich bei allen, die dieses Projekt unterstützt haben.
Und die künftigen Sozialarbeiter nutzen auch die Gunst der Stunde, um einen Blick hinter die Kulissen ihres zukünftigen Jobs zu werfen. „Ich bin Klo- und Waschfrau und ab 14.30 Uhr Sozialarbeiter“, berichtet Kurtz und auch davon, dass er sich im Interesse seiner Schützlinge auch mal mit Wittenberger Behörden anlegt.
Er verlange nicht nur von seinen Geflüchteten Anstand und Höflichkeit, sondern auch von Mitarbeitern der Verwaltung im Umgang mit den Ausländern. Er erzählt dabei auch so manche Anekdote - „Man muss ab und zu die Zähne zeigen.“ - zum Schmunzeln und verteilt auch Lob.
Das geht an Vizelandrat Jörg Hartmann (CDU) für dessen Engagement bei der Lösung von Problemen. Der Wittenberger kenne auch seinen Klub, in dem es für das friedliche Zusammenleben der Kulturen - streng verboten sind unter anderem Symbole der rechten und linke Szene - klare Regeln gibt. Die sind in Deutsch, Englisch und in Arabisch nachlesbar.
Das A-4-Blatt mit den so exotisch wirkenden Buchstaben habe ein Geflüchteter angefertigt „Wir haben eine Computertastatur mit arabischen Schriftzeichen“, so Kurtz, der auch sehr streng kontrolliert, was seine Schützlinge im Internet treiben. Der Chef im Haus hat offensichtlich mit seinem unverkennbaren Humor alles im Griff. „Zum Anfang war es schlimm“, räumt er ein.
Da musste er schon mal richtig dazwischen gehen. Wer jetzt aus der Reihe tanzt, den nehme er sich „herzhaft zur Brust“. „Meist reicht es aber, wenn ich die Stimme hebe“, sagt er. Der gelernte Erzieher hat auch schon Hausverbote verhängt. „Meist gab es bereits am nächsten Tag eine Entschuldigung“, erzählt Kurtz. (mz)