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Heimatgeschichte in Zahna Heimatgeschichte in Zahna: Das Geheimnis der Perlenschnur

Von Ute Otto 23.02.2018, 17:43
Matthias Prasse signiert seine Bücher. Den Zahnaern hat sein Vortrag sichtlich gefallen.
Matthias Prasse signiert seine Bücher. Den Zahnaern hat sein Vortrag sichtlich gefallen. U. Otto

Zahna - Matthias Prasse ist baff. Rund 70 Zuhörer sind der Einladung des Fördervereins Stadtbibliothek Zahna in den Ratssaal zu seinem Lichtbildervortrag über Schlösser und Gärten im Kreis Wittenberg gefolgt. „Wenn ich in Dresden vor 20 Leuten spreche, ist das gut“, sagt er. Auch die Vereinsvorsitzende Jutta Rose freut sich über die große Resonanz. „Heimatgeschichte findet immer guten Zuspruch“, sagt sie.

Unüberwindbare Grenze

Matthias Prasse, Kunsthistoriker und Autor, will die Zuhörer auf eine Reise durch das „Arkadien am Elbstrom“ entführen. Das ist der Titel seines 2015 erschienenen Buches, in dem 60 Schlösser und Gärten zwischen Wittenberg und Dessau vorgestellt werden. Aber wie kommt es, dass die Bauwerke wie eine Perlenschnur von West nach Ost in Elbnähe aufgereiht sind?

„Die Elbe, Flüsse überhaupt, waren eine natürliche Grenze. Abseits von Furten konnte sie niemand überqueren, die Menschen konnten seinerzeit nicht schwimmen“, erklärt Prasse. Um ihre Pfründe zu verteidigen, hätten die Fürsten, deren Geschlechter sich immer wieder teilten, Burgen an den Flüssen errichtet. Es waren einfache Wallburgen oder hölzerne Befestigungen wie die Kehlsburg bei Klieken oder die Jessener Burg Jezzant. Auch in Zahna, am Ende der Burgstraße, gab es eine Burg.

Dass im Verlauf der Jahrhunderte aus den Burgen Schlösser wurden, erklärt Prasse auch mit dem Fortschritt der Waffentechnik. Ab dem 13. Jahrhundert sind in Europa Schusswaffen auf dem Vormarsch, denen Burgwälle nicht mehr gewachsen waren. Die Fürsten mussten andere Verteidigungsstrategien entwickeln. Gebaut wurde nach der Mode der Zeit, die Baumeister ließen aber auch regionale Besonderheiten einfließen.

Deshalb, so Prasse, sehe die Klödener Burg für ihre Entstehungszeit im 16. Jahrhundert wenig nach Renaissance aus. Der damalige Besitzer Jobst von Kanne habe einen Baumeister aus seiner Heimat Westfalen geholt.

Das einzige nicht adelige Geschlecht von Schlossbesitzern sei die Familie Löser gewesen, die über 300 Jahre das Amt des Hofmarschalls inne hatte. Deshalb seien in Reinharz die Akten des kursächsischen Landtags verwahrt gewesen. Den markanten Turm habe Löser erst nach seiner Erhebung in den Reichsgrafenstand anbauen lassen, „es war eindeutig ein Statussymbol“.

Von Wittenberg nach Annaburg und Prettin, dann wieder zurück nach Dessau und Coswig und auch die Schlossbauten des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches kann Prasse bei diesem Thema natürlich nicht auslassen. So braucht er für diese virtuelle Reise durch das Land, die Bauepochen und durch die Zeit freilich mehr als zwei Stunden. Prasse plaudert unterhaltsam, zitiert aus Tagebüchern und Briefen von Schlossbewohnern und -besitzern vergangener Zeiten. Er schlägt den Bogen in die Gegenwart.

Von den rund 1.200 Schlössern, Burgen und Herrenhäusern stünden 60 Prozent leer. Ein Drittel sei akut gefährdet. „In den nächsten 25 Jahren wird jedes vierte Schloss verschwinden“, so Prasses Prognose.

„Besuchen sie die Schlösser, nehmen sie Politiker in die Pflicht, das Kulturgut zu erhalten“, wirbt der 46-Jährige beim Zahnaer Publikum. Und fügt verschmitzt hinzu: „Wenn Sie Geld übrig haben, kaufen Sie ein Schloss.“

Kleine-Leute-Wärme

Dafür muss man freilich so schlösserverrückt sein wie der gebürtige Quedlinburger. Nachdem er seit 2008 die Buroer Komturei für Veranstaltungen nutzbar machte und bis in das vergangene Jahr dort mit seiner Familie wohnte, nahm er 2017 ein neues Projekt in Angriff: die Bischofsburg in Burgliebenau bei Merseburg.

Die Entscheidung sei aus Platzgründen gefallen, erzählt er in Zahna. Zu oft hätten Besucher fast im Schlafzimmer der Familie gestanden, wo sich seine Frau Dagny den beiden Jüngsten (zwei und ein Jahr alt) widmete.

Jetzt hätten sie 1.000 Quadratmeter Wohnfläche, aber häuslich eingerichtet hätten sie sich in dem Teil, in dem einst die Kindermädchen wohnten. Wegen der Heizung. „Kleineleute-Wärme“ habe das ein Bekannter von Adel bei einem Besuch bei ihm genannt. (mz)