Deutsche Meisterschaft in Sachsen-Anhalt Deutsche Armwrestling-Meisterschaft in Sachsen-Anhalt

Hergisdorf - Es ist, als würde ich an einem Betonpfeiler ziehen, der metertief in die Erde gerammt wurde. So sehr ich auch mit aller Kraft reiße und zerre, der Arm von Denis Sarembe bewegt sich keinen Zentimeter. Er bleibt aufrecht auf dem Metalltisch stehen, wie ein Turm, der einem schweren Sturm trotzt. Wobei meine Versuche, den Arm des 31-jährigen Eislebers zu bewegen, wohl eher einem lauen Lüftchen gleichen - zumindest in der Welt der Armwrestler.
Wer bei diesem Wort nun an das Klischeebild einer zigarettenverqualmten Eckkneipe denkt, dem sei gesagt: Armdrücken ist nicht gleich Armwrestling. Das eine ist Kraftmeierei, das andere eine Sportart, die einem strikten Regelwerk folgt und sich längst aus den schummrigen Bierlokalen verabschiedet hat.
Zwar geht es in beiden Disziplinen darum, die gegnerische Hand auf den Tisch zu knallen, doch Armringen ist deutlich dynamischer als der Wirtshaus-Zeitvertreib. Seit Jahren schon gibt es nationale und internationale Turniere. Am Samstag findet bereits die 30. Deutsche Meisterschaft statt. Und die wird für Denis Sarembe zu einem Heimspiel.
Armwrestling: Deutsche Meisterschaft lockt die Elite nach Sachsen-Anhalt
Denn die Armwrestling-Elite kommt in die Glück-Auf-Halle nach Eisleben. Erstmalig gastiert das Turnier damit in Sachsen-Anhalt. Ausrichter ist der TuS Hergisdorf. Das Örtchen mit seinen 1 500 Einwohnern liegt unweit von Eisleben und besitzt, was kein anderes Dorf in Mitteldeutschland hat: eine eigene Armwrestling-Sektion.
Zweieinhalb Jahre ist deren Gründung erst her. Dass die Hergisdorfer jetzt schon nationale Titelkämpfe ausrichten, liegt zum einen daran, dass Armwrestling kein Massensport ist. In Deutschland gibt es derzeit 15 Vereine mit etwa 300 Aktiven. Das begrenzt die Zahl der möglichen Ausrichter.
Vor einem Jahr begannen die 16 Vereinsmitglieder und viele Helfer mit der Organisation. Fast 12 000 Euro warben sie von Sponsoren ein. Als größten Finanzier nennt Sarembe Lotto-Toto Sachsen-Anhalt, aber auch lokale Unterstützer wie die Eisleber Tele Funk GmbH oder das Sicherheitsunternehmen Hal Securi. So konnten sie neben den Wettkämpfen auch ein Rahmenprogramm mit Cheerleadern, Turnern und Schlagersänger Phil Stewman auf die Beine stellen.
Los geht es am Samstag um 10.30 Uhr mit der ersten Showeinlage. Anschließend folgt für die 120 Athleten bis etwa 16 Uhr die Vorrunde mit dem linken und rechten Arm. Angetreten wird bei den Männern in verschiedenen Gewichtsklassen. Die Frauen haben eine offene Klasse. Die Finalrunde soll gegen 19 Uhr starten. Anschließend gibt es eine Aftershowparty. Tickets für die Deutsche Armwrestling-Meisterschaft kosten an der Tageskasse sieben Euro.
Der zweite und wohl wichtigere Grund ist 1,78 Meter groß, wiegt 108 Kilogramm und hat einen Unterarmumfang von 43 Zentimetern: Jan Sarembe, der Onkel von Denis und Vater des kleinen Armwrestling-Booms im Mansfelder Land.
Der kahlköpfige Koloss und seine mittlerweile 15 Ringerkollegen haben die Meisterschaft nach Eisleben geholt. „Das ist natürlich das Highlight in unserer noch jungen Vereinsgeschichte“, sagt Sarembe.
Vor sechs Jahren wurde er erstmals auf den Muskelsport aufmerksam. „Damals zeigte mir mein Sohn ein Internet-Video von John Brzenk.“ Der US-Amerikaner gilt als der beste Armwrestler aller Zeiten. Sarembe war nach dem Video sofort infiziert.
Allerdings lebte er seine Faszination erst passiv aus. „Anfangs hat nur mein Sohn den Sport richtig ernsthaft betrieben“, erzählt der 48-Jährige. Dafür sei er zum Training sogar zu Matthias Schlitte, einem der bekanntesten Armringer in Deutschland, gefahren.
Schlitte wohnt in Bebertal (Landkreis Börde) und hat ein markantes Markenzeichen: Sein rechter Arm ist aufgrund eines genetischen Defekts stark vergrößert. Für seinen Sport ist das allerdings eine perfekte Voraussetzung. Und so hat Schlitte es als einer der wenigen Deutschen in die Weltelite, die derzeit bullige Osteuropäer vom Typ Schrankwand bestimmen, geschafft.
Armwrestling: Mit Explosivität und sauberer Technik bei der Deutschen Meisterschaft in Sachsen-Anhalt
Das Training mit Schlitte zeigte schnell Wirkung beim Sohn von Jan Sarembe. Vor seinem ersten Turnier allerdings riss er sich mehrere Fasern im Arm. „Für mich bedeutete das eigentlich schon den Abschied vom Wrestling“, meint der Vater. Dann allerdings sei Schlitte auf ihn zugekommen: „Matti meinte nur: Jetzt musst du ran.“ Für Sarembe Senior begann damit die Armwrestling-Karriere.
Die war anfangs noch mit viel Ernüchterung verbunden. „Ich hatte Trainingspartner, die 70 Kilo wogen, mit mir aber den Boden aufwischten“, erzählt der Zwei-Zentner-Mann. Aufgeben kam jedoch nicht in Frage. Sarembe trainierte weiter und suchte sich Mitstreiter. Sie gründen die Vereinssektion. Inzwischen gelingt es auch ihnen, mit anderen den „Boden aufzuwischen“, sprich: zu gewinnen.
Ein Ringer der ersten Stunde ist auch Tobias Fitzenreiter, dessen Muskeln sich unter einem weiten Hemd verbergen. „Begeistert hat mich von Anfang an, dass Armwrestling ein Kampfsport ist, bei dem man sich nicht schlägt“, sagt er. Es komme bei den Gefechten nicht nur auf Kraft an. „Die muss man schon haben“, erklärt der 43-Jährige. Aber es sei auch wichtig, dass man Explosivität, Erfahrung und eine saubere Technik besitzt.
„Die Mischung daraus macht einen guten Armringer aus.“ Was Fitzenreiter damit meint, kann man beim Training der Hergisdorfer beobachten. Die Hände fest ineinander gekeilt, wiegen sich die Körper der Athleten um den Metalltisch herum. Es ist ein zähes Ringen, bis einer der Duellanten nachgibt. Dass kann nur zwei Sekunden dauern. Manchmal aber auch eine halbe Minute.
Dass Armwrestling dabei nicht ungefährlich ist, sieht man an Jan Sarembes linkem Arm. Den ziert eine zehn Zentimeter lange Narbe. „Das ist Anfang des Jahres bei einem Turnier passiert“, erzählt er. Dort riss seine Bizepssehne. „Eigentlich halten die Belastungen von mehreren hundert Kilogramm aus“, sagt Sarembe. Wegen der Verletzung kann er bei den Meisterschaften nicht antreten. „Aber als Organisator werden ich schon genug zu tun haben“, sagt er. Und für den TuS Hergisdorf gehen auch ohne ihn noch zwölf Ringer ins Arm-Gefecht. „Mit dem einen oder anderen Podestplatz liebäugeln wir schon“, sagt Sarembe.
Einer der Hoffnungsträger ist auch sein Neffe Denis. Der hat nach etwa 20 Sekunden genug von meinem Gezerre. Blitzschnell reißt er seinen Arm auf die Seite. Meine Hand klatscht auf den Metalltisch. Gegenwehr? Zwecklos! Eins allerdings ist sicher: Bei den Titelkämpfen am Samstag wird er es garantiert nicht so einfach haben. (mz)

