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Nur noch sechs Kinderarzt-Praxen Nur noch sechs Kinderarzt-Praxen: Warum der Kreis trotzdem als überversorgt gilt

Von Beate Thomashausen und Karl-Heinz Klarner 06.04.2018, 12:25
Ärztin (Symbolbild). 
Ärztin (Symbolbild).  dpa

Sangerhausen - Auf langes Warten stellt sich Nadine Rülke ein, wenn sie mit ihrem zwei Jahre alten Sohn zum Kinderarzt muss. Die Praxis ihrer Kinderärztin in Sangerhausen sei eigentlich immer voller Schnupfennasen. „Die Schwestern versuchen das zu managen, aber die Praxis ist einfach überlastet“, sagt die junge Mutter.

Drei Stunden habe man schon einmal warten müssen. Dabei sei man nicht einmal vor der Mittagspause drangekommen. „Ich verstehe, dass die Knirpse unter einem Jahr schneller behandelt werden, aber das Warten ist nicht schön.“

Statitstisch gesehen ist der Landkreis mit Kinderärzten überversorgt

Ein Umstand, der sich offenbar auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. Denn laut Kassenärztlicher Vereinigung hat der Landkreis Mansfeld-Südharz sieben praktizierende Kinderärzte - und gilt damit rein statistisch mit 124,7 Prozent als überversorgt. „Der Bereich ist derzeit für Neuzulassungen gesperrt“, teilte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung mit.

Mittlerweile regt sich Widerstand gegen den Engpass. Im Jugendhilfeausschuss des Kreistages wurde das Thema Kinderärzte jetzt auf die Tagesordnung gehoben, als es um die „Frühen Hilfen“ für junge Familien ging. Es sehe miserabel aus, hieß es in dem Gremium mit Verweis auf die wenigen praktizierenden Kinderärzte. Denn aktuell gibt es sechs Praxen mit sieben zugelassenen Kinderärzten in Roßla, Sangerhausen, Eisleben, Wansleben am See und Hettstedt.

„Eltern beklagen sich auch gegenüber dem Jugendamt oft darüber, dass es zu langen Wartezeiten kommt, sich Terminvergaben schwierig gestalten und berufstätige Eltern oft Probleme haben, die Kinderarztpraxen innerhalb der regulären Öffnungszeiten aufzusuchen“, bestätigte Michaela Heilek, Pressesprecherin der Kreisverwaltung. Allerdings habe der Landkreis keine rechtliche Handhabe, um die aktuelle Situation zu verändern.

Auf jeden Kinderarzt im Landkreis kommen 2.600 Kinder

Veränderung wird offenbar durch eine Quote verhindert, die von Anfang der 90er Jahre stammt, also schon rund 25 Jahre alt ist. Damals wurde berechnet, wie viele Kinderärzte man im Landkreis braucht. Um diese Zeit herum gab es allein in Eisleben mindestens drei Kinderärzte - heute nur noch einen.

Zwar ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Vergleich zu Anfang der Neunziger Jahre in absoluten Zahlen gesunken und liegt mittlerweile bei rund 18.500 (Stand: 2015). Allerdings ist - statistisch gesehen - jeder Kinderarzt für rund 2.600 Kinder zuständig.

Dass die aktuelle Versorgung mit Kinderärzten beim Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) für wenig Verständnis sorgt, dürfte klar sein. Am Kinderärzte-Mangel müsse dringend etwas geändert werden, sonst laufe man in zehn Jahren auf eine Tragödie zu, hat Verbandssprecher Josef Kahl gefordert. Neben dem alten Berechnungsschlüssel führt er die geänderte Arbeitsweise der Ärzte an. Immer weniger Kinder- und Jugendärzte arbeiteten über die übliche Vollzeit hinaus.

Viele Kinderärzte gehen in den nächsten Jahren in Rente

50 bis 60 Wochenarbeitsstunden wie früher für viele Praxisinhaber üblich, ist für die jüngere Ärztegeneration keine Option mehr. Hinzu komme, dass Berechnungen zufolge, in den kommenden fünf Jahren jeder vierte Kinder- und Jugendarzt in den Ruhestand geht. Insofern haben die kleinen Hettstedter Patienten großes Glück. Die Kinderarztpraxis in der Kupferstadt wird von einem jungen Team weitergeführt.

Nadine Hirsch und ihre Kollegin Elke Böhme stiegen dort zum Anfang des Jahres ein. Über zu wenige Patienten brauchen sie sich nicht zu beklagen. „Das Wartezimmer ist immer voll. Und jetzt zur Grippesaison war es auch zu zweit manchmal kaum zu schaffen“, erzählt Nadine Hirsch.

Und dabei gehen einige Eltern auch mit ihren Kindern zum Hausarzt und gar nicht zum Kinderarzt. Natürlich kümmern sich auch die Allgemeinmediziner gut um Kinder, aber zu den Vorsorgeuntersuchungen überweisen sie dann doch an den Kinderarzt, wie sie festgestellt habe.

Kinderärzte-Mangel auch in der Helios-Klinik Sangerhausen spürbar

Auch in der Sangerhäuser Helios-Klinik fällt der Mangel an Kinderärzten auf. „Wir merken, dass Eltern mit ihren Kindern, vor allem abends und während der Feiertage und Urlaubszeiten, direkt in die Notaufnahme kommen. Dabei handelt es sich nicht immer um echte Notfälle“, war von Klinik-Pressesprecherin Kathrin Adam zu erfahren.

„Einige kleine Patienten werden auch vom Vertretungskinderarzt oder dem kassenärztlichen Notdienst direkt in die Klinik verwiesen.“ Insgesamt seien es 3.800 Kinder, die jährlich ambulant in der Klinik behandelt werden. (mz)