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Geschichtsunterricht in Elster Geschichtsunterricht in Elster: Zehntklässer haben Orte des Grauens besucht

Von Thomas Tominski 11.12.2019, 11:42
Zeitzeugin Edda Schönherz (links) führt die Zehntklässler der Sekundarschule Elster durch die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen. Die frühere Fernsehansagerin hat für ihr Engagement zur Aufarbeitung von SED-Unrecht das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Zeitzeugin Edda Schönherz (links) führt die Zehntklässler der Sekundarschule Elster durch die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen. Die frühere Fernsehansagerin hat für ihr Engagement zur Aufarbeitung von SED-Unrecht das Bundesverdienstkreuz erhalten. Sekundarschule Elster

Elster - Ives Ströhlein wirkt nachdenklich. Das Thema DDR hat in seinem Leben bis zur Fahrt nach Berlin eine Nebenrolle gespielt. Der Besuch in der früheren Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen wirkt nach. Er spricht von einer straffen Diktatur, der systematisch psychischen Zerstörung von Häftlingen seitens der Stasi und der extrem hohen Sicherheit innerhalb der Gefängnismauern. „Es ist unglaublich, dass solche Verbrechen in einem Teil Deutschlands passiert sind“, sagt er rückblickend. Allein der spartanisch eingerichtete Verhörraum sei gruselig gewesen.

Das Ziel der Häftlinge hat damals wahrscheinlich nur Überleben gelautet. Der Schüler aus der 10 a der Sekundarschule Elster verrät, dass er bis zu diesem Zeitpunkt nur die Geschichten über die DDR-Mangelwirtschaft gekannt hat. Die extrem langen Wartezeiten beim Kauf eines Autos, Schlange stehen für begehrte Tauschwaren.

Insgesamt 35 Schüler der Klassen 10 a und 10 b der Sekundarschule Elster haben im Rahmen des Geschichtsunterrichts die Gedenkstätte Berliner Mauer in Wedding (Bernauer Straße) und die erwähnte Haftanstalt besucht. Die Klassenlehrerin der 10 a, Andrea Däumichen, erklärt, dass die DDR erst künftig in Geschichte behandelt wird und den Schülern deshalb das Basiswissen fehlt. Bei der Lehrerin hat die Begegnung mit Zeitzeugin Edda Schönherz einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Diese hat ihre Erlebnisse in dem Buch „Die Solistin“ festgehalten. Die ehemalige Fernsehansagerin erkundigte sich 1974 während eines Urlaubs in Budapest in den Botschaften der BRD und der Vereinigten Staaten nach einer Möglichkeit, die DDR zu verlassen. Nach ihrer Verhaftung landete Edda Schönherz in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg und kurz darauf in Hohenschönhausen.

Aufgrund ihrer „staatsfeindlichen Verbindungsaufnahme“ verurteilt sie das Gericht zu drei Jahren Zuchthaus. 1979 siedelte Schönherz in die BRD über. Ende 2002 kehrte sie nach Berlin zurück und führt seitdem Besuchergruppen als Zeitzeugenreferentin für Politische Bildung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Für ihr Engagement zur Aufarbeitung von SED-Unrecht hat Schönherz 2006 von Bundespräsident Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz erhalten. „Ich wäre nicht so mutig gewesen“, gibt Andrea Däumichen zu. Die Lehrerin ist erschüttert, welchen Druck das Regime auf Andersdenkende ausgeübt hat. Für sie persönlich sei es nie eine Option gewesen, die DDR zu verlassen.

Yannik Könnicke wird in der 10 a scherzhaft „DDR-Fan“ genannt. Der 16-Jährige hat sich zu Hause einen Hobbyraum mit Waschmaschine, RFT-Geräten und Schrankwand eingerichtet. „Angefangen hat alles mit einem Stern-Recorder“, sagt der fleißige Sammler, der auch Schwalbe und Trabant zu seinen Schätzen zählt. Trotzdem: Der Blick zurück ist nicht verklärt. Er spricht von Mauertoten, Schießbefehl, fehlender Reisefreiheit, Verhör- und Überwachungsmethoden. „Diese Menschen wollten doch nur ihre Freiheit“, sagt er.

Die Höhe der Berliner Mauer mit der ausgetüftelten Grenzsicherung ringsherum habe ihn ebenso schockiert wie das Sicherheitssystem in Hohenschönhausen. Das Wort Staatsfeind sei menschenverachtend. Zum Glück, klingt es aus der Runde, sind diese Zeiten vorbei. (mz)