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Ausgrabung in Kemberg Ausgrabung in Kemberg: Auf Raseneisenstein gebaut

Von Karina Blüthgen 26.11.2019, 11:04
Der Archäologe Holger Rode vor der alten Mauer aus Raseneisenstein in Kemberg. In die älteren dunkleren Mauerreste sind in späteren Jahrhunderten mit einem weiteren Keller auch Ziegelsteine eingebaut worden.
Der Archäologe Holger Rode vor der alten Mauer aus Raseneisenstein in Kemberg. In die älteren dunkleren Mauerreste sind in späteren Jahrhunderten mit einem weiteren Keller auch Ziegelsteine eingebaut worden. Karina Blüthgen

Kemberg - Grundmauern aus der Frühzeit Kembergs sind derzeit neben dem Pfarrhaus der Stadt in der Kreuzstraße zu sehen. Wer durch den Drahtzaun schaut, entdeckt mehrere offenbar ineinander verschachtelte Mauerreste sowie in einem Teil auch einen gemauerten Fußboden aus roten Ziegeln.

Sehr ansehnliches Objekt

Nun mögen Mauerreste auf den ersten Blick nicht allzu spannend sein. Jedoch verrät die Verwendung bestimmter Steine durchaus einiges über das Alter. „Den Ursprungsbau datiere ich in das 13. Jahrhundert“, sagt der Archäologe Holger Rode. Die etwa sieben mal sieben Meter große Erstbebauung ist in Raseneisenstein mit einem gelblichen Mörtel ausgeführt.

„Das ist für Kemberg ein sehr ansehnliches Objekt“, findet Rode. Was für eine Bauzeit in der ersten Siedlungsphase spricht, ist das völlige Fehlen von Bauschutt wie etwa Ziegelresten, die in späteren Zeiten zumeist zum Verfüllen der Zwischenräume der größeren Steine benutzt wurden, erklärt er.

Überwölbt sei dieser Keller offenbar nicht gewesen, vielmehr war er vermutlich durch Balken abgedeckt. „Ein schöner Bau, den nicht jeder Ackerbürger hatte“, so der Archäologe, der den Befund mit der dort 1330 errichteten Propstei in Verbindung bringt. Auf den Grundmauern habe ein größeres gemauertes Gebäude gestanden, das „einigermaßen repräsentativ“ war.

Später erweitert

Dieses Areal wird im 14. oder 15. Jahrhundert bis an den Straßenraum heran erweitert. Kleine und größere Findlinge sind hier in den Mauerresten zu sehen. Die dritte Bauphase umfasst die Kellerlandschaft direkt neben dem heutigen Pfarrhaus. „Diese Keller wurden schon mal untersucht und auf das 15./16. Jahrhundert datiert“, so Rode.

„Dem kann ich nur beipflichten. Dieser Keller ist bis in das Raseneisenstein-Fundament hineingebaut und war mit zwei Tonnen überwölbt. Das ist größer als ein normaler Keller.“ Zur Straße hin ist ein gemauerter Wandrest erkennbar. Holger Rode erkennt dort einen alten Ziegelsteinverband, wohl der Rest der alten Propstei.

Einige Scherben seien entdeckt worden, „aber nichts besonderes“, so Rode. Am interessantesten nehmen sich noch einige Formsteine aus, die aufwendig bearbeitet wurden. „So etwas gibt es nicht an mal an der Kirche zu sehen“, zeigt der Archäologe über die Straße zum Gotteshaus hinüber. Welchem Zweck die Schmucksteine ursprünglich dienten? Man weiß es nicht.

Seit gut einer Woche ist sein Grabungsteam mit dem Freilegen der Mauern beschäftigt, nachdem ein Bagger die obersten Schichten abgetragen hat. Wo sich bis vor einigen Wochen noch Garten, Brache und ein Lehmbackofen befanden, soll bald ein neues Gemeindezentrum entstehen. Eigentlich hatte Pfarrer Nathanael Schulz im alten Pfarrhaus das Dachgeschoss ausbauen wollen. Aber dafür sei die Statik im Haus nicht ausreichend, erzählt er.

„Wir hatten den damaligen Superintendenten Beuchel eingeladen und die Situation geschildert. Viel Platz ist ja nicht. Die Kindergottesdienste finden im Büro statt, die Gemeindeveranstaltungen sind im Erdgeschoss“, so Schulz. „Am Ende der Beratungen hatten wir drei Konzepte. Dann stand die Idee, auf den historischen Gewölbekeller direkt am Haus aufzustocken. Jetzt ist der Plan, die komplette Lücke zweigeschossig zu füllen.“

Im März soll, wenn alles gut läuft, Baubeginn sein. Leider müsse auch der obere Teil der historischen Gewölbekeller, wo bisher nur ein Dach darüber lag, abgerissen werden, bedauern Rode wie auch Schulz. Die jetzt freigelegten Mauer- und Kellerreste werden hingegen einfach wieder zugeschüttet und überbaut.

Nutzung ist unklar

Was die Keller einmal beherbergten, ob zum Bierbrauen oder der Lagerung von Lebensmitteln, wird sich nicht mehr feststellen lassen. Holger Rode kann zwar sagen, dass die gesamte Kellerlandschaft gleichzeitig in Betrieb war und das doppelte Tonnengewölbe ursprünglich vom Pfarrhaus aus zugänglich war. Erst später wurde ein Eingang von der Gartenseite aus geschaffen. Das ist aber auch schon alles.

Bleibt der Lehmbackofen. Der ist dank Bagger ein Stück in den Garten hinein versetzt worden, so dass es auch künftig Backtage in der Gemeinde geben kann. (mz)

Ein gefundener, aufwendig bearbeiteter Formstein. Sein ursprünglicher Ort ist unklar.
Ein gefundener, aufwendig bearbeiteter Formstein. Sein ursprünglicher Ort ist unklar.
Blüthgen