Zum 150. Geburtstag Mundartdichter Ernst Haase ist ein Klassiker aus Gerbstedt
Zum 150. Geburtstag des Mundartdichters Ernst Haase, der Absolvent des Eisleber Lehrerseminars und Mitglied der Akademie der Wissenschaften war.

Gerbstedt/MZ - Mit seinem großen Landsmann Martin Luther hatte Ernst Haase sicher eines gemeinsam: Er verstand es den Leuten „aufs Maul zu schauen“ und so zu schreiben, dass ihn im Mansfeldischen jedermann verstand. Und was die Deftigkeit seiner Sprache anbelangt, musste sich der Autor zahlloser Anekdoten, Skizzen und Betrachtungen in Mansfelder Mundart auch nicht verstecken.
Ernst Haase, am 21. Oktober 1871 in Gerbstedt als Sohn eines Kaufmanns geboren, war ein außergewöhnlicher Mann, ein Multitalent, wie wir heute sagen würden. Im Alter von 15 Jahren kam er nach Eisleben, absolvierte hier zunächst die Präparande, danach das Seminar. In Belleben verdiente er sich dann 1892 als Volksschullehrer die ersten Sporen. Ab 1898 unterrichtete er in Halle, hörte in seiner Freizeit Vorlesungen über Geologie und arbeitete im Mineralogischen Institut der Martin-Luther-Universität, was ihn nicht hinderte, die Mittelschullehrer- und Rektorprüfung abzulegen und 1910 in der Saalestadt eine Rektorenstelle zu übernehmen. Nebenamtlich war er auch noch Lehrer für Natur- und Kulturkunde an der Städtischen Frauenschule sowie Dozent an der Volkshochschule und der Pädagogischen Akademie.
Wer Haases Lebensweg verfolgt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Der Mann verfasste Schulbücher über Geometrie, Chemie, Naturkunde, Meteorologie und Astronomie und machte sich darüber hinaus als Geologe einen Namen. „Porphyr-Haase“ wurde er von vielen scherzhaft genannt, weil er einer der besten Kenner dieses Gesteins war. Grund genug für die Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“, ihn 1940 in ihre Reihen aufzunehmen.
Späte Würdigung für den mittlerweile 69-Jährigen, der sich nach seiner Pensionierung 1934 weiterhin mit der ihm eigenen Leidenschaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geologischen Institut der Martin-Luther-Universität geologischen Forschungen widmete.
Ruhestand? Fehlanzeige. Nach Untergang des Nazireichs 1945 war er als Dozent in Lehrerbildungskursen gefragt, er arbeitete als Lektor für die Methodik des Biologie- und Chemieunterrichts an der Pädagogischen Fakultät der Martin-Luther-Universität, die ihm 1946 die Ehrendoktorwürde verlieh und bald darauf zum Professor ernannte. Erst 1952 gab er sein Lehramt auf, blieb aber bis zu seinem Lebensende 1959 dem Geologischen Institut verbunden, arbeitete wissenschaftlich, so lange es seine Kräfte erlaubten.
Im Mansfeldischen wurde Haase aber vor allem als Mundartautor bekannt. Waldemar Mühlner (1878-1948), der Herausgeber des Mansfelder Heimatkalenders, war es, der 1931 zum 60. Geburtstag des Gerbstedters seinen Lesern verriet, dass die beliebten, mit „E. H.“ unterzeichneten Beiträge allesamt von Ernst Haase stammen und erläuterte: „Er hat mit dieser Abkürzung nicht seinen Namen verschweigen wollen. Aber er maß seinen mundartlichen volkstümlichen Arbeiten von Anfang an keine besondere Bedeutung bei.“
Als jedoch die Zahl dieser Arbeiten ständig stieg, und auch der Verfasser irgendwann erkannte, „dass sie für seine und seiner Heimat Wesensart durchaus nicht unwichtig waren“, wie Mühlner es ausdrückte, „da blieb er in schlichter Zurückhaltung bei dem gewählten ‚E. H.‘“
Mag sein, dass er nur verschmitzt gelächelt hat, wenn die Leute darüber rätselten, wer denn beispielsweise die (bis in unsere Tage populäre) Geschichte „Der Weesenmarjt in Johre 1900“ geschrieben haben könnte, mit der er sich für alle Zeit einen Platz in den Reihen der Klassiker der Mansfelder Mundartautoren sicherte. Haase hatte ja laut Mühlner einen „schelmischen Zug um die Augen“, und er verfügte über die seltene Gabe, andere Menschen in seinen Bann zu ziehen. Haase konnte ganz einfach wunderbar erzählen und vermochte es, seine Anekdoten mit derselben Ursprünglichkeit und Frische niederzuschreiben. So schuf er unverwechselbare Volkstypen wie Schmidts Rieken oder den Vetter Mälzner, die ihren Autor um Jahrzehnte überdauerten und wohl noch so lange lebendig bleiben, wie es Menschen gibt, die Mansfelder Mundart sprechen oder lesen oder einfach nur mögen.