Motorsport Motorsport: Schnelle Maschinen am Harz-Ring
Reinstedt/MZ. - Über dem Harz-Ring scheint die Sonne, und doch schleicht sich Gänsehaut ein. Aus den wuchtigen Lautsprechern an der Start- und Zielgeraden erklingt Filmmusik: die aus den Disney-Streifen "Fluch der Karibik". Doch es tauchen weder Captain Jack Sparrow noch die "Black Pearl", das Schiff mit den untoten Piraten, auf. Stattdessen fahren laut knatternd Motorräder zur Startaufstellung. Die Filmmusik ist der Soundtrack zur 1. Bundesliga oder gar Champions League im Supermoto: der Internationalen Deutschen Meisterschaft in der Klasse S1.
Erstmals wird eine solche Meisterschaft auf dem Harz-Ring ausgetragen. Rund 160 Fahrer, darunter auch aus Tschechien, Dänemark, Kroatien, Schweden, Holland, Großbritannien, Österreich und Belgien, sind dabei. Eigentlich sollte in Riesa gefahren werden, doch weil ein Sponsor absprang, musste der MSV Riesa die Veranstaltung verlegen. In Reinstedt wurde die optimale Strecke gefunden, lobt Org-Chef Frank Hengst.
Nur wenige Minuten stehen die Maschinen auf den nach den Vorläufen ermittelten Startpositionen, doch in der vordersten Startreihe hängen die Reifen zum Vorwärmen in besonderen Taschen. Die Fahrer lächeln in die Kameras der Fotografen. Kein Wunder, neben ihnen stehen hübsche Mädchen mit Regenschirmen. Da hat man gut lachen, auch wenn die Sonne gerade hinter Wolken verschwunden ist und der Schutz gar nicht nötig wäre. Doch es hat eben Stil.
Einziges Manko: wenig Zuschauer
Und es treibt den Adrenalinspiegel hoch, weiß Christian Queens. Queens ist kein Fahrer. Doch ein einziges Mal hat er sich zu einem Teamrennen überreden lassen und stand mit einem Motorrad und Tunnelblick, gebannt auf die Startlampe schauend, an einer Startlinie. Jetzt ist Queens Pressesprecher der Deutschen Meisterschaft. "Wir sind zufrieden, die Bedingungen sind perfekt. Nur die Zuschauerzahl ist nicht so doll." Queens glaubt, dass das an einem Speedway-Rennen in der Nähe liegt.
Auf rund 500 Zuschauer schätzt Hengst die Zuschauerzahl später. Die, die da sind, sehen Motorsport vom Feinsten. In der ersten Startreihe steht kaum ein Motorrad, das es so im Laden zu kaufen gibt. "Einer wie Jürgen Künzel, der sechsfacher Deutscher Meister ist, hat ganz viel handverlesenen Kram dran, eine ganz andere Zündreihenfolge, damit die oben raus mehr Ballerei hat", beschreibt es Queens mit lockeren Worten. Auf 30 000 Euro schätzt er den Wert der Aprilia. Dazu kommen noch die Reifen. Kaum jemand aus der ersten Startreihe fahre einen Rennsatz ein zweites Mal. Die Aprilia von Künzel werde im ähnlichen Zustand so bei Weltmeisterschaften gefahren, sagt Queens, während die Fahrer auf ihre Aufwärmrunde geschickt werden. Doch bei WM-Rennen fahren keine deutschen Fahrer. Nur einer fahre bei der EM. In der ersten Startreihe steht jetzt auch nur ein Deutscher, Markus Class, neben den beiden Tschechen Pavel Kejmar und Tomas Travnicek.
Dann geht es auf die Strecke. 1 468 Meter auf Asphalt und einem Off-Road-Teil. Auf 160 Sachen schätzt Queens die Spitzengeschwindigkeit auf der langen Zielgeraden. Woanders wird schneller gefahren, doch beim Supermoto käme es auf eine schnelle Beschleunigung nach den Kurven an. Und die ist wirklich beeindruckend. Kurz vor den Kurven driften die Maschinen in eine immer tiefere Schräglage, so dass die ohnehin hoch angebrachten Fußrasten fast den Asphalt berühren und die Fahrer immer ein Bein voraus am Boden haben.
Ein wenig Formel-Eins-Flair
Heinz Kohl (70) ist beeindruckt. Anfang der 60er Jahre ist der Aschersleber selbst Rennen gefahren. Aber nur Moto-Cross. Und so findet er die Cross-Strecke "zahm". "Aber auf dem Asphalt sieht es frech aus", kommentiert der Motorsportfan. Auch mit 70 juckt es ihn manchmal, wenn er Rennen sieht. "Aber dann setzt die Vernunft ein." Dennoch findet er es beeindruckend, wenn die Starts wie bei der Formel Eins vorbereitet werden und am Ende des Rennens bei der Siegerehrung die deutsche Nationalhymne erklingt.
Zumindest beim ersten S1-Rennen ist es aber nicht die vertraute Hymne, die gespielt wird, sondern die tschechische. Travnicek hat vor Kejmar und Class gewonnen. Erst beim zweiten Lauf erklingt die deutsche für Class, der vor Kejmar, Markus Volz und Travnicek gewann. Etwas enttäuscht von den sportlichen Ergebnissen seiner Fahrer zeigte sich am Dienstag Frank Hengst. Sein bester Fahrer, Jürgen Künzel, war beim ersten Lauf zwar noch Siebenter, doch beim zweiten Lauf stürzte er beim Versuch, zu überholen, und wurde Zwölfter.
Mit dem "Heimrennen" zufrieden zeigte sich Tommy Brandt aus Gera. Gut zehnmal im Jahr kommt er zum Training auf den Harz-Ring. Jetzt erreichte er zwei zweite Plätze bei den Pokalrennen, der 2. Bundesliga. Nach seiner Ansicht war es eine gelungene Veranstaltung. Jedoch würde es mehr Spaß machen, vor 5 000 Fans zu fahren. Dass die Tschechen weit vorn fahren, führte er auf die bessere Nachwuchsförderung zurück: "In Deutschland fährt jeder für sich selber. "
Vielleicht gibt es wieder Supermoto-Rennen zur Internationalen Deutschen Meisterschaft auf dem Harz-Ring. Auch wenn dessen Chef Wolfgang Tiebe etwas stöhnt: "Ich saß tagelang auf dem Rasenmäher." Doch Hengst lobt: "Die Zusammenarbeit mit Tiebe war weltmeisterhaft. Sport