Tod bei Jagd Tod bei Jagd im Oktober 2017 bei Ballenstedt: Staatsanwaltschaft will nun zehn Treiber als Zeugen vernehmen

Ballenstedt/Quedlinburg - Vier Verhandlungstage sind für den Prozess gegen eine 22-jährige Jägerin anberaumt gewesen, die sich derzeit wegen fahrlässiger Tötung vor dem Jugendrichter beim Amtsgericht Quedlinburg verantworten muss. Bei einer Jagd in einem Wald bei Ballenstedt soll ein Schuss aus ihrer Waffe einen 81-Jährigen getroffen haben.
Bei den vier Verhandlungstagen wird es aber nicht bleiben: Das Gericht will nun auch zehn Treiber hören, die bei der Jagd im Oktober 2017 Waffen trugen. „Das ist aus meiner Sicht unumgänglich“, erklärte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft am Dienstag, dem dritten Prozesstag.
Bei der Drückjagd in einem Privatwald wurde ein 81-jähriger Jäger durch einen Schuss in den Kopf tödlich verletzt. Laut Anklage durch die zur Tatzeit 20-jährige Jägerin: Sie soll einen Hirsch anvisiert, auf ihn geschossen und das Tier nicht getroffen haben.
Das abgefeuerte Projektil soll den 200 Meter entfernten 81-Jährigen getroffen haben. Die 22-Jährige habe bei ihrem Schuss außer Acht gelassen, dass kein ausreichender Kugelfang - also etwa Erdreich eine Hanges - vorhanden gewesen sei, so die Staatsanwaltschaft.
Angeklagte erklärte, bei allen drei Schüssen einen Kugelfang gehabt zu haben
Zum Prozessauftakt hatte die Angeklagte erklärt, dreimal mit ihrem Gewehr mit Zielfernrohr geschossen zu haben: auf zwei Wildschweine und den Hirsch - „alle mit sicherem Kugelfang“.
Die Auswertung der Spuren vor Ort habe ergeben, dass sich der 81-Jährige auf dem Hochsitz befand, als ihn der tödliche Schuss getroffen habe. Wie eine Beamtin des Landeskriminalamtes, die bei der Spurensicherung eingesetzt war, als Zeugin vor Gericht weiter berichtete, sei das Projektil nicht gefunden worden - trotz intensiver Suche, bei der unter anderem ein Metalldetektor eingesetzt worden sei.
Die Ermittlungen hätten zudem ergeben, dass der tödliche Schuss aus Richtung des Hochsitzes abgegeben worden sei, auf dem sich die 22-Jährige bei der Jagd befand: Unter anderem anhand von gefundenen Knochensplittern „kamen wir zu dem Schluss, dass der Schuss aus der gegenüberliegenden Richtung kam“, erklärte eine Beamtin.
„Wir haben uns eine Karte zeigen lassen, welche Hochsitze besetzt waren.“ Das habe zum Hochsitz der 22-Jährigen geführt. Dieser steht im Tal unterhalb des Plateaus, in dessen Randbereich sich der Ansitz befindet, der dem 81-Jährigen zugewiesen worden war. „Wir haben prüfen müssen, ob es einen Kugelfang gibt zwischen dem Hochsitz im Tal und dem anderen Hochsitz“, sagte die Polizeibeamtin und erläuterte, was sie mit „Kugelfang“ meint: „Es dürfte zwischen den beiden Ansitzen keine direkte Verbindung bestehen.“
Eine Polizeibeamtin erklärt vor Gericht: „Es war kein Kugelfang vorhanden“
Doch eine solche habe es gegeben: Zunächst sei das mit einer Taschenlampe getestet worden; deren Licht auf dem Hochsitz des Opfers sei vom Hochsitz im Tal „schon gut zu erkennen gewesen“, schilderte die Polizistin. Diese Verbindung sei dann mit einem Scheinwerfer und einem Punktstrahler, die unterschiedlich - sitzende oder stehende Personen simulierend - positioniert wurden, überprüft worden.
Einfach so könne man den einen Ansitz vom anderen aus nicht sehen, „auch nicht mit dem Fernglas“, erklärte die Beamtin. „Man sieht erst mit dem Licht, dass da eine Linie ist. Es war kein Kugelfang vorhanden.“
Die mehr als 60 Jäger, die damals an der Jagd teilnahmen, waren aber nicht die einzigen mit Waffen im Wald: Auch einige Hundeführer in den Treibergruppen hatten solche, bestätigte der Leiter der Jagd. Teils würden die Hundeführer auch verlangen, eine Waffe zu tragen, um sich vor angeschossenem Schwarzwild schützen zu können.
Und nur zum eigenen Schutz bzw. um angeschossene Tiere zu erlegen, dürften die Treiber diese auch benutzen. Auf anderes Wild dürfe nicht geschossen werden. „Das ist nicht üblich“, so der Jagdleiter.
Dass es möglicherweise dennoch passieren könnte, kann der Zeuge, der damals als Treiberführer fungierte, nicht ausschließen: „Ich kann nicht jeden Einzelnen kontrollieren“, sagte er vor Gericht.
„Wir sollten uns die Frage stellen, aus welcher Richtung der Schuss kam. Das ist die Linie zwischen Hochstand und Hochstand“, so die Staatsanwaltschaft. „Wenn wir da halbwegs verlässliche Angaben zu den Treibern haben ...“ Doch laut Zeugenaussagen gab es zwar Strecken, die Treibergruppen absolvieren sollten, Abweichungen kämen aber vor.
Der Prozess wird fortgesetzt.
(mz)