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Sturm, Trockenheit, Borkenkäfer Sturm, Trockenheit, Borkenkäfer: Viele Wälder sind schwer krank

Von Kjell Sonnemann 22.10.2018, 12:26
Nach dem Sturm „Friederike” Anfang 2018 mussten im Harz zahlreiche umgestürzte Bäume beseitigt werden.
Nach dem Sturm „Friederike” Anfang 2018 mussten im Harz zahlreiche umgestürzte Bäume beseitigt werden. Maik Schumann

Harzgerode - Was war das bislang für ein schlechtes Jahr für die Wälder in Deutschland? Im Januar fegte Tief Friederike über das Land und erreichte auf dem Brocken sogar Orkanstärke. Von April bis in den Oktober herrschte eine außergewöhnliche Hitze: In den vergangenen 130 Jahren war nur der Sommer 1911 trockener. Und schließlich profitierte die Borkenkäfer-Population von den geschwächten Bäumen.

Sturm richtete nach feuchtem Jahr viele Schäden an

Doch eigentlich begann die Misere bereits vor deutlich mehr als einem Jahr. „2017 war ein sehr feuchtes Jahr bis kurz vor Weihnachten“, berichtet Hans Christian Schattenberg, Leiter des Landsforstbetriebs Ostharz. Wegen der aufgeweichten Böden hatten die Winde, die Friederike und zuvor schon Sturmtief Burglind mit sich brachten, leichtes Spiel beim Entwurzeln der Bäume.

„Der Wind hat bei uns innerhalb von vier Stunden 300.000 Festmeter Holz umgeworfen“, berichtet Schattenberg über Tief Friederike am 18. Januar. Die Bäume seien nicht abgebrochen, sondern zumeist mit dem sogenannten Wurzelteller umgefallen.

Zum Großteil traf es Fichten in dem Landesforst-Bezirk. Zum Vergleich: In einem normalen Jahr würden rund 100.000 Festmeter nachhaltig entnommen werden, erklärt er im Gespräch mit der MZ.

Vier von zehn Bäumen sind Fichten, jeder vierte Baum ist eine Buche

Der Landesbetrieb Ostharz betreut eine Waldfläche von etwa 19.000 Hektar. Vier von zehn Bäumen sind Fichten, jeder vierte Baum ist eine Buche. Pro Hektar werden jährlich normalerweise 5,5 Festmeter gefällt, aber es gibt einen Zuwachs von 7,7 Festmetern.

Das am Boden liegende Holz wurde deutschlandweit zunächst „relativ zügig“ in Sägewerke abtransportiert - immerhin handelt es sich auch um Wirtschaftswälder. „Innerhalb kürzester Zeit war der Markt gesättigt“, sagt Schattenberg. „Bis heute läuft es nur sehr schleppend, es konnte noch nicht alles weggefahren werden.“

Rund 30 Hektar wurden neu angepflanzt, weniger als ein Drittel kam durch

Etwa 30 Hektar mit Buchen, Eichen, Lärchen und Douglasien wurden nach dem stürmischen Jahresbeginn in den Ostharzer Landeswäldern neu gepflanzt. Aber nur 30 Prozent davon stehen noch, so Schattenbergs bitterer Bericht.

Denn es folgte die lange Hitzewelle. „Wir haben bei uns viele Böden aus Schiefer und Granit, ohne eine große Humusschicht darauf.“ Der Boden „auf den steinigen Kuppen des Oberharzes“ sei schnell „komplett ausgetrocknet“ gewesen. Zudem hatten die jungen Bäume zu kurze Wurzeln, um an Wasser in tieferen Schichten und in einem größeren Umkreis heranzukommen.

Böden auf steinigen Kuppen trockneten völlig aus

Doch auch alte Bäume hatten es schwer, den Sommer zu überstehen. Durch die Trockenheit habe es „keinen richtigen Saftfluss“ in den Pflanzen gegeben. Und die Borkenkäferart Kupferstecher in den Kronen der Fichten sei für viele das „Todesurteil“ gewesen, beschreibt der Leiter des Landsforstbetriebs Ostharz. Der lange Zeitraum der Trockenheit stresste die Waldbäume zusätzlich.

Während sich die Spitzen der Fichten durch Kupferstecher braun verfärben, befällt der Buchdrucker den Baum im unteren Stammbereich. Der Name habe laut Schattenberg mit dem Bild des Schaden zu tun, den diese Borkenkäferart hinterlässt: „Es sind kleine Gänge in der Größe von gedruckten Buchstaben“.

Weil die geschwächten Bäume in diesem Jahr den idealen Lebensraum für Borkenkäfer boten, hätten sich gleich drei Generationen von Kupferstechern entwickeln können. Sonst sind es zwei im Jahr, bemerkt der Experte.

Allein durch die Borkenkäfer seien bis zu 60.000 Festmeter Holz verloren gegangen - „der halbe Jahreseinschlag“. Und das ganze Ausmaß sei erst im kommenden Jahr zu sehen - je nachdem, wie die Käfer den Winter überstehen. Bislang scheint es so, als müssten 300 bis 400 Hektar neu gepflanzt werden.

Für Forstbetriebe „ist es schrecklich, wenn solche Naturereignisse zusammenfallen“, sagt Hans Christian Schattenberg. Er vergleicht: Ein Landwirt kann im kommenden Jahr mit einer ganz neuen Pflanzenkultur beginnen. „Aber wir denken über Generationen, über 200 bis 300 Jahre.“

Erhebliche Probleme für private Waldbesitzer

Schattenberg blickt aus Sicht der Landeswälder auf das bisherige Jahr 2018. „Die Situation ist in allen Eigentumsformen gleich“, bestätigt Egbert Thiele die Aussagen seines Kollegen. Thiele leitet das Betreuungsforstamt Harz in Wippra, das sich um private und kommunale Wälder kümmert. Die vergangenen Naturereignisse würden vor allem private Waldeigentümer vor betriebswirtschaftliche Probleme stellen: „Sie haben enorme Mindereinnahmen!“

In Harzgerode stehen die Schäden in Zahlen fest: 6.700 Festmeter Holz hat der Sturm Friederike im Kommunalwald umgeweht, weitere 600 Festmeter haben Borkenkäfer zerstört. „Die Schadensbilanz ist verheerend“, sagte Stadtbürgermeister Marcus Weise (CDU) während der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses.

Den Wald in Harzgerode betreut Thieles Forstamt. „Wir haben nach dem Sturm bereits im Frühjahr wieder mit Fichten aufgeforstet.“ Zudem seien Laubbäume wie Eichen gepflanzt worden - entgegen der Hauptwindrichtung. So wollen die Waldplaner künftigen Stürmen etwas gegenwirken.

Und er appelliert an Waldbesitzer, den Borkenkäfer-Befall schnell aufzuarbeiten. Damit sie sich nicht völlig ungehindert vermehren können, sollte das betroffene Holz aus dem Wald geholt werden. Zur Not kann auch Gift gegen die Schädlinge eingesetzt werden - doch die Zeit ist vorbei, weil es nur bei mehr als 20 Grad versprüht werden kann. (mz)