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Fussball in Prettin Fussball in Prettin: Erfolge und der Spaßfaktor

Von Michael Hübner 15.05.2020, 09:20
Diese Prettiner Mannschaft spielte 2006 in der Landesklasse.
Diese Prettiner Mannschaft spielte 2006 in der Landesklasse. Christin Hefter

Prettin - Alexander Schicht hat „viel Herzblut“ investiert. Er hält seit 59 Jahren einem Verein die Treue - zuerst als ganz junger Fan, dann als Kicker, als Trainer, als Sportberichterstatter und jetzt als Vereinschef. Der heute 64-Jährige ist der dienstälteste Fußballboss im Kreis. Schicht ist seit 35 Jahren ununterbrochen im Amt und bereitet aktuell ein großes Jubiläum vor: 100 Jahre wird in Prettin Fußball gespielt.

In seiner aktiven Zeit, die er als Achtjähriger startete, spielte er mit dem Männerteam in der Bezirksklasse. Der Prettiner kickte im rechten Mittelfeld.

Torgefährliches Läuferspiel

„Das Läuferspiel war mir auf den Leib geschnitten“, so Schicht, der die rechte Seite defensiv wie offensiv beackert. Er erwirbt sich einen Namen als Kämpfer und erzielt auch noch Treffer. „Ich war der torgefährlichste Nicht-Angreifer“, berichtet er. Auch deshalb muss Schicht bei Personalnot im Sturm aushelfen. Er ist 29 als dringend ein neuer Abteilungschef gesucht wird. „Na gut, dann tue ich es“, erinnert er sich an sein Ja-Wort.

Die Wende wird zur ersten großen Herausforderung. So empfindet es aber Schicht nicht. „Ich war ein junger Mann“, begründet er seine Einschätzung. Die bürokratischen Hürden meistert er problemlos. Trotzdem gibt es Veränderungen. Die Fußballer werden selbstständig. „Die Turner haben angefragt, ob sie sich uns anschließen können“, so Schicht, der so vom Fußball- zum Vereinschef aufsteigt. Auch sportlich läuft es gut. Die Derbys sind Zuschauermagneten. Gegen Jessen kommen 516 und gegen Annaburg 503 Fans. „Das war der Wahnsinn“, sagt Schicht und bezieht das auch auf den einstigen Bierkonsum und spricht von sieben Fässer, die während eines Derbys geleert worden sind.

„In unserer Region waren im Fußball wir die Nummer eins, im Altkreis Jessen war nur Elster immer vor uns“, so Schicht. „Wir hatten viele schöne Stunden. Jetzt ist der Spaßfaktor geringer geworden“, sagt der Kickerboss. Schicht macht dafür den demografischen Wandel mitverantwortlich. Nach seinen Angaben leben derzeit 1.600 Menschen in Prettin. Zur Wendezeit waren es noch mehr als das doppelt so viele. Auch der größte Arbeitgeber, das Stanz- und Emaillierwerk, mit 400 Mitarbeitern schafft den Sprung in die Marktwirtschaft nicht. Die DDR-Produkte sind plötzlich selbst im Osten nicht mehr gefragt.

Studenten in der Kreisliga

Das hat nicht sofort Auswirkungen auf den Fußball. Aktuell gehören die Prettiner allerdings zu den kleineren Vereinen. „Aber auch in der Kreisliga wird ordentlicher Fußball gespielt“, erklärt der Experte. Zu seinem Team gehören sieben Studenten. Die seien aber nicht immer verfügbar. Sind sie mit von der Partie, habe die Mannschaft Kreisoberliga-Format. Sieben auf ein Streich ist für Prettin märchenhaft. Aber für Schicht ist die Verbundenheit der jungen Männer mit ihrem Heimatverein auch ein Indiz für gute Nachwuchsarbeit.

Derzeit gibt es zwei selbstständige Teams. Aber kein Kind soll weg geschickt werden. „Wir hatten auch schon Spielgemeinschaften mit Annaburg und mit Beilrode (Sachsen)“, so Schicht, der bedauert, dass auf seinem Platz das Leder noch immer nicht rollt. Kontaktloses Trainieren sei ein Unding. „Die Kinder wollen Fußball spielen und nicht Gymnastik betreiben“, so der 64-Jährige, der auch regelmäßig Anfragen von den Alten Herren erhält.

Auch die Senioren wollen wieder auf den Platz. Trotz dieser Corona-Zwangspause ist Schicht weiterhin am Ball. Die Festveranstaltung zum großen Jubiläum im Oktober muss vorbereitet werden. Auch da kann Schicht auf seine Erfahrungen aufbauen. Für ihn sind aller guten Dinge drei. „Zum 75. Geburtstag haben wir ein Sportfest organisiert, beim 90. war es auch schon eine Festveranstaltung mit einem Showprogramm“, erzählt Schicht.

Jetzt plant der Chef das I-Tüpfelchen. Ein Prominenter kommt zum Event: Alfred Reindl. Das ist ein Fußballakrobat, der von sich behauptet, der beste der Welt zu sein. „Der Auftritt ist nicht ganz billig“, verrät Schicht. Aber die Finanzierung sei auch durch Sponsoren bereits gesichert.

An dem Abend steht aber die Prettiner Historie im Mittelpunkt. Dazu wird es eine Ausstellung geben. Schicht erhält dabei tatkräftige Unterstützung von seiner Vize-Präsidentin Christin Hefter. Die Frau hat bereits akribisch recherchiert.

Gründung im Mai 1920

Demnach beginnt mit der Gründung des „Fußballclubs Prettin“ am 9. Mai 1920 die Fußballgeschichte. Als Spielstätte bekam die junge Elf um den Vereinsvorsitzenden Max Jahnert und seinen Stellvertreter Otto Purschwitz von der Stadt die Ziegelwiese zur Verfügung gestellt. Nach dem 1. Weltkrieg herrschte ein regelrechter Fußballboom, der einige Monate später zur Gründung eines zweiten Vereins in Prettin führte. Mit dem FC Rasensport Lichtenburg, der seine Heimspiele auf dem heutigen Hundeplatz austrug, gab es ab 1921 beliebte Stadtderbys.

Mit der sportlichen Umorganisation 1933 kam es allerdings zum Zusammenschluss mehrerer Vereine, so dass auch der FC Prettin und der FC Rasensport Lichtenburg von der Auflösung betroffen waren und von nun an gemeinsam als Abteilung Fußball ihre Spiele bestreiten mussten. Dabei wurde das Teams auch von talentierten Gastspielern aus dem ortsansässigen Arbeitslager verstärkt. In dieser Zeit wurde auch der heute noch genutzte Fußballplatz im Rahmen von Arbeitsdiensten angelegt.

Probleme nach dem Krieg

Nach dem 2. Weltkrieg hielt 1946 der Fußballsport wieder Einzug. Auf Initiative von Egon Noack, Horst Dademasch und Rolf Hoffmeister wurde eine neue Mannschaft gegründet, die aufgrund der schweren Nachkriegsjahre durchaus vor einigen Problemen stand. „Ihre Ehefrauen nähten beispielsweise aus Fallschirmen aus dem alten Wehrmachtslager in Torgau die ersten Spielerdresse für diese Elf, um überhaupt mit einheitlichen Trikots auflaufen zu können“, so Hefter. Auch die Fahrt mit dem Fahrrad zu Auswärtsspielen war keine Seltenheit. In diesen Jahren ermöglichten Fritz Schandert und Paul Hoffmeister auch erstmals eine Nachwuchsspielerausbildung.

Die vielen Trainingseinheiten und die aufwendige Nachwuchsarbeit zahlten sich bereits 1954 aus. Die junge Mannschaft, die seit der Gründung der DDR nun als Fußballsektion der BSG Motor Prettin startete, wurde Kreismeister, ebenso 1961 verbunden mit dem Aufstieg in die Bezirksklasse (1961-1963).

Nachdem BSG Motor Prettin zwischenzeitlich wieder in die Kreisliga abgestiegen war, konnte man 1982 wieder in die Bezirksklasse aufsteigen und bis 1989 dort Erfolge feiern.

Nach der Wende spielen die Prettiner Fußballer nun im Trikot des Turn- und Sportvereins Blau-Weiß Prettin.

1998 wird Prettin Kreismeister und Kreispokalsieger und konnte sich so den Aufstieg in die Landesklasse sichern, in der man bis 2008 spielte. Der e Wiederaufstieg in die Kreisoberliga gelang schließlich in der Saison 2017/2018. Letztes Jahr hat der Verein allerdings auf die Spielberechtigung in der Kreisoberliga verzichtet. (mz)

Diese Prettiner Mannschaft wird 1954 Kreismeister.
Diese Prettiner Mannschaft wird 1954 Kreismeister.
Christin Hefter
Diese Prettiner Kicker gehören zu den erfolgreichsten.
Diese Prettiner Kicker gehören zu den erfolgreichsten.
Christin Hefter