„Ich beobachte sehr viel“ Sozialarbeiterin kümmert sich um kleine und große Sorgen von Kindern in Harzgerode
Die 31-Jährige ist Vertrauensperson, hilft bei der Bewältigung von Konflikten und berät Kinder in Krisen. Wir haben sie getroffen.
Harzgerode/MZ - Mit wachem Blick geht Stephanie Seibt durchs Schulhaus. „Ich beobachte sehr viel“, sagt die Schulsozialarbeiterin und erklärt: Aus der Körpersprache, der Haltung, der Mimik könne man allerhand deuten; auch Anzeichen wie Müdigkeit und Blässe könnten signalisieren, dass etwas nicht in Ordnung sei. „Man braucht schon ein feines Näschen.“
Seit vier Jahren arbeitet Seibt, die beim Internationalen Bund angestellt ist, an der Harzgeröder Grundschule „Weißer Garten“. Die 31-Jährige aus dem Südharzer Ortsteil Bennungen ist Vertrauensperson, hilft den Schülern bei der Konfliktbewältigung, interveniert und berät in Krisensituationen und schafft auch Bildungs- und Freizeitangebote.
„Ich habe herausgefunden, wie gewinnbringend die Arbeit als Schulsozialarbeiter ist.“
Stephanie Seibt (31) aus Bennungen
Der Europäische Sozialfonds und das Land fördern die Schulsozialarbeit. An 350 Schulen aller Schulformen sind in Sachsen-Anhalt nach Angaben der landesweiten Koordinierungsstelle „Schulerfolg sichern“ Schulsozialarbeiter vor Ort.
Zur Schulsozialarbeit fand Seibt, die in Nordhausen Gesundheits- und Sozialwesen studiert hat, nicht sofort. In einem Praktikum hatte sie es zunächst mit den Insassen einer Jugendanstalt zu tun. Später, noch während des Studiums, begann sie, sich in der offenen Jugendarbeit zu engagieren.
Und in Sangerhausen kümmerte sie sich erst mal um Obdachlose, Alkoholiker und Suchtaffine. Dem folgte der erste Einsatz an einer Schule, einer Grundschule im Saalekreis. „Dort habe ich herausgefunden, wie gewinnbringend die Arbeit als Schulsozialarbeiter ist.“ Wenngleich Soziale Arbeit nicht wirklich messbar sei, habe sie doch erleben dürfen, was sie bewirken könne, erklärt Seibt.
Vor allem die Geschichte eines Mädchens geht ihr nicht aus dem Kopf. Es hat sich im richtigen Moment darauf besonnen, was die Schulsozialarbeiterin in die Klassen getragen hat, dass Kinder auch Rechte haben – „das wissen viele nämlich nicht“. Und zu denen gehört eben auch das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Besagtes Mädchen lebte in einer Pflegefamilie und hatte einiges durch.
Die Mutter war gestorben, der Vater depressiv geworden; er isolierte seine Tochter völlig, verbot ihr zu weinen, zu lachen. Als ihr Trainer – sie war in einem Sportverein – übergriffig wurde, sie erst fotografierte, dann berührte, vertraute sie sich ihrer Pflegemutter an.
Die Kinder wenden sich mit kleineren und größeren Problemen an Stephanie Seibt
Von der Schulsozialarbeiterin wusste sie schließlich, dass ihr Körper ihr gehört. Anzeige wurde erstattet, die Polizei ermittelte, der Mann wurde am Ende festgenommen. „Ich sehe uns als Teil des Helfersystems“, sagt Seibt, in deren Büro es oft zugeht wie im Taubenschlag. Die Kinder wissen, dass sie da ist, und wenden sich mit kleineren und größeren Problemen an sie. Da geht es um Streitigkeiten, aber auch Gewalt untereinander; andere haben zu Hause Ärger, mit den Geschwistern, den Eltern.
Das meiste lässt sich im Gespräch aufarbeiten, muss es manchmal sogar. Nicht wenige Kinder wenden sich vertrauensvoll an sie, möchten, dass das Gesagte unter ihnen bleibt. Da gilt es dann Hilfestellung zu geben, ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie sie in dieser oder jener Situation bestehen können.
Das Selbstbewusstsein fördern, Lebenskompetenz entwickeln, gegenseitige Verantwortung übernehmen – darauf zielt ab, was Seibt, die selbst Mutter eines fünfjährigen Sohnes ist, macht. Oft sind auch die Eltern mit im Boot, die Lehrer, wenn es um die richtige Unterstützung geht.
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit, ein gutes Netzwerk – das seien wesentliche Instrumente, sagt die Schulsozialarbeiterin, neben dem Spürsinn, den ihr Job fordert. Einen Job, den sie nicht mehr missen will, „weil ich selbstbestimmt agieren kann und kein Tag dem anderen gleicht“, erklärt Stephanie Seibt.