Radsport Radsport: Hettstedterin will allen davon fahren

hettstedt/MZ - Einige Schneereste haben der Sonne im schattigen Garten hinter dem kleinen Häuschen widerstanden. Trotzdem: Claudia Klose kribbelt es schon wieder in den Fingern. Nicht vom Holz hacken für den Kamin. Statt sich fürs Foto in Positur zu bringen, würde sie am liebsten aufs Rennrad steigen. Denn: „Sport ist mein Lebenselixier“, sagt die Hettstedterin. Dabei hatte die examinierte Krankenschwester, sie arbeitet bei einem Pflegedienst, bis vor wenigen Jahren mit Radsport, geschweige denn Radrennen zu fahren, noch gar nichts am Hut. „Als Zehnjährige hatte ich zum letzten Mal auf einem Rad gesessen. Das war mein Klapprad.“
Drei Jahrzehnte sind seitdem ins Land gegangen. Und ein paar Träume hat Claudia Klose noch: „Ich möchte in zehn Jahren noch so fit sein wie jetzt und bis dahin bei einem großen Rennen auch mal auf dem Treppchen gestanden haben.“ Ein großes Rennen, das ist für Claudia Klose zum Beispiel die Velo Challenge in Hannover, wo sich waschechte Amateure wie sie in einem riesigen Feld gemeinsam mit den Profis auf die Runde um den Maschsee machen. Zwölfte ihrer Altersklasse war die Hettstedterin im Vorjahr, brauchte für die 116 Kilometer knapp 3:45 Stunden, mithin ein 31er Schnitt. „Das war mein erstes Rennen und in der Nacht davor konnte ich überhaupt nicht schlafen, bin vor Aufregung ein paar Mal zur Toilette gerannt“, erinnert sie sich. Und auch das Rennen ist noch allgegenwärtig. „Es hat ein kräftiger Wind von vorn geweht. Ich dachte, irgendwann auf der Runde um den See muss er doch mal schieben. Aber da war nichts mit Rückenwind“, so Klose.
Das erste offizielle Straßenradrennen wurde am 31. Mai 1868 über eine Distanz von 1.200 Metern im Pariser Vorort Saint-Cloud ausgetragen. Sieger war der Brite James Moore, der auch am 7. November 1869 das erste Straßenrennen zwischen zwei Städten, Paris-Rouen über 123 Kilometern in 10:25 Stunden gewann. Die Absicht der Organisatoren von Paris-Rouen war, den Radsport zu fördern und zu zeigen, dass mit dem Fahrrad beträchtliche Distanzen absolviert werden können. Seit 1896 ist Straßenradsport Teil des Programms Olympischer Spiele.
Große Popularität genießt der Radsport in Frankreich, Italien, Spanien (vor allem im Baskenland) und der Schweiz, was seinen Ausdruck in den hier etablierten großen Landesrundfahrten Tour de France, Giro d’Italia, Vuelta a España und Tour de Suisse findet, sowie in Belgien (vor allem Flandern), Luxemburg und den Niederlanden. Dort finden viele wichtige Eintagesrennen statt, vor allen die sogenannten Frühjahrsklassiker. Auch in anderen Ländern erfreuen sich der Radsport und seine Idole hoher Beliebtheit, so in Großbritannien, Irland, Polen. (dle)
Um bei der Challenge zu starten, muss man nicht Mitglied im Verein sein. „Es ist ein Wettbewerb für Jedermann. Da ist man dann auch mit der Zahlung der Startgebühr versichert. Und hier einen Verein zu finden, hat sich für mich als schwierig erwiesen.“ Also trainiert und fährt sie, so es sich ergibt, mit ihrem Lebenspartner, der sie auch für den Radsport begeistert hat, oder mit ihrem Stiefvater. Oft aber auch allein. Von Hettstedt nach Stolberg bis ans Josephskreuz, Flüssigkeitsspeicher auffüllen, und wieder zurück. Insgesamt gut 120 Kilometer. Immer auf öffentlichen Straßen, was nicht ganz ungefährlich ist.
„Woanders in Deutschland gibt es viel mehr Radwege als hier“, hat sie festgestellt. Doch die fehlenden Radwege sind nicht die einzige Schwierigkeit für Claudia Klose. Auch ein ordentliches Rennrad für Frauen ist schwer zu bekommen, weshalb sie eines für Männer fährt. Und auch bei der Suche nach Sportbekleidung dauert es meist etwas länger. Gleichwohl, den Spaß am Sport lässt sich die Hettstedterin deshalb nicht nehmen. Auch nicht im Winter. Da geht sie dreimal pro Woche ins Fitnessstudio, tankt Kraft und Kondition. Oft gemeinsam mit ihrer Freundin Grit Schaaf, die einst selbst als Trainerin arbeitete und Claudia Klose nach deren Rückkehr in die Wipperstadt vor sieben Jahren für das Indoorcycling, ein Ausdauersport auf stationären Fahrrädern begeisterte. Vor sieben Jahren war das.
Aber erst ihr Lebenspartner hat sie überzeugen können, es auch draußen zu versuchen. Erst mit dem Mountainbike, dann als Rennradlerin. Ihr bis dato letztes Rennen hat Claudia Klose in Dresden bestritten. Die Startnummer von der Skoda Velorace prangt noch am Lenker. An der Elbe brauchte sie für die 98 Kilometer gut 2:48 Stunden. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 Kilometern pro Stunde, gefahren teilweise auf holprigem Altstadtpflaster und neben glatten Straßenbahnschienen. Hut ab!
Ihre Botschaft? „Man ist nie zu alt, um mit dem Sport treiben anzufangen.“ Wobei für Claudia Klose eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig ist bei der Verwirklichung ihrer Ziele. Unterstützt wird sie dabei von Mutter Dagmar. Die beiden wohnen unter einem Dach „in einer Frauen WG.“
Wo sie als nächstes startet? „Das richtet sich immer auch nach meinem Dienstplan. Ich gehe ja, wie jeder bei uns im Pflegedienst, jedes zweite Wochenende arbeiten. Da muss ich schauen, wann es passt.“ Fest eingeplant hat sie schon die Tour de Hexe am 26. April mit Start und Ziel in Vatterode. Das ist aber kein Rennen, sondern eine so genannte Tourenfahrt. Wo jeder nach seinem Gusto das Tempo selbst bestimmen darf. Im Gegensatz dazu muss man zum Beispiel als Starter in Hannover vorab versichern, dass man in der Lage ist, ein Stundenmittel von 28 Kilometern zu erreichen. In Dresden sind es 25. Gemeistert hat Claudia Klose beides locker. In Hannover, so wird kolportiert, habe sie bei den Anstiegen auf der Strecke gar gesungen.
Nur einmal im vergangenen Jahr war ihr gar nicht nach Singen zumute. Als sie mit dem Mountainbike nahe Biesenrode gestürzt war und sich das rechte Handgelenk gebrochen hatte. Acht Wochen ungewollte Pause hat ihr das beschert. Und mitunter machen ihr die Folgen der Verletzung heute noch zu schaffen. Dennoch, Rennen wird Claudia Klose weiter fahren. Um fit zu bleiben. Und es auf das Podest zu schaffen. Vielleicht ja dereinst beim großen Velothon in Berlin, wo sie auch unbedingt einmal starten möchte. Der Velothon in der Hauptstadt ist so etwas wie das Pendant auf zwei Rädern zum großen Berlin-Marathon.