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Immobilien in Prettin Immobilien in Prettin: Abriss kostet Steuergeld

Von Detlef Mayer 16.01.2017, 07:54
Rolf Häuser (links), Leiter des Bauordnungsamtes beim Landkreis Wittenberg, und Pressesprecher Ronald Gauert am Prettiner Grundstück Elbstraße 16. Das verfallene Wohnhaus ließ der Kreis 2016 aus Sicherheitsgründen abreißen, Teile vom Nebengelass stehen, durch einen Bauzaun gesichert, noch.
Rolf Häuser (links), Leiter des Bauordnungsamtes beim Landkreis Wittenberg, und Pressesprecher Ronald Gauert am Prettiner Grundstück Elbstraße 16. Das verfallene Wohnhaus ließ der Kreis 2016 aus Sicherheitsgründen abreißen, Teile vom Nebengelass stehen, durch einen Bauzaun gesichert, noch. D. Mayer

Prettin - Es klingt wie ein geflügeltes Wort, doch es steht sogar im Grundgesetz: Eigentum verpflichtet (siehe dazu „Eigentum hat einen sozialen Bezug“). Das gilt auch für Immobilien.

Allerdings ist nicht jeder Eigentümer finanziell in der Lage oder Willens, die auf seinem Grundstück befindlichen Baulichkeiten in Ordnung zu halten beziehungsweise instand zu setzen. Oder man kann den Besitzer eines verfallenden Objekts gar nicht ermitteln. Dann wird die Immobilie, zumindest sobald Gefahr für die Allgemeinheit von ihr ausgeht, ein Fall für den Landkreis.

Der lässt im Zuge so genannter Ersatzvornahmen Arbeiten ausführen, um einsturzgefährdete Gebäude zu sichern, oder beauftragt deren Abriss. Neben Zahna und zum Teil Bad Schmiedeberg stelle Prettin in dieser Hinsicht einen Schwerpunkt dar, sagt Rolf Häuser als Leiter des Bauordnungsamtes vom Kreis.

Die Spitze des Eisbergs

Laut Ronald Gauert plane der Landkreis Wittenberg für derartige Ersatzvornahmen seit Jahren 300.000 Euro in seinen Haushalt ein. Die Summe werde allerdings in unterschiedlicher Höhe abgerufen, erläutert der Kreissprecher. „In manchen Jahren kommen wir an die 300.000 Euro schon ran“, ergänzt Rolf Häuser. Als Gegenbeispiel nennt er 2015: „Da konnten wir doch noch einige Grundstückseigentümer bewegen, selbst Hand anzulegen, unter anderem betraf dies die Coswiger Schlossmauer.“

Und er fügt hinzu, dass die 300.000 Euro ja nur die Spitze des Eisbergs seien. „Hier handelt es sich um jene Summe, die der Kreis wahrscheinlich nie wiedersieht.“ In anderen Fällen lege der Kreis das Geld für Ersatzvornahmen ja nur aus, weil die Maßnahmen den Eigentümern in Rechnung gestellt oder als Sicherungshypothek auf das Grundstück eingetragen werden, die bei einem Verkauf der Immobilie fällig ist.

Der Umfang an Ersatzvornahmen, so Rolf Häuser, sei in den zurückliegenden zehn Jahre im Schnitt etwa gleich geblieben, so dass man besagte 300.000 Euro, bei denen es sich ja um Steuermittel handele, noch nicht überziehen musste.

Eine längere Aufzählung

Welche Problemfälle stehen in Sachen Ersatzvornahme in Prettin zu Buche? Der Leiter des kreislichen Bauordnungsamtes beginnt seine Aufzählung bei der Hohen Straße 6 - Kreis und Stadt wurden hier aktiv und letztlich ließ die Stadt das Haus abreißen, auch um der betroffenen Familie entgegenzukommen.

Es folgt die Herrenstraße 13 - der Eigentümer hatte mit dem Abtragen des Gebäudes begonnen, der Landkreis stieg später ein, ließ das Dachgeschoss abnehmen und das Haus soweit abreißen, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht. Die Elbstraße 16 wurde 2016 über den Kreis abgerissen, ebenso die Straße der Freundschaft 18.

In der Straße der Freundschaft 8 lief das Abtragen des Hauses nur zum Teil über den Landkreis. Dann erwarb die Stadt das Grundstück und machte einen Parkplatz daraus.

Von der Prettiner Domäne musste der Kreis 2014 großflächig das Dach abnehmen lassen - das hat 70.000 Euro gekostet, wie Rolf Häuser sich erinnert. Auch die Herrenstraße 4 und die Herrenstraße 18 sind seit Jahren Sorgenfälle. Reparaturen am Dach und Sicherungsarbeiten am Giebel waren hier neben anderem erforderlich.

Kleine Städte problematisch

Damit sei Prettin eigentlich ein typischer Vertreter, meint der Chef des Bauordnungsamtes. Denn das Gros solcher verfallender Immobilien konzentriere sich in kleineren Städten. „Wittenberg ist nicht das Problem und Jessen auch nicht.“

Exemplarisch erläutert er: In Prettin sei nach der Wende der Arbeitsmarkt stark eingebrochen. „Da fehlt den Leuten das Geld, um ihre Häuser herzurichten.“ Hinzu komme, das viele junge Leute weggehen. Die Konsequenz: „Der Siedlungsdruck ist nicht mehr da.“ Vor allem unattraktive Gebäude innerorts, ohne Garten, verfielen.

Nachkommen schlügen ihre Erbschaft aus, und das, obwohl Prettin sogar vom Städtebaulichen Denkmalschutz profitiere, also 40-prozentige Förderungen für Sanierungen möglich seien. Dennoch werden Immobilien herrenlos.

Ordnungsverfügung mit Termin

Wenn ein Haus Ärger macht, seien es meist Nachbarn, die Polizei oder die Kommune, die Alarm schlagen, weiß Rolf Häuser aus Erfahrung. „Dachsteine fallen runter oder Ziegel, der Putz bröckelt. Wenn wir Glück haben, gibt es wenigstens kein Problem mit der Standsicherheit.“

So sich der Eigentümer ermitteln lasse, werde er angeschrieben, die Reparaturen zu erledigen. Tue er dies nicht, gebe es eine Ordnungsverfügung mit Terminsetzung und Androhung von Zwangsmitteln. Bleibe das alles ohne Reaktion, greife der Landkreis zur Ersatzvornahme, beauftrage Firmen und stelle dem Immobilien-Besitzer den Kostenbescheid zu.

Zahle dieser nicht, lasse man die bereits erwähnte Sicherungshypothek auf das Grundstück eintragen. „Eine Zwangsversteigerung“, macht Rolf Häuser deutlich,„ist für den Kreis meist unattraktiv, weil wir erst an siebter Stelle der Gläubigerliste stehen.“

Für das Handeln des Kreises gelte der Grundsatz: „Egal, was es kostet, Menschenleben dürfen nicht in Gefahr gebracht werden.“ Allerdings seien Zwangsvornahmen nicht dazu da, Häuser wieder in Ordnung zu bringen oder den Nachbarn eine tipptopp hergerichtete Fläche zu hinterlassen, stellt Rolf Häuser klar.

„Wir greifen nur soweit ein, bis von dem Grundstück keine Gefahr mehr ausgeht.“ Das könne ein Abriss sein, aber eben auch, dass ein Bauzaun um die Immobilie aufgestellt werde. „Der Kreis darf immer nur die kostengünstigste Maßnahme ergreifen.“

Und unmittelbare Nachbarn in einer Siedlungsreihe hätten nur Anspruch darauf, das ihr Haus nicht in der Standsicherheit gefährdet werde (z.B. durch einen Abriss) und gegen Schlagregen geschützt bleibe.

Mehr Geld vom Land nötig

Kritik übt Rolf Häuser am Land: Seine Bauordnungsbehörde arbeite bezüglich der Ersatzvornahmen im übertragenen Wirkungsbereich. Eigentlich zuständig sei das Land Sachsen-Anhalt. Dies übertrage diese Aufgabe jedoch an den Kreis, statte ihn aber nicht mit den entsprechenden Mitteln aus. „Unsere Aufwändungen sind nicht mit den allgemeinen Zuweisungen aus Magdeburg abgegolten.“ (mz)