Baustopp in Bogenstraße Nach Pleite der Baufirma ist völlig unklar, wie es an der Baustelle in Kelbra weitergeht - Stadt sucht nach Lösung

Kelbra/MZ - Für die Anwohner ist es ein unmöglicher Zustand: Nach einem kurzem Intermezzo, als vergangene Woche zwei, drei Tage lang gebaut wurde, ruhen erneut die Arbeiten in der Kelbraer Bogenstraße. Und nun möglicherweise noch länger als bisher: Denn die Baufirma Hennig Bau aus Urbach im Kreis Nordhausen, die dort im Auftrag des Wasserverbandes und der Stadt Kelbra tätig war, hat Ende vergangener Woche Insolvenz beim Amtsgericht in Mühlhausen angemeldet. Insgesamt 70 Mitarbeiter sind von der Pleite des Bauunternehmens betroffen. Dazu kommen eine ganze Reihe auch kommunale Bauherrn, für die Henning in der Region tätig war und die nun nicht wissen, wie es mir ihren Bauvorhaben weitergeht.
„Bereits seit 4. Januar haben wir die Baustelle vor der Tür“, schimpft Horst Heckl, einer der Anwohner der Bogenstraße. „An dem Tag haben sie das Pflaster aufgerissen.“ Seitdem ist es beschwerlich für den Rentner und die anderen Anwohner der kleinen Straße zu ihren Häusern zu kommen. Wer schlecht laufen kann, hat große Probleme. Manche holen ihre Einkäufe mit dem Schub- oder Gummikarren von den entfernt geparkten Autos in ihre Häuser. Heckl sagt, er verstehe nicht, wie man als Baufirma so arbeiten könne.
Den Monate langen Bauverzug könne man doch niemandem zumuten. Kelbras Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wählergemeinschaft) kennt die Beschwerden. „Wir arbeiten an einer Lösung“, sagt Bornkessel. Einfach sei das nicht. Und hauptsächlich zuständig sei im Moment der Wasserverband Südharz, der in der Straße neue Leitungen für Trink-, Schmutz- und Regenwasser verlegen lässt. Die Stadt müsse sich um die Straßenoberfläche kümmern.
Besorgt sind der Bürgermeister und viele Anwohner, dass die Wasserleitungen im Winter einfrieren könnten
Stadt und Wasserverband hatten die Arbeiten gemeinsam ausgeschrieben, um Kosten zu sparen. „Eine Lösung muss schnell her“, sagt Bornkessel und verweist darauf, dass in der benachbarten Breiten Straße am Wochenende die Kelbraer Kirmes stattfindet. Es ist die größte in der Goldenen Aue, betonen die Kelbraer. Die Bogenstraße hat nach Angaben von Anwohnern eigentlich immer als Rettungsweg während der Veranstaltung gedient.
Besorgt sind der Bürgermeister und viele Anwohner, dass die Wasserleitungen, die nun teilweise überirdisch freiliegen, im Winter einfrieren könnten.
Jutta Parnieske-Pasterkamp, die Geschäftsführerin des Wasserverbandes, will sich zu den Problemen derzeit nicht näher äußern. „Die Firma Henning Bau hat uns bisher nicht über ihre Insolvenz in Kenntnis gesetzt. Derzeit ruht die Baumaßnahme in der Bogenstraße. Ob, wann und von wem die Arbeiten wieder aufgenommen werden, ist nicht klar“, schreibt sie auf Anfrage der MZ. Telefonisch fügt die Geschäftsführerin später auf Nachfrage hinzu: „Das Ganze ist nicht schön. Die Anwohner tun mir leid.“ Einfach dürfte es wahrscheinlich bei der derzeitigen Baukonjunktur nicht werden, schnell eine Firma zu finden, die vor dem Winter die Arbeiten weiterführt. Froh ist Parnieske-Pasterkamp, dass Hennig Bau derzeit nur in Kelbra für den Wasserverband gebaut habe.
Baufirma konnte 70 Mitarbeiter Lohn nicht zahlen
Alexandra Lange, die Geschäftsführerin der Insolventen Baufirma, hatte der in Nordhausen erscheinenden „Thüringer Allgemeinen“ gesagt, sie habe schweren Herzens die Notbremse ziehen müssen, weil sie den 70 Mitarbeitern den Lohn nicht habe zahlen können.
Nun sei der Insolvenzverwalter am Zug. Er müsse entscheiden, wie es auf den Baustellen weitergeht. Erst Anfang 2020 hatten Lange und ihr Bruder Nick König die Firma von ihrer Mutter Doris König übernommen. Die Firma ist eines der größten Familienunternehmen im Landkreis Nordhausen. Es besteht seit Februar 1990. An Aufträgen habe es bis zuletzt nicht gemangelt. Bis ins Frühjahr 2022 stünden welche in den Büchern. Damit sei allerdings nicht gesichert gewesen, dass auch genügend und rechtzeitig Geld in die Kasse fließe. Grund sei zum einen der Fachkräftemangel am Bau. „Poliere werden von der Konkurrenz angerufen, Bauleute von anderen direkt angesprochen“, sagt Lange.
Obwohl Hennig Bau ordentliche Löhne gezahlt habe, seien einige Mitarbeiter gegangen. Das habe ihre Firma bereits im Sommer gezwungen, einzelne Baustellen ruhen zu lassen. Die Lohnsteigerungen seien in die Angebote auch einzukalkulieren gewesen - im Gegensatz zur Explosion der Materialpreise, die man nicht habe vorhersehen können: Binnen eines Jahres habe sich der Preis für Stahl verdoppelt, auch Holz und Beton seien erheblich teurer geworden. „Einige Aufträge waren letztlich zu niedrig kalkuliert, brachten entsprechend wenig ein“, so Lange.
Zudem habe ihrer Firma die mangelnde Zahlungsmoral mancher Kunden auch aus dem öffentlichen Bereich zu schaffen gemacht.