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Fit zum Fest Weihnachten feiert August Weißberg seinen 101. Geburtstag

Von Ralf Böhme 24.12.2016, 07:00
Zwischen Frühstück und Gänsebraten: Nicht nur zu Weihnachten gehört die MZ zum Tagesablauf von August Weißberg.
Zwischen Frühstück und Gänsebraten: Nicht nur zu Weihnachten gehört die MZ zum Tagesablauf von August Weißberg. Ralf Böhme

Augsdorf - So ein Fest, dabei hätte der 100-Jährige vor Wochen keinen Pfifferling mehr auf seine Gesundheit gewettet. Damals sei ihm dauernd schwindlig gewesen, sagt August Weißberg aus Augsdorf (Landkreis Mansfeld-Südharz). Schwere Übelkeit von morgens bis abends, erinnert sich der hagere kleine Mann. Das habe ihm beinahe die Freude am Leben genommen.

„Ich war mehr im Bett als auf den Beinen.“ Diagnose: Herzrhythmusstörungen. Und das in einem schon recht problematischen Stadium. Dass die Welt für Ur-Opa Weißberg jetzt wieder in Ordnung ist und er scherzt wie in besten Tagen liegt ihm zufolge vor allem daran: „Wer den Mut nicht sinken lässt, hat immer eine Chance.“ So ermöglicht ihm erst kürzlich eine erfolgreiche Operation - die Implantation eines Herzschrittmachers - die Rückkehr ins selbstbestimmte Leben. Als ältester Abonnent der Mitteldeutschen Zeitung wünscht er an dieser Stelle allen Lesern frohe Festtage.

Weihnachten feiert August Weißberg aus Augsdorf seinen 101. Geburtstag

Der Erfolg des medizinischen Eingriffs ist unübersehbar. Seine Finger, stellt Weißberg zufrieden fest, zitterten nicht einmal mehr. Schaut her, fordert er die Gäste auf. Dann zündet der ehemalige Kupfer-Bergmann mit ruhiger Hand eine große rote Adventskerze an. „Ja, meine Pumpe arbeitet wieder im Takt.“ Unglaubliche Zufriedenheit schwingt dabei in seiner Stimme mit. Aus gutem Grund: Am zweiten Feiertag vollendet sich für ihn ein weiteres Jahr. „Dann bin ich 101“, sagt der Rentner. Und ein feines Lächeln huscht über sein faltiges Gesicht.

Dass ihm so ein langes Leben vergönnt ist, sieht Weißberg als Geschenk Gottes an - obwohl der Mann gar nicht streng gläubig ist. Seine Erklärung: „Irgendwie fand sich immer ein Schutzengel, der mich vor dem Schlimmsten bewahrt hat.“ Während er das sagt, klopft er mit der geballten Faust auf die Tisch. „Dreimal Holz.“ Denn es könne, weil es so schön ist, noch eine ganze Weile so weitergehen. In seinem biblischen Alter bedeutet das vor allem, dass man sich in vielen Dingen noch selbst behelfen kann. Mit dem Alltäglichen fängt es an. Den Wecker stellt er sich immer auf sieben Uhr. „Ich mache mich beizeiten aus den Federn.“ Toast aufbacken, Kaffee kochen - alles kein Problem. Frühstück bei Sonnenaufgang, mit Blick in den kleinen Garten am Haus. Auf ein gekochtes Ei verzichtet er. Dafür gibt es Haferflockenschleim nach Art des Hauses.

Nur einem hat Weißberg die genaue Rezeptur verraten, seinem Arzt im Helios-Klinikum in Eisleben. Philipp Liebhold, der Internist, schweigt freilich dazu. „Das bleibt aber unser Geheimnis“, verspricht der Mediziner. Der 36-jährigen Oberarzt kennt den Augsdorfer aus den Tagen im Krankenhaus. Wie geistig und körperlich aktiv dieser hochbetagte Patient sei, habe wohl alle Mitarbeiter ziemlich beeindruckt. „So eine Haltung kann die Genesung natürlich enorm beschleunigen.“ Nach nur wenigen Tagen habe man Weißberg gesund und munter entlassen können.

Dank eines Herzschrittmachers geht es dem ehemaligen Bergmann August Weißberg wieder gut

Weil der Herzschrittmacher nach allen Regeln der Kunst verpflanzt ist, spürt der 100-Jährige das Gerät nicht. Chirurg Falk Sischka gehört zu den erfahrensten Fachleuten auf diesem Gebiet. Der von ihm eingesetzte Mikrocomputer ist unter dem Schlüsselbein platziert. Seine Aufgabe für die nächsten Jahre: Lücken im Herzrhythmus entdecken und bei Bedarf genau jene Impulse senden, die einen ermüdeten Herzmuskel zur Arbeit anregen. Weißberg weiß die mittlerweile ausgereifte Technik zu schätzen. Und er weiß auch, dass allein die Ärzte am Helios-Klinikum in Eisleben jährlich den Schrittmacher in gut 150 Fällen einsetzen. „Da ziehe ich meinen Hut.“

Am Weihnachtsabend erhebt der Familienälteste das Glas. In seinem Falle handelt es sich um angewärmtes Bier. Damit bringt Weißberg, der in Ostpreußen aufgewachsen ist, einen Trinkspruch aus. Das sei dort so Sitte, das habe er beibehalten, obwohl er nun schon seit 75 Jahren in Augsdorf lebt. Mit ihm stoßen an seine beiden Töchter, Enkelkinder und mit Saft auch sein kleiner Liebling, die zweijährige Urenkelin Lennija.

„Liebe Menschen, die sich gegenseitig helfen, sind das Wichtigste.“ Die Liste der Namen, die er aufzählt, ist lang. Dazu gehört für ihn zuerst seine inzwischen verstorbene Frau. 67 Ehejahre verbinden über den Tod hinaus. Die Familie ist Weißberg heilig. Lobendes berichtet er auch über den Pflegedienst, der ihn täglich aufsucht, über Nachbarn. Dabei, so sagen Verwandte, ist Weißberg selbst stets mit gutem Beispiel voran gegangen. So habe er noch mit 92 Jahren angefangen, Obstkuchen für seine damals erkrankte Frau zu backen. Inzwischen erfreut er seine Gäste mit süßem Bienenstich.

Ehemalige Bergleute im Mansfelder Land erinnern sich noch an Weißberg. Seine Zuverlässigkeit und Umsicht gilt noch immer als sprichwörtlich. Dieser gute Ruf ist kein Zufall, nach mehr als drei Jahrzehnten im Kupferschacht „Otto Brosowski“ - eine der drei großen und über 1 000 Meter tiefen Abbaustellen im Mansfelder Land. Fragen ihn junge Leute, wie man es schafft, die 100-Jahre-Marke zu knacken, antwortet er lächelnd: „Ich habe kein Rezept. Es ist Arbeit, Arbeit, nochmals Arbeit.“ (mz)