Streit um Plakat in Ballenstedt Streit um Plakat in Ballenstedt: Karikatur oder Rassismus?

Ballenstedt - Ein schwarzer Mann mit großen Augen und einem runden Hütchen auf dem Kopf strampelt sich auf einem Fahrrad ab. René Meyer wirbt mit diesem Bild - einer Reproduktion einer Postkarte um 1910 - für seinen Fahrradverleih in Ballenstedt. Ist das Rassismus?
In Ballenstedt hat diese Frage offenbar noch niemand gestellt, immerhin gibt es das Werbeschild laut Geschäftsmann Meyer schon seit zehn Jahren. Florian Fügemann, Chef vom Dienst bei der österreichischen Nachrichtenplattform „pressetext“, beantwortet sie trotzdem: „Ein regionaler Fahrradverleih aus Sachsen-Anhalt sorgt mit einer rassistischen Werbetafel für Aufregung“, heißt es in seinem „pressetext“-Artikel.
„So nutzt der im Schwarzen Weg 1 beheimatete Fahrradverleih Meyer den Straßennamen gezielt für sich - und zwar mit einem postkolonialen ,Mohren‘ als Radfahrer.“
Logo seit zehn Jahren
Abgesehen davon, dass der „Mohr“ nicht „postkolonial“ ist, die Darstellung vielmehr aus der Kolonialzeit stammt, so ist auch die Verbindung Schwarzer Weg - schwarzer Radler nur auf den ersten Blick offensichtlich. Denn Meyer hat nach eigenen Angaben sein Logo seit zehn Jahren, den Firmensitz im Schwarzen Weg aber erst seit zwei Jahren.
Das konnte der aus Ballenstedt stammende „pressetext“-Mitarbeiter Fügemann nicht wissen - schließlich hat er nicht mit Meyer geredet. Stattdessen lässt er in seinem Text einen anonymen „Anwohner“ zu Wort kommen, den er so zitiert: „Diese Darstellung eines Farbigen als ,Neger‘ ist nicht nur abwertend und rassistisch, sondern auch überaus geschmacklos.
Keine Rede von "Neger"
Dieser vermeintliche ,Gag‘ als Anspielung auf den Straßennamen ist alles andere als witzig.“ Eine Darstellung des Schwarzen als „Neger“? Wie Fügemann und sein unbekannter Gesprächspartner darauf kommen, bleibt ihr Geheimnis. Auf dem Plakat ist jedenfalls nirgends von „Neger“ die Rede.
Und noch einen weiteren Zusammenhang konstruiert der österreichische Journalist: „Der Inhaber des Unternehmens, René Meyer, hat die umstrittene Tafel zudem vor einem Güterwaggon aus den 1930er-Jahren aufgestellt. Assoziationen zum Dritten Reich und entsprechenden Deportationen sind vielleicht nicht beabsichtigt, drängen sich aber auf.“
Auch da hätte sich eine Recherche des „pressetext“-Mitarbeiters gelohnt: „Da ein Teil meines Blutes auch jüdisches ist und mein Großvater schwere Jahre der Inhaftierung unter den Nazis im Konzentrationslager Buchenwald verbrachte, kann man davon ausgehen, dass von mir keine Deportationen gewünscht werden“, so Meyer lakonisch in einer Stellungnahme auf seiner Homepage.
Assoziation abwegig
Auch historisch betrachtet, ist die angeblich so nahe liegende Assoziation Fügemanns abwegig: Im nationalsozialistischen Deutschland lebten nur wenige Tausend Schwarze. Von Deportationen dieser winzigen Minderheit ist nichts bekannt.
Was an der Karikatur eines schwarzen Radfahrers rassistisch ist? Aus Fügemanns Text erschließt sich der Grund nicht - und offiziell mit der MZ reden und seine Sicht der Dinge erklären, das will er auch nicht. Nach einem kurzen Telefonat lehnt er es ab, „direkt oder indirekt“ zitiert zu werden. Meyer dagegen sagt, das Bild sei eine Karikatur und keine Verunglimpfung. Es zeige einfach einen Mann, der angestrengt mit dem Fahrrad fährt - und in den er sich gut hineinversetzen könne. Denn es erinnere ihn an seine eigenen ersten Radfahrten.
„Ich habe mir nichts Böses dabei gedacht“, sagt Fahrradverleiher Meyer. Der Text auf der Website „pressetext“ sei aus reinem „Denunziantentum“ entstanden. Das ist auch der Tenor der durch den Artikel entfachten Facebook-Diskussion in der Gruppe „Wenn du in Ballenstedt groß geworden bist, dann....?“
Ein User etwa schreibt dort mit Blick auf Meyers Fahrradverleih: „Da baut sich jemand mit viel Arbeit und viel Geld etwas auf, lässt tote Ecken Ballenstedts wieder aufblühen und wird dann als Rechter in einem solchen Schmierenkomödienartikel dargestellt.“
Anfrage unbeantwortet
Eine Einschätzung der sachsen-anhaltischen Integrationsbeauftragten Susi Möbbeck war leider nicht zu bekommen. Sie ließ eine am Montag gestellte Anfrage ohne Begründung unbeantwortet. Karamba Diaby, der 2013 als erster in Afrika geborener schwarzer Politiker für Halle in den Bundestag gewählt wurde, hat dagegen eine eindeutige Meinung zu Meyers Werbeschild: „Das Plakat ist rassistisch, weil es sich klassischer Vorurteile über Schwarze Menschen bedient und diese beleidigend karikiert.“
Nichts Beleidigendes kann dagegen Salomon Kapepo an diesem Werbeschild entdecken. Kapepo gehört zum Volk der Ovambo in der einstigen deutschen Kolonie Namibia und arbeitet in Katutura, dem ehemaligen Township von Namibias Hauptstadt Windhuk, als Streetworker. Die MZ sandte ihm per WhatsApp ein Foto des Plakats, und Kapepo antwortete: „Ich habe kein Problem mit dem Bild. Es ist nur Reklame.“
(mz)