Vandalismus Nachbarn in Harzgerode machen mobil gegen die Autozerkratzer
Unbekannten richteten mehrere Tausend Euro Schaden an. Warum die Statistik der Polizei stark abweicht von der aktuellen Zahl der Fälle.

Harzgerode/MZ - Es ist kein fröhliches Nachbarschaftsfest, das Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU) da anberaumt hat. Der Grund, aus dem sich die zehn Anwohner der Alexisbader Straße jetzt getroffen haben, ist ein ärgerlicher wie kostspieliger: Ihre Autos wurden absichtlich zerkratzt, teilweise mehrfach. Der Schaden, der ihnen dadurch in den letzten Jahren entstanden ist, geht in Summe mittlerweile in die Zehntausende.
„Man traut sich kaum noch, das Auto auf der Straße abzustellen“, sagt der Verwaltungschef, der sich gleichermaßen in die Riege der Betroffenen einreiht. Das Auto seiner Partnerin hat’s erwischt. Bei Weises Nachbarn, Thomas Haberkorn, hat der Autozerkratzer insgesamt viermal zugeschlagen.
Zweimal, sagt er, habe das Auto seiner Schwiegereltern daran glauben müssen, einmal das seiner Eltern, zuletzt sein eigenes. Das Schadensbild war immer dasselbe: Der Täter setzte einen spitzen Gegenstand an, und zog den über die gesamte Fahrzeugseite.
Dabei war ihm egal, ob der Wagen am Straßenrand steht oder auf privatem Grund und Boden. „Wir fahren das Auto schon so weit wie möglich aufs Grundstück“, erklärt Haberkorn, aber selbst da sei es schon einmal passiert.

Dass es so nicht weitergehen kann, nicht so weiter gehen soll, das steht für die Betroffenen außer Frage. Einzelne, schildert Weise, hätten sich auch schon auf die Lauer gelegt. Des Täters aber konnten sie bisher nicht habhaft werden.
Zusammen wollen sie nun in ihrer Not mobil machen: Darum gehen sie gemeinsam den Schritt in die Öffentlichkeit – je größer die Aufmerksamkeit, je mehr sensibilisiert sind, desto besser. Und sie haben das Gespräch mit Marco Zeuner, dem Chef des Polizeireviers Harz, gesucht, um ihm die Situation vor Augen zu führen.
Eine Situation, die sich auf dem Papier allerdings ganz anders darstellt. Demnach verzeichnete die Polizei seit 2015 nämlich nur sieben sogenannte Sachbeschädigungen an Fahrzeugen, in die zerstochene Reifen und abgetretene Spiegel ebenso dazuzählen wie zerkratzte Autos in der Alexisbader Straße.
Zum Vergleich: 54 waren es in den vergangenen sechs Jahren in Harzgerode insgesamt. „Das ist, was wir objektiv wissen“, sagt Zeuner, der sich allein nach dem Gespräch mit den anwesenden Anwohnern mit einer Fallzahl konfrontiert sieht, die dreimal so hoch ist wie die in der Statistik ausgewiesene.
Wie das sein kann? Die Vorfälle wurden – aus verschiedenen Gründen – einfach nicht zur Anzeige gebracht. Die einen sagen, weil sie nichts in der Hand hätten, andere, weil sie den Tatzeitraum nicht wirklich eingrenzen könnten, auf den Schaden erst später aufmerksam geworden seien. Grundtenor: Das bringe eh nichts, der Täter werde sowieso nicht ermittelt oder habe nichts zu befürchten, auf dem Schaden bleibe man ohnehin sitzen.

Fakt ist: Die Dunkelziffer ist noch höher. Wie hoch – unklar. „Wir haben nicht überall geklingelt und gefragt“, sagt Weise. Aber es soll weitere Opfer geben; auch Namen fallen in der Runde.
Daten werden abgeglichen, Wochentage, Tageszeiten. Bei einigen decken sich die Tatzeiträume. Es geht um die Laufrichtung des Täters, seine mögliche Motivation, etwaige Zusammenhänge. Klar scheint nur: Der Täter kommt nach Einbruch der Dunkelheit. Und die Betroffenen sehen sich gezielten Angriffen ausgesetzt, weil er eben nicht nur im Vorbeigehen an den Autos entlangratscht. „Ich habe Angst, dass es wieder passiert“, sagt Susanne Fürstenau unumwunden. Zweimal war ihr Auto schon zerkratzt, einmal die Antenne abgebrochen. Beim ersten Mal – das Auto fahre sie nicht mehr – sei der Kratzer, der sich über die komplette Fahrerseite gezogen habe, so tief gewesen, dass sie 4.500 Euro für die Reparatur hätte zahlen müssen, erzählt sie. „Ich habe den Schaden nicht beheben lassen.“
Nicht alles ist ein Versicherungsfall
Vandalismusschäden sind – wenn der Täter nicht ermittelt und zur Kasse gebeten werden kann – nicht per se ein Versicherungsfall. Die meisten deckt nur eine Vollkaskoversicherung ab. Wird sie in Anspruch genommen, die Selbstbeteiligung inbegriffen, kann das allerdings auch noch eine Rückstufung in der Schadenfreiheitsklasse mit sich ziehen.
Und so fahren etliche der Betroffenen ihre Schäden weiterhin zur Schau. Auch die Frau, deren Auto zweimal kurz hintereinander dran war, gleich nach dem ihrer Mutter. Ein anderer Anwohner – auch dreimal betroffen – muss den Täter einmal nur um wenige Minuten verpasst haben; die Farbpartikel hingen noch am Kratzer. Eine weitere Betroffene erzählt, dass sie ihr Auto gerade mal eine Woche gehabt habe, ehe es zerkratzt worden sei. Und bei Sebastian Knoll traf es zwar kein Auto; aber die Antenne seines automatischen Tores. Fünfmal wurde sie verbogen, musste ausgetauscht werden. „Ich weiß nicht, ob das im Zusammenhang mit den Autos steht, aber ich gehe stark davon aus“, sagt er.

Doch was dagegen tun? Polizeichef Zeuner rät den Anwohnern dazu, ihr Auto, soweit möglich, auf dem Grundstück zu parken und ihr Eigentum zu sichern, gegebenenfalls eine Überwachungskamera zu installieren. „Es gibt da gute Technik schon für kleines Geld“, die gute Bilder liefere, sagt der Revierleiter.
Das Wichtigste aber sei, wachsam zu sein, auch über die eigene Grundstücksgrenze hinaus und aktiv zu werden, sobald man etwas Verdächtiges beobachte: Das kann zum einen die direkte Ansprache eines Tatverdächtigen sein - erwischt man ihn auf frischer Tat, darf er bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden. Auch darüber lassen sich die Anwohner informieren. Zum anderen sei es, so Zeuner, auch schon hilfreich, Beobachtungen umgehend zu notieren oder eine Sprachmemo aufzunehmen - bevor die Erinnerungen verwischt werden. Nun ja, und Anzeige zu erstatten, „denn die Häufung macht’s“.
Wer Hinweise geben kann, der wird gebeten, sich im Polizeirevier Harz unter 03941/67 42 93 zu melden.