Leben auf Land Projekt "Güntersberge nahversorgt": Anwohner wünschen sich Bäckerei Poststelle und Café

Güntersberge - Anfang September 2015 kämpften 70 Feuerwehrkameraden gegen das Feuer, das die Kaufhalle in Güntersberge zerstört hat. Seitdem gibt es keinen Nahversorgungsmarkt im Ort. „Die großen Märkte der Umgebung sind schon ein Stück weit weg“, sagt Marcus Weise (CDU), Bürgermeister der Stadt Harzgerode. Wenigstens Waren des täglichen Bedarfs sollte man in dem Stadtteil bekommen.
Der Startschuss für ein neues Projekt mit dem Namen „Güntersberge nahversorgt“ ist nun gefallen: Einwohner diskutierten mit Vertretern eines Planungsunternehmens. „Backwaren und Lebensmittel, ein kleines Café, ein Imbiss, vielleicht eine Poststelle werden gewünscht“, berichtet Verwaltungschef Weise.
Anwohner und Planer reden über Projekt „Güntersberge nahversorgt“
Ein multifunktionaler Standort mit verschiedenen Angeboten soll möglichst im Zentrum des Tourismusortes entstehen. Finanziell soll das Vorhaben durch „Kleinere Städte und Gemeinden - überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ unterstützt werden.
Bund und Länder haben dieses Städtebauförderungsprogramm aufgelegt. „Den Zuschlag haben wir erhalten und einen Projektträger beauftragt“, sagt Weise. Zuvor hatte die Stadt mehrfach versucht, einen Betreiber für einen Markt in Güntersberge zu finden.
Planer: Märkte werden oft an Stadträndern gebaut
Mit im Boot ist jetzt die Fachberatungs-Initiative Nahversorgt aus Hamburg. Ihr gehört Malte Obal an. Für seinen Geschmack werden Lebensmittelmärkte „viel zu häufig vor die Tore der Stadt gesetzt“. Vor allem mit Blick auf die stark alternde Bevölkerung mache es wenig Sinn, Märkte an Orten zu bauen, die nur mit dem Auto erreichbar sind.
Für Güntersberge bieten sich zum Beispiel ein Nahversorgungs-Einzelhändler, Drogeriemarkt und Blumenladen, Bäcker und Fleischer an einem Ort an. Das ergab die Diskussionsrunde mit ausgewählten Bewohnern.
Ziel: Mehrfunktionenhaus mit optimalen Verkaufsflächen
Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Zunächst einmal analysieren die Fachleute aus Hamburg die Situation vor Ort, „sehr detailliert und mit einem festen Schema“, sagt Diplom-Ökonom Obal. Grundlagen seien Bauleitplanungen, Vorgaben der Kommune, Wünsche und Bedürfnisse der Bürger. Es werde nicht „ins Blaue“ geplant, wie es häufig vorkomme, wenn Laien zum Beispiel über eine Bürgergenossenschaft einen Laden betreiben wollen.
Die Verkaufsfläche ist von der Nachfrage abhängig. Um diese zu bestimmen, reicht es nicht, Fragebögen zu verteilen. Die Fachberater haben außerdem die Läden in der Umgebung im Blick: „Einen Aldi stört ein kleiner Markt nicht, aber wir wollen keine bestehenden Betriebe vom Markt drängen“, erklärt Obal. Immerhin gehe es um Fördergelder.
Ziel sei es, Investoren für das Konzept zu gewinnen
Nachdem das Konzept steht, beginnen Planer und Architekten der beauftragen Initiative mit ihrer Arbeit. Sie entwerfen zum Beispiel ein Mehrfunktionenhaus mit optimalen Verkaufsflächen.
„Aber die entscheidende Frage ist die nach den Investments“, sagt Obal. „Das Konzept muss so gestaltet sein, dass sich der Markt wirtschaftlich trägt“ und sich die Investition in möglichst kurzer Zeit bezahlt mache.
Die Annahme, dass große Handelsunternehmen wie Rewe und Edeka in einen Nahverbrauchermarkt investieren sei „völlig falsch“, so der Experte. „Sie suchen das fertige Nest und liefern dann ihre Waren. Aber wer baut das Nest?“ Die Zeiten, in denen Kommunen solche freiwilligen Ausgaben tätigen konnten, seien vorbei. Es müsse auf private Investoren gesetzt werden, verdeutlicht Obal.
Kann man keine Handelsunternehmen überzeugen, müssen die Waren bei Zwischenhändlern gekauft werden, was teurer ist. Obal habe in dem Fall aber die „Hoffnung“, dies über höhere Umsätze durch viele Touristen wettmachen zu können. Denn ob die 700 Güntersberger den Supermärkten und Discountern, in denen sie aktuell einkaufen, komplett den Rücken kehren und ihr ganzes Geld im Ort ausgeben, ist fraglich. „Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.“
Im Frühjahr 2019 will die Beratungs-Initiative ihr Konzept für den Ort vorstellen. Dann tagen die politischen Gremien. (mz)