1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. "Harz ist ein super Lebensraum": Raubtier im Landkreis Harz: Zwischen Gernrode und Stecklenberg lebt offenbar ein Wolf

"Harz ist ein super Lebensraum" Raubtier im Landkreis Harz: Zwischen Gernrode und Stecklenberg lebt offenbar ein Wolf

Von Detlef Anders 21.03.2018, 09:15
Ein Wolf (Canis lupus) steht in einem Wildpark in seinem Gehege.
Ein Wolf (Canis lupus) steht in einem Wildpark in seinem Gehege. dpa

Quedlinburg/Ballenstedt - In großen Teilen Sachsen-Anhalts gilt schon lange: Der Wolf ist wieder da. Nach einer ersten Sichtung vor zwei Jahren verdichten sich die Anzeichen, dass das Raubtier nun auch eine der letzten wolfsfreien Gegenden wieder besiedelt. Im Harzkreis gibt es nun Hinweise darauf, dass Isegrim zwischen Gernrode und Stecklenberg Streifzüge unternommen hat.

Antje Weber vom Wolfskompetenzzentrum des Landesamtes für Umweltschutz in Iden hat Exkremente eines Wolfes, eine sogenannte Losung, gefunden. „Der Harz ist ein super Lebensraum für den Wolf“, urteilte sie.

„Der Harz ist ein super Lebensraum für den Wolf“

Nachdem im Frühjahr 2016 eine Wildkamera bei Ballenstedt den grauen Jäger im Harz zum ersten Mal eingefangen hatte (die MZ berichtete) und auch Sichtungen aus dem Südharz gemeldet wurden, schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis weitere Spuren des Wolfes im Ostharz auftauchen.

Müssen wir uns an Angriffe durch Wölfe gewöhnen? Lassen sich Koppeln sichern? Welche Hilfe brauchen Tierhalter? Und: Könnte der Wolf eines Tages auch Menschen angreifen?

Über solche Fragen will die MZ in einem öffentlichen Forum diskutieren. Zugesagt haben Landesumweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) und Hans-Jörg Rösler vom Schafzuchtverband Sachsen-Anhalt sowie Claudia Szentiks vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin als unabhängige Wolfs-Expertin.

Am Mittwoch, 4. April, um 17.30 Uhr im Stadthaus Wittenberg werden die drei Diskutanten aufeinandertreffen (Mauerstraße 18, 06886 Lutherstadt Wittenberg. Einlass ab 17 Uhr, Parkmöglichkeiten in einem angrenzenden Parkhaus). Moderator ist der MZ-Landtagskorrespondent Hagen Eichler. Fragen aus dem Publikum sind ausdrücklich erwünscht.

Der Ort der Debatte ist nicht zufällig gewählt: Im Kreis Wittenberg, im gesamte Osten und Norden des Landes, ist der Wolf längst heimisch. Der Umgang mit ihm ist umstritten. Die Landes-CDU warnt vor einem „Kontrollverlust“ – sie will wolfsfreie Gebiete ausweisen und dort Abschuss zulassen. Nach geltendem Recht ist die Tötung nur für verhaltensauffällige Exemplare zulässig.

An dem Forum kann jeder kostenlos teilnehmen. Es ist aber eine Anmeldung bis 12 Uhr nötig unter 0345-565 4400 oder per Mail: [email protected]

Der Wolf kommt. Bis sich das erste Rudel ansiedelt, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein. Die einst ausgerotteten Tiere sollen sich in Deutschland und Europa wieder ausbreiten - darum würden sie besonders geschützt, informierte Antje Weber nun nach der Wolfskot-Entdeckung in Quedlinburg. Die Interessengemeinschaft Ornithologie und Naturschutz im Kultur- und Heimatverein Quedlinburg hatte sie zum Vortrag eingeladen.

„Eigentlich konnte man den Wolf richtig liebgewinnen“

Vor rund 50 interessierten Gästen referierte Weber ausführlich über die Gründe des besonderen Schutzes und die Ergebnisse des sogenannten Wolfsmonitorings. Am Ende stellte Werner Wandelt von der Interessengemeinschaft fest: „Eigentlich konnte man den Wolf richtig liebgewinnen.“

Seit einigen Jahren werden die Wölfe im Land beobachtet, das Entstehen von Rudeln verfolgt und Ideen und Beratungsangebote entwickelt, um Nutztiere vor Wölfen schützen zu können. In dem ausführlichen Vortrag zeigte Weber auch zahlreiche Bilder von Wildkameras und auf Karten die Orte, an denen sich Wölfe nachweislich angesiedelt haben.

Während vor allem im Osten und Norden Sachsen-Anhalts in Heidegegenden Rudel bestätigt sind, stellte der Harz im Wolfsmonitoring 2016/17 noch einen weißen Fleck dar.

Mufflons sind als Beute interessant für Wölfe

Laut Weber gibt es auch aus Ilsenburg Wildkamera-Fotos als Beweis für die Anwesenheit eines Wolfes. Er habe sich aber noch nicht etabliert. Die im Harz lebenden Mufflons seien als Beute aber sicher interessant.

218 Wolfswelpen in 55 Rudeln in Deutschland

In Deutschland gibt es 60 Rudel, 14 einzelne Paare und 3 territoriale Einzelgänger. In 55 Rudeln hat es Nachwuchs mit insgesamt 218 Wolfswelpen gegeben. In Sachsen-Anhalt geht man von 11 Rudeln mit etwa 70 Tieren aus. Das Revier eines Rudels ist laut Weber bis zu 350 Quadratkilometer groß.

„Das sind hervorragende Läufer. Im geschnürten Trab schaffen sie pro Nacht 60 bis 70 Kilometer auf festen Wegen“, so Weber. Die Wolfsexperten in Sachsen-Anhalt haben von 2009 bis 2015 insgesamt 926 Kot-Proben untersucht. Damit konnte nachgewiesen werden, dass sich die Wölfe zu 94 Prozent von wildlebenden Tieren ernähren.

In nur 1,7 Prozent waren Spuren von Nutztieren nachweisbar. „In Italien sind es 45 Prozent Nutztiere, da wollen wir natürlich nicht hin.“ Es wundere sie, dass nicht mehr passiert. Der Herdenschutz sei wichtig. Weber lebt selbst im Wolfsgebiet. „Meine Familie ist Schafhalter. Wir sperren die Tiere nachts ein. Das ist kein Problem.“ (mz)