Gasthaus zum Bergwitzsee Gasthaus zum Bergwitzsee: Kein Koch weit und breit bedeutet das "Aus"

Bergwitz - „Das ist wie Trauerarbeit“, bemerkt Michael Schenke. Mal ist der Schmerz immens groß, mal lässt er nach. Wehmut sei in jedem Fall dabei. Der junge Mann ist Gastwirt in Bergwitz, mit Leib und Seele, erfolgreich obendrein. Er übernahm das „Gasthaus zum Bergwitzsee“ nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter, das war im August 2014, die Eltern hatten das kleine Unternehmen in schöner Lage aufgebaut und zur Jahrtausendwende eröffnet.
Eine Minigolfanlage gehört dazu, seit einigen Monaten eine Pension mit vier Doppel- und zwei Einzelzimmern, eine Ferienwohnung gibt es ebenfalls. Ein rundes Geschäft, das sich bestens entwickelt hat: „Seit 2010 wächst der Umsatz Jahr für Jahr. Die Bude ist voll“, berichtet der Chef.
Schluss ist jetzt trotzdem. Ende Mai wird die florierende Gastwirtschaft am Bergwitzsee ihre Türen schließen. Die Entscheidung fiel am Donnerstagabend - und sie war alles andere als einfach für Vater und Sohn. Vor zwei Wochen, sagen die beiden, war die Gasthaus-Welt noch in Ordnung. Die Bücher sind voller Aufträge, etliche Familien- oder Jubiläumsfeiern sind angemeldet, die touristische Saison beginnt sich warm zu laufen.
Beste Aussichten. Eigentlich. Wäre da nicht das fatale Personalproblem, das die Gastronomie seit längerem heimsucht, geklagt wird vielerorts, auch in Wittenberg. Eher selten führt der Mangel an geeigneten und willigen Mitarbeitern allerdings dazu, dass der Laden gleich zumacht.
In Bergwitz bei Michael Schenke ist es insbesondere ein Koch, der händeringend gesucht wird - oder besser wurde. Bis dato standen zwei Männer an Herd und Kochtöpfen im Gasthaus zum Bergwitzsee. Der eine hat vor zwei Wochen gekündigt. Er möchte die Branche wechseln, aus persönlichen Gründen, erklärt der Inhaber. Der Abschied sei aus heiterem Himmel gekommen, ohne Ankündigung. Schenke hatte keine Zeit, sich zu wappnen. Der junge Arbeitgeber musste von jetzt auf gleich einen neuen Koch suchen. Denn einer, weiß er, schafft die Arbeit einfach nicht, zumal der übrig gebliebene Koch gesundheitlich gehandicapt ist: „Das Geschäft ist zu umfangreich. Wir haben viele Gäste.“
Der Bergwitzer setzte sich unverzüglich mit dem Arbeitsamt in Verbindung, das auch kurzfristig vier Vorschläge unterbreitete: Kein einziger hat sich gemeldet. Er telefonierte sehr viel, wandte sich an andere Gastronomen, die aber oft ähnliche Probleme haben. Er fragte beim Tourismusverband nach, beim Naturpark Dübener Heide, bei Freunden, die jemanden kennen, der jemanden kennt. Nichts, kein Koch weit und breit. „In der Kürze der Zeit einen geeigneten Mitarbeiter zu finden, ist sehr, sehr schwierig.“
Deshalb fiel schweren Herzens die Entscheidung, das Gasthaus zu schließen, Ende Mai wird dort das letzte Essen ausgereicht, das letzte Bier gezapft: „Wir haben alle Varianten durchgespielt und uns die Sache nicht leicht gemacht. Wir müssen schließen, weil wir Aufträge haben, die wir nicht erfüllen können. Wir machen die Hütte zu.“ Und, zumindest aus heutiger Sicht, auch nicht wieder auf. Schenke: „Ich habe eine ähnliche Situation schon einmal erlebt, vor drei Jahren, meine Frau war hochschwanger. Wir haben das damals irgendwie überbrückt.“
Selten hat der Gastronom Arbeitstage unter zwölf, 13 Stunden, manchmal sind es 16 oder 17. „Ich komme nicht klar damit, nur halbe Sachen zu machen.“ Die Reißleine zieht Michael Schenke jetzt auch um seiner Gesundheit willen: „Die Situation wird wohl eher nicht besser, sondern schlechter“, ahnt er. „Ich bin studierter Kaufmann und finde auch anderswo einen Job.“ Zumal der Pensionsbetrieb in Bergwitz weiterlaufen soll.
Dass das Gasthaus schließen wird, spricht sich allmählich herum. Für die Kundschaft, die Service und Qualität zu schätzen weiß, ist das eine schlechte Nachricht, Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig ist regelrecht entsetzt: „Ich bin sprachlos. Wenn es dabei bleibt, ist das ein herber Verlust für die Region.“ Zumal es nicht der erste Fall ist, gerade in den kleineren Orten gibt es kaum mehr Gastronomie. Das Bergwitzer Lokal mit seiner Minigolfanlage sei ein Aushängeschild gewesen und wichtig nicht zuletzt für den Tourismus, so Seelig. (mz)