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Winterdienst Winterdienst: "Positives Feedback? Das hatten wir noch nie"

03.02.2021, 08:56
Der Winterdienst ist rund um die Uhr im Einsatz.
Der Winterdienst ist rund um die Uhr im Einsatz. Thon

Quedlinburg/Gernrode - Noch eine Runde, dann hat er’s für heute geschafft. Seit fünf Uhr morgens schiebt Domenic Lange schon Dienst. Er ist für einen Kollegen eingesprungen und „Schieben“ in seinem Fall wörtlich zu nehmen. Der  Neudorfer ist Mitarbeiter der Straßenmeisterei in Gernrode. Den halben Tag hat es geschneit.

Es ist später Nachmittag, als er sich  noch mal ins Fahrerhaus setzt, den Motor anschmeißt und verschiedene Knöpfe und Hebel drückt, mit denen er den Streuteller hinten  und den Pflug vorn bedient. Kurzer Technikcheck, bevor er vom Hof des Harzgeröder Stützpunktes  fährt. „Gucken, ob alles geht“, erklärt der Straßenwärter. Dann schaltet er die orangefarbene Rundumleuchte ein - wegen der Überbreite. Und los geht’s. 

Früher zwei Praktika absolviert

2015 ging Lange  in der  Straßemeisterei  in die Lehre. Vorher hatte er zwei Praktika dort absolviert. Damals sei er nur einer von  sechs Lehrlingen gewesen, die in Sachsen-Anhalt angefangen hätten, erzählt er. Heute verhält es sich etwas anders. Allein in seiner Meisterei  gebe es   drei Auszubildende im ersten  Lehrjahr; ein  weiterer Azubi solle in diesem Jahr anfangen, sagt der Chef, Frank Liebegott.

Die Straße ist  frei von Schnee; die Winterdienstler haben in den vergangenen Stunden ganze Arbeit geleistet. Und der Verkehr hat sein Übriges getan. „Man kann so viel streuen, wie man will. Man braucht  die Autos; die verteilen das Salz erst“, sagt Lange, der nun erneut streut. In der Nacht soll es  anziehen;  Regen ist angesagt. Was das heißt, ist klar. 

„Man muss  einmal gerutscht sein, damit man weiß, wie man sich verhält“

Lange ist mit seinen 22 einer der Jüngsten. Manch ältere Kollegen kommen auf mehr Jahre Berufserfahrung. Sie lassen ihn davon profitieren, „geben einem viele Tipps“, sagt er.   Darüber ist er dankbar. Das hilft. Doch es gibt auch Dinge, die muss man selbst erfahren: „Man muss  einmal gerutscht sein, damit man weiß, wie man sich verhält“, erklärt Lange. 

In Ballenstedt ist es passiert. Er kam aus Richtung Harzgerode mit 20, maximal 30 Kilometer pro Stunde.  Lange versuchte noch, den Lkw mit dem  Pflug abzubremsen, vergebens. Er schlitterte geradewegs über die Kreuzung. Sie war zum Glück frei. Um halb drei, wenn die Schicht beginnt, ist kaum ein Auto auf der Straße.

Per Sensor wird der Straßenzustand gemessen

An Bord hat Lange, der  eigentlich zur mobilen Straßenaufsicht gehört,  vier Kubikmeter Salz und über 2.200 Liter Lauge. So voll beladen bringt es der Lkw auf 22 Tonnen. Ein Sensor misst Fahrbahntemperatur und den Restsalzgehalt; danach wird die Streumenge  ermittelt.  Auf dem Display des Streuerpults stehen 10 Gramm Salz, die pro Quadratmeter ausgebracht werden - zusammen mit der Lauge; dadurch wird’s optimal verteilt.

Wenn es um Salz geht, müssen normalerweise Tonnen als Mengenangabe herhalten. 1.000 Tonnen lagen zu Beginn der Winterdienstsaison in Gernrode, 600 in Harzgerode - dazu 110 Tonnen Lauge. Aber auch immer und immer wieder 10 Gramm läppern sich, wenn man über Wochen nahezu rund um die Uhr im Einsatz ist. Seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag ist das der Fall.

Die Autos haben feste Strecken

Lange ist mit 40 Kilometer pro Stunde auf dem Weg nach Königerode unterwegs, von dort aus geht zurück nach Harzgerode,  runter in Richtung Alexisbad, über Silberhütte nach Straßberg, vorbei an Neudorf und Dankerode zum Ausgangspunkt. Die Autos haben feste Strecken; die Fahrer kennen sie aus dem Effeff. Es kann aber auch zu Abweichungen kommen, etwa bei Extremwetterlagen,  Verkehrsbehinderungen - oder wenn  ein Fahrzeug ausfällt.

Auf alle Eventualitäten adäquat zu reagieren, ist Aufgabe des Schichtleiters. Kai Wipprecht ist das heute. Normalerweise im grünen Bereich tätig, trägt er jetzt dafür Sorge, dass  bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auch  sprichwörtlich alles im grünen Bereich ist.
Lange hat’s neulich erwischt. Kupplungsschaden. „Das ist höhere Gewalt“, sagt er.

Kleinere Schäden werden zeitnah repariert

Dass immer mal was sein könne - logisch. „Das hier ist ja auch ’ne ziemliche Belastung für die Maschinen.“ Nicht umsonst gibt es einen Schlosser im Team, der auf Abruf bereitsteht, um kleinere Schäden zeitnah zu reparieren. Außerorts senkt Lange das Schiebeschild zum ersten Mal, um „die Ränder auszuputzen“, wie er sagt. Der Schneematsch fliegt in hohem Bogen zur Seite. Solch Feinheiten sind die Kür. Priorität haben die Fahrbahnen. Und da fallen inzwischen einige mehr in den Zuständigkeitsbereich der Gernröder Meisterei.

Seit Anfang des Jahres sind es 360 Kilometer. Weil die frühere Autobahn- und Straßenmeisterei in Wernigerode jetzt ausschließlich Autobahnmeisterei ist. Die Bundes- und Landesstraßen  seien unter den Meistereien in Gernrode, zu der nun auch der Stützpunkt in Almsfeld gehöre, und Halberstadt zu gleichen Teilen aufgeteilt worden, erklärt Liebegott.

Keine Garantie, dass alles Eis- und schneefrei ist

Vor  Silberhütte wird es  eng. Ein Bus kommt Lange entgegen. Der Fahrer  fährt weit nach rechts, hält an.  Rücksichtnahme ist keine Selbstverständlichkeit. Aber die Winterdienstler sind Kummer gewohnt. Schließlich wird meist nur über ihre Arbeit gemeckert. Lange ärgert das sehr. „Positives Feedback? Das hatten wir  noch nie“, sagt auch Schichtleiter Wipprecht. Bedauerlicherweise.  

Denn „das ist nicht einfach, was die Jungs machen. Denen wird  was abverlangt“, und sie gäben ihr Bestes, könnten aber nicht überall zur gleichen Zeit sein. „Auch wenn wir fast durchgängig im Einsatz sind, können wir nicht garantieren, das alles schnee- und eisfrei ist“, macht Liebegott klar, darauf müsse sich jeder Autofahrer einstellen. 

Es gebe Situationen, da könne man so viel räumen, wie man wolle, sagt  Lange, inzwischen hinter Straßberg angekommen. Wenn hier jetzt noch der Wind ginge, „fährste hoch, und wenn du zurückkommst, sieht es aus wie vorher.“ Zum Glück geht kein Wind, und die Straße - „die hat  man vorhin nicht mehr gesehen“ - ist schwarz.  So hat er’s am liebsten.  „Da sieht man hinterher, was man getan hat.“

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Wer ist zuständig?

Die  Zuständigkeiten im Winterdienst sind klar geregelt:  Die Straßenmeistereien der Landesstraßenbaubehörde sind für die Landes- und Bundesstraßen zuständig. Um die Kreisstraßen kümmert sich der Kreis und nur der Kreis und um die Gemeindestraßen die Kommune und nur die. Fährt  ein Fahrzeug der Straßenmeisterei auf einer Kreisstraße, bleibt der Pflug oben, gestreut wird nicht. „Wir dürften gar nicht“, erklärt Domenic Lange.  „Sobald das Schild unten ist, sind wir nicht mehr versichert.“ Und Tricksen ist nicht: Alles wird minutiös aufgezeichnet – die Strecke, wann und wo er schiebt, an welchen Stellen gestreut wird und wie viel.  

Den Winterdienst stemmt die Straßenmeisterei Gernrode mit sieben eigenen Lkw. Darüber hinaus kommen bei Bedarf Fremdunternehmer zum Einsatz, sodass bis zu 15 Fahrzeuge unterwegs sind.  Die Frühschicht beginnt in der Regel um 2.30 Uhr, die Spätschicht endet um 22 Uhr. Kommt es hart auf hart, fangen die einen früher an, und die anderen machen länger.
(mz)