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Flüchtling aus Syrien Sozialzentrum Bode in Thale unterstützt Flüchtling: Junger Mann aus Syrien will Medizin studieren

Von Tim Fuhse 19.08.2018, 14:55
Migrationshelfer Stefan Blasek (l.) unterstützt Mohamed Omar Haj Oubaid (r.).
Migrationshelfer Stefan Blasek (l.) unterstützt Mohamed Omar Haj Oubaid (r.). Tim Fuhse

Thale/Quedlinburg - Eine wunderschöne Landschaft. Das sei sein erster Eindruck von Thale gewesen. Auch wenn es Mohamed Omar Haj Oubaid heute oft in die großen Städte zieht, freut er sich stets auf die Rückkehr ins ruhige Bodetal.

„Hier geht es uns gut“, sagt der 19-Jährige in fließendem Deutsch. Eigentlich intoniert er eher ein „Jut“ mit weichem Anlaut. Das klingt mehr nach Sachsen-Anhalt als nach dem syrischen Idlib, wo er aufgewachsen ist. Nach drei Jahren im Harz hat der junge Mann sich die örtliche Mundart angewöhnt.

Haj Oubaid ist einer von etwa 1.000 Menschen, die seit 2016 auf der Flucht in den Landkreis gekommen und hier geblieben sind. Rund drei Jahre ist es nun her, dass die ersten Asylsuchenden, zunächst temporär, in und um Quedlinburg eintrafen - und viele Bürger beim Ankommen halfen. Zeit für einen Blick zurück.

Ex-Gartenbaufachschule wurde zur Flüchtlings-Unterkunft

Es begann mit einer Verfügung. Im Juli des Jahres 2015 erwirkte Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU), dass die ehemalige Gartenbaufachschule am Brühl kurzfristig zur Unterkunft für Asylsuchende umfunktioniert wurde.

Rund 14 Kilometer weiter nördlich platzte die Zentrale Anlaufstelle (Zast) in Halberstadt aus allen Nähten. Die rund 1.000 festen Plätzen im Gebäude reichten lange nicht mehr aus, etwa 870 weitere Zuwanderer mussten in Zelten ausharren. „Organisiertes Chaos“, fasste es die Leiterin des Harzer Caritas-Verbandes, Cathleen Brand, zu jener Zeit zusammen.

Helfer trafen sich im Kulturzentrum in der Reichenstraße

„Wenn ein Handeln aus der Bürgerschaft notwendig wird, gibt es in Quedlinburg die Tradition, dass sich ein Runder Tisch trifft“, sagt Hans Christoph Jaekel, Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt.

Er war einer von rund 40 Bürgern, die an einem wolkenverhangenen Dienstagabend im August zur ersten Auflage des Helferkreises im Kulturzentrum in der Reichenstraße zusammenkamen.

Es folgten weitere Treffen. Gemeinsam organisierten die Ehrenamtlichen eine Kleiderspende, bereiteten Beratungsangebote für die Geflüchteten vor. „Wir hatten sehr schnell eine Hilfs-Struktur in der Stadt“, sagt Jaekel rückblickend. Auch am Tag, bevor die ersten geflohenen Menschen in der Gartenbaufachschule eintrafen, setzte sich der Runde Tisch wieder zusammen.

Stefan Blasek wurde  damals spontan zum Helfer

Davon erfuhr Stefan Blasek zu jener Zeit eher zufällig. „Ich bin da so reingerutscht“, sagt der 28-Jährige. Er war damals gerade aus Berlin in den Harz zurückgekehrt und in Quedlinburg unterwegs. Auf der Straße traf er eine Freundin, die auf dem Weg zum Runden Tisch war.

Kurzentschlossen ging Blasek mit. Bei dem Treffen hörte er, dass in der neuen Unterkunft Hilfe benötigt werde. „Die nächsten beiden Monate habe ich fast durchgehend in dem Camp verbracht“, sagt Blasek.

Engagierte Helfer wie er wurden in diesen Tagen dringend gebraucht, auch außerhalb der Unterkunft. Als Zast-Standort waren dem Landkreis bis dato keine Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugeteilt worden. Mit Beginn des Jahres 2016 sollte der Harz nun erstmals - später als anderswo - Asylsuchende langfristig aufnehmen.

Sozialzentrum Bode suchte Leiter für Migrationshilfe-Projekte

Auch in Thale. Hier wurde das Sozialzentrum Bode damit beauftragt, die Menschen im Rahmen eines neuen Migrationshilfe-Projekts zu betreuen - und Blasek wurde die Stelle als Leiter angeboten. „Dann habe ich einfach Ja gesagt, und es ging Schlag auf Schlag“, erinnert er.

Im Februar 2016 zogen die ersten Flüchtlinge nach Thale. Rasch mussten kommunale Wohnungen hergerichtet werden, ein gutes Dutzend ehrenamtliche Helfer packte mit an. Mittlerweile leben in Thale viele der rund 80 Geflüchteten in eigenem Wohnraum.

„Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, nicht“

Auch Mohamed Omar Haj Oubaid und seine Familie haben hier mittlerweile eine eigene Wohnung gefunden. „Ohne die Hilfe des Sozialzentrums wäre das sehr schwierig gewesen“, sagt der junge Mann. Seit nun bald drei Jahren unterstützen Stefan Blasek und die Ehrenamtlichen Zuwanderer, wo sie können. „Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, nicht nur mit mir“, sagt Haj Oubaid.

Er hat sich schnell im Harz eingelebt, schneller als viele andere. Der sprachbegabte Syrer besucht in Thale das Gymnasium und wird im kommenden Jahr sein Abitur machen. „Damit wäre er hier vor Ort der Erste“, sagt Blasek. Eine Gymnasiallaufbahn sei im System Asyl nicht vorgesehen, entsprechend lange mussten sie gemeinsam darum kämpfen.

Sozialzentrum und Stadtverwaltung arbeiten eng zusammen

Nicht nur im Fall des jungen Syrers hat die Aufnahme von Geflüchteten in Thale gut funktioniert - da sind sich die Helfer einig. Das sei den vielen Ehrenamtlichen zu verdanken, aber auch dem zeitlichen Vorlauf und der engen Kooperation mit der Kommune. Wöchentlich habe man anfangs mit Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) beraten.

Auch in Quedlinburg, so Hans Jaekel, sei die Zusammenarbeit mit der Stadt vorbildlich verlaufen. Doch in die Strukturen von Kreisverwaltung und Wohlfahrtsverbänden habe sich die spontane Hilfe der Bürger nicht so niederschwellig eingliedern lassen wie erhofft. „Da haben wir Lehrgeld bezahlt“, sagt Jaekel.

Hilfe bei Behördengängen kam nicht überall gut an

Dass man versucht habe, die Menschen auf eigene Faust beim Weg durch die Behörden zu unterstützen, sei nicht überall gut angekommen. „Auf die Akteure in den Orten - wie uns - hat man sich oft nicht eingelassen“, sagt Jaekel. Gleichwohl hätten die rechtlich Verantwortlichen mit den Aufgaben natürlich selbst alle Hände voll zu tun gehabt, sich wohl auch aus diesem Grund abschotten müssen.

Heute, drei Jahre nach den ereignisreichen Tagen im August 2015, trifft sich der Runde Tisch nicht mehr. Die Quedlinburger Zast-Außenstelle wurde nach einem Jahr wieder geschlossen. Jaekel blickt auch mit Wehmut auf das, was seitdem passiert ist. Er ist enttäuscht, dass die Bundesregierung vielen geflohenen Menschen kein Bleiberecht zugesteht. So werde das Erreichte, der viele Einsatz von Helfern zunichte gemacht. „Das ist ein historischer Fehler“, sagt Jaekel.

Mohamed Omar Haj Oubaid will Medizin studieren

Mohamed Omar Haj Oubaid jedenfalls wird in Thale bleiben - zumindest bis zum Abitur. Danach möchte er Medizin studieren, zwei Praktika in Zahnarztpraxen hat er schon absolviert. Ein ambitioniertes Ziel, selbst mit einem Notendurchschnitt von 1,9.

„Ich muss Gas geben“, sagt der 19-Jährige selbst. Nach dem Studium, auch das hat er sich überlegt, würde er gerne ins ruhige Bodetal zurückkommen. (mz)