Trucker-Gen Trucker-Gen: Richtig Bock auf den Bock

Harzgerode - Tommy Elle hat ein klares Bild von dem, was er will: Berufskraftfahrer werden. Der 17-Jährige, der gerade seinen Autoführerschein macht – den zu haben, ist Voraussetzung dafür, die Lkw-Fahrerlaubnis machen zu können –, ist auf dem besten Weg dahin: Bei der Spedition Kampe in Harzgerode ist er in die Lehre gegangen.
40 Mitarbeiter hat das Unternehmen, das Baustoffe und Teile für die Automobilindustrie transportiert und ein Lager betreibt. Das Lkw-Fahrer-Gen liegt in Elles Familie. Mit seinem Berufswunsch tritt er in des Großvaters und des Vaters Fußstapfen. „Als kleiner Stift bin ich schon mit meinem Vater mitgefahren“, erzählt Elle, der aus Braunschwende (Landkreis Mansfeld-Südharz) kommt. Dabei habe er schon allerhand mitbekommen, was laufe und was nicht so. Soll heißen: Er weiß, worauf er sich einlässt.
Marcel Hohmann: „Es ist schwer, Leute zu motivieren, Kraftfahrer zu werden.“
Bei seinem Ausbilder Marcel Hohmann war es ganz ähnlich. Auch eine Familiengeschichte. Auch er hat in der Spedition gelernt. Heute ist er Kraftverkehrsmeister, überwiegend im Büro tätig - und Elles Ausbilder. „Es ist schwer, Leute zu motivieren, Kraftfahrer zu werden“, sagt er, obwohl die Bedingungen schon besser geworden seien.
Der Job als Berufskraftfahrer „ist nicht die erste Wahl bei den Jugendlichen“, bestätigt Thomas Gerloff, Sprecher der Agentur für Arbeit Halberstadt. Dabei werden Berufskraftfahrer gesucht. Weshalb auch Umschulungen ein Thema für die Agentur sind: Bewerber würden gezielt darauf angesprochen, sagt er.
Zu viele Stellenangebote und zu wenig Interessenten
Im Halberstädter Agenturbezirk, zu dem auch Quedlinburg und Wernigerode gehören, waren zuletzt 41 zu besetzende Stellen registriert. „Die Nachfrage ist sehr hoch“, sagt Gerloff. Er geht davon aus, dass der Bedarf noch größer ist, als es die ihm vorliegenden Zahlen offenbaren. Denn Arbeitgeber seien nicht verpflichtet, der Agentur ihre offenen Jobs zu melden, erklärt er.
Den 41 Stellenangeboten stehen Gerloff zufolge 19 Interessenten gegenüber, die vom Fach kommen und gegenüber den Arbeitsvermittlern den Berufswunsch geäußert, aber auch eingeschränkt haben: aus gesundheitlichen Gründen - oder weil sie nur im Umkreis und nicht bundesweit oder international unterwegs sein wollen.
Noch in jungen Jahren quer durch Europa
Hohmann kann das nur bedingt verstehen: „Ich vergleiche das das immer mit Arbeitern auf Montage“, sagt er. „Die sind auch die ganze Woche weg.“ Im Gegensatz zu denen „haben wir unser eigenes Bett dabei“. An der Vorstellung, quer durch Europa zu fahren, stößt sich Elle nicht. Im Gegenteil. Rumkommen wolle er in jungen Jahren, sagt er, „ein bisschen was von der Welt sehen“, selbst wenn es vom Fahrersitz eines Lkw sei.
Erst kürzlich hat der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) auf drohende Versorgungsengpässe durch fehlende Lkw-Fahrer hingewiesen. Im BGL sind rund 8.000 Transportlogistikunternehmen Mitglied. 2018 haben nach Verbandsangaben 18.167 Menschen einen Lkw-Führerschein gemacht – „jedoch sind das angesichts etwa 30.000 pro Jahr in Rente gehender Lkw-Fahrer viel zu wenige“.
Der Fahrermangel hat laut BGL ganz konkrete Ursachen: Neben schlechten organisatorischen Zuständen und unkalkulierbaren Wartezeiten „macht vor allem die fehlende gesellschaftliche Anerkennung vielen Fahrern zu schaffen“.
Tommy Elle: „Die denken, man sitzt nur hinterm Lenkrad und braucht nicht viel zu wissen als Berufskraftfahrer.“
Auch Elle hat da seine Erfahrungen gemacht, wurde sogar schon ausgelacht, als er seinen Berufswunsch kundtat - „von Leuten, die keine Ahnung haben, was es heißt. Die denken, man sitzt nur hinterm Lenkrad und braucht nicht viel zu wissen als Berufskraftfahrer“, sagt er.
Dabei „muss man schon was im Kopf haben“, denn es handele sich um einen anspruchsvollen Job, die Fahrer müssten sich mit vielen Vorschriften auseinandersetzen, logistisch versiert sein, be- und entladen, Routen planen können und sich auch technisch bestens auskennen.
Selbst manch Auszubildender scheint das zu unterschätzen. Elle sagt, dass nach drei Wochen Berufsschule schon vier Lehrlinge abgesprungen seien. Und ein Lehrer habe den Auszubildenden prophezeit, dass sich die Reihen weiter lichten würden, am Ende der Ausbildung von ursprünglich 58 Schüler 35, vielleicht noch 40 übrig blieben.
Lernen, um selbst Problem erkennen zu können
In Harzgerode steckt Elle in der Werkstattausbildung – mit allem, was dazugehört: Räder wechseln und Ölservice, die elektrischen Anlagen lernt er zu deuten. Es gehe darum, Probleme zu erkennen, wenn sie denn aufträten, um sie entweder selbst beheben oder, wenn das nicht mehr gehe, qualifiziert artikulieren zu können, erklärt der Auszubildende.
Danach, so Hohmann, werde er nach und nach ans Fahren herangeführt. Er werde die Lagerprozesse, die Arbeitsabläufe kennenlernen, erst in Begleitung, dann allein fahren. Am Ende des dritten Lehrjahres stehe dann eine praktische Prüfung. (mz)