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Pfarrer im Internet Pfarrer im Internet: Wie wichtig sind heutzutage noch die Pfarrhäuser in den Gemeinden?

Von Beate Thomashausen 25.02.2017, 18:00
Martin Weber ist seit einem Jahr Pfarrer in Allstedt.
Martin Weber ist seit einem Jahr Pfarrer in Allstedt. Maik Schumann

Allstedt/Osterhausen - Die Kirche gehört ins Dorf. Und das Pfarrhaus? Vielleicht nicht mehr unbedingt, finden Martin Weber und Wolfgang Stengel. Beide sind Pfarrer. Der eine steht am Anfang seines Berufsleben, ist noch keine 30 Jahre alt und trat in Allstedt voriges Jahr seine erste Pfarrstelle an. Der andere feierte bereits mit der ganzen Gemeinde auf dem Saal in Osterhausen seinen 60. Geburtstag. Zwei unterschiedliche Generationen, die sowohl ihren Beruf als auch dessen öffentliche Wahrnehmung völlig anders erlebt haben und erleben. Zwei Generationen, die auch einen unterschiedlichen Bezug zu ihrem Zuhause, dem evangelischen Pfarrhaus, haben.

Leute gingen früher im Pfarrhaus bei Wolfgang Stengel ein und aus

Martin Luther soll damals im Schwarzen Kloster in Wittenberg ständig Gäste um sich gehabt haben, sagt der junge Pfarrer Martin Weber. Ob das ein Mythos war? Fakt ist, dass bei Luther und seiner großen Familie auch Studenten und viele Gäste ein- und ausgegangen sein sollen. Kurzum, das Haus Martin Luthers, des ersten evangelischen Theologen, soll sehr offen gewesen sein. Und wie ist das heute?

Pfarrer Stengel erinnert sich daran, dass 1984, als er mit seiner Frau und seiner Tochter nach Osterhausen kam, im Pfarrhaus eines der wenigen Telefone im Ort installiert war. Es seien ständig Leute ins Haus gekommen, weil sie anrufen wollten oder gar einen Anruf aus dem Westen erwarteten. „Heute unvorstellbar. Damals ganz normal“, sagt Wolfgang Stengel mit einem Schmunzeln. Die Türe zum Pfarrhaus habe also eigentlich immer offen gestanden. Nur ein Klangspiel über der Tür kündigte die Besucher an. Stengels jüngerer Amtsbruder, der im vergangenen Jahr die Pfarrstelle in Allstedt antrat, kann sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass es in seinem Haus zugehen soll wie in einem Taubenschlag. „Ein bisschen Privatsphäre für mich und meine Familie möchte ich schon haben“, sagt Weber. „Da gibt es für mich schon eine Grenze.“

Im Pfarrhaus bei Stengels in Osterhausen ist nach über 30 Jahren auch Ruhe eingekehrt. Der Bastelkreis trifft sich noch regelmäßig im Pfarrhaus, aber die Kinder der Christenlehre und des Teeniekreises weichen in ein Nebengebäude auf dem großzügigen Grundstück aus. Auch die Flötenkinder, der Frauenchor und der Seniorenkreis treffen sich regelmäßig im Pfarrhaus, aber der Pfarrer selbst muss nicht immer dabei sein. Nicht, dass Pfarrer Stengel mit den Jahren weniger offen für die Anliegen seiner Gemeindeglieder ist. Aber: „Den Leuten ist es mittlerweile egal, wo ich wohne. Dass sie meine Telefonnummer haben, ist viel wichtiger geworden“, sagt Stengel.

Farnstädt, Schraplau, Schmon und Steigra zur Pfarrgemeinde von Wolfgang Stengel dazugekommen

Das habe die Zeit mit sich gebracht und sei auch sinnvoll, denn im Gegensatz zu 1984, als er für Osterhausen und die unmittelbaren Nachbarorte Kleinosterhausen, Sittichenbach, Rothenschirmbach und Hornburg zuständig war, ist die Zahl seiner Gemeinden beträchtlich angewachsen. Farnstädt, Schraplau, Schmon und Steigra sind dazugekommen. Da könne der Pfarrer nicht mehr überall präsent sein.

Der junge Pfarrer kennt es gar nicht mehr anders: Wer zum Pfarrer will, sollte sich besser vorher anmelden. „Wenn tatsächlich jemand unangemeldet kommt, vielleicht gar noch am Sonntagabend, hat ein dringendes Anliegen“, so Martin Weber. Dann sei er natürlich sofort bereit zu helfen. „Das ist ja meine Profession.“ Aber es gibt eben Grenzen. Natürlich finden auch im Allstedter Pfarrhaus regelmäßig Veranstaltungen statt. Da sich die Gemeinderäume in der unteren Etage befinden und die Pfarrersfamilie oben wohnt, gibt es eine klare Trennung.

Wie hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung des Pfarrers verändert?

Auch die gesellschaftliche Wahrnehmung des Pfarrers ändert sich. Zum Beispiel verschwinde die Pfarrfrau, sagt Stengel und meint die Rolle, die der Ehefrau des evangelischen Pfarrers in der Öffentlichkeit zugedacht wurde. „Die Frauen gehen beruflich eigene Wege, sind nicht mehr die stillen Dienerinnen im Pfarrhaus und immer da für die Gemeinde, wenn der Pfarrer abwesend ist.“ Bei ihm selbst allerdings ist das Verhältnis dann doch eher noch klassisch.

Stengels Frau ist Gemeindepädagogin von Beruf und als solche natürlich auch für die Kirchgemeinde im Einsatz. Stengels junger Kollege legt viel Wert darauf, dass seine Kirchengemeinde seine Ehefrau nicht als die Pfarrersfrau ansieht, die in seiner Abwesenheit für die Kirchengemeinde da ist. „Natürlich nimmt meine Frau mal einen Anruf entgegen und übermittelt mir etwas. Ohne Frage. Aber sie ist eine eigenständige Person. Und der Pfarrer bin ich. Meine Familie hat das Recht, nicht Pfarrer sein zu müssen.“

Er habe der Gemeinde von Anfang an zu vermitteln versucht, dass seine Familie und der Pfarrer zwei verschiedene Paar Schuhe sind. „Wenn meine Kinder keine Lust haben, zum Gottesdienst zu gehen, dann akzeptiere ich das.“ Und das kommuniziere er auch gegenüber seiner Gemeinde so und sei bislang damit auf Verständnis gestoßen. Es werde sich vieles ändern in der Zukunft, ist sich Stengel sicher und führt als Beispiel die Residenzpflicht an. „Ein Pfarrer gehört ins Pfarrhaus. So ist die Wahrnehmung bisher. Aber das wandelt sich schon allein deshalb, weil es nicht mehr in jedem Ort einen Pfarrer gibt. Und zahlreiche Pfarrhäuser sind längst an Privatleute verkauft.“

Das bestätigt auch Weber. Die meisten Pfarrhäuser im Allstedter Bereich gehören zwar noch der Kirche, seien aber vermietet. In Mittelhausen, Wolferstedt, Heygendorf, Kalbsrieth und Einsdorf stehe der Kirchengemeinde aber noch ein Raum für die Gemeindearbeit zur Verfügung. Verkauft sei das Pfarrhaus in Landgrafroda. Aber auch dort könne die Kirchengemeinde noch einen Raum nutzen.

Winterkirchen als Ersatz für Pfarrhaus eingerichtet

„Wo es gar kein Pfarrhaus mehr gibt, wird die Gemeindearbeit schwieriger“, schätzt Weber ein. In manchen Kirchen gebe es deshalb jetzt Winterkirchen. Abgetrennte Bereiche in den Gotteshäusern, die klein und beheizbar sind. Bei Pfarrer Weber ist das in Winkel der Fall und in Stengels Bereich in der Autobahnkirche Rothenschirmbach. Weber: „Man muss realistisch sein - auf lange Sicht werden nicht alle Pfarrhäuser zu halten sein. Auch nicht, wenn man sie vermietet. Die Mieten decken ja meist gerade so die Unterhaltungskosten. “

Dem pflichtet auch der Ältere bei und geht sogar noch weiter, dass sich nicht nur die Beziehung der Gemeinde zu ihrem Pfarrhaus, sondern auch zum Pfarrer im Wandel befinde. Die Zeiten, da der Pfarrer der Macher war, seien vorbei. Die Gemeinden übernehmen immer mehr Verantwortung. Stengel: „Ich sehe den Pfarrer in Zukunft eher in einer koordinierenden Funktion und als theologischen Berater der Gemeinde.“ Mit Blick auf seine Anfangsjahre sagt Stengel heute: „Ich mache mir eigentlich keine Sorgen: Wenn die Menschen ihren Pfarrer finden wollen, dann finden sie ihn, und sei es im Internet. Die Welt ist vielfältiger geworden als damals. Was sich tatsächlich ändert: Man läuft seinem Pfarrer nicht mehr so oft über den Weg wie das früher noch der Fall war.“ (mz)

Pfarrer Wolfgang Stengel aus Osterhausen mit seiner Ehefrau Jutta, die als Gemeindepädagogin für die evangelische Kirche arbeitet.
Pfarrer Wolfgang Stengel aus Osterhausen mit seiner Ehefrau Jutta, die als Gemeindepädagogin für die evangelische Kirche arbeitet.
Maik Schumann
Das Pfarrhaus in Osterhausen wird vom Pfarrer bewohnt.
Das Pfarrhaus in Osterhausen wird vom Pfarrer bewohnt.
Schumann
Das Pfarrhaus in Steigra soll verkauft werden.
Das Pfarrhaus in Steigra soll verkauft werden.
Stengel
Das Sorgenkind des Allstedters steht in Heygendorf.
Das Sorgenkind des Allstedters steht in Heygendorf.
Schumann
Ein Schmuckstück ist das Pfarrhaus in Wolferstedt.
Ein Schmuckstück ist das Pfarrhaus in Wolferstedt.
Schumann