Medizinische Versorgung Medizinische Versorgung im Landkreis Harz: Es fehlen vor allem Fachärzte wie Augenärzte

Friedrichsbrunn - Mit Gummistiefeln und einem geländegängigen Fahrzeug ist Hausarzt Klaus-Hermann Schmidt unterwegs, um einen Patienten in dessen Zuhause zu besuchen. „Ich wusste gar nicht, dass es hier im Wald noch Häuser gibt“, sagt er. Schlussendlich lässt er sich per Mobiltelefon zum Wohnhaus seines Patienten leiten.
Für Hausbesuche ist Schmidt viel unterwegs: „An einem Freitagnachmittag bin ich mal insgesamt 140 Kilometer gefahren.“ Aber gerade diese persönlichen Stippvisiten machten die Arbeit als Hausarzt aus, findet er. Überhaupt mache ihm sein Job auf dem Land viel Spaß.
140 Landarztpraxen in Sachsen-Anhalt sind nicht besetzt
Das scheinen vor allem junge Ärzte nicht zu glauben, nur wenige wollen eine Praxis auf dem Land eröffnen. Schon heute seien in Sachsen-Anhalt 140 Hausarztsitze nicht besetzt, „und in den kommenden Jahren werden voraussichtlich von vier Praxen, die geschlossen werden, nur drei nachbesetzt werden können“, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KV) mit.
Darum befürwortet sie die Landarztquote, die das Kabinett der Landesregierung in dieser Woche beschlossen hat. Danach werden fünf Prozent der Medizin-Studienplätze im Bundesland für künftige Landärzte reserviert.
Mit dem Ärztemangel kennt sich Klaus-Hermann Schmidt aus. Der Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin eröffnete 2017 eine Hausarztpraxis in Thale und Friedrichsbrunn. „Ich bin froh, einen Kollegen gefunden zu haben, die erste Zeit war hart“: Seit einem Jahr arbeitet er mit dem Ägypter Reuiss Agaiby zusammen, der zunächst sein Assistenzarzt war.
Bürgermeister Weise: „nicht schlecht, aber auch nicht zufriedenstellend“
Für die Selbstständigkeit - Hilfe habe es dabei von der KV gegeben - hat sich Schmidt bewusst entschieden, weil mehrere Hausärzte aufgehört hatten. „Wir müssen den Harz auffüllen!“ Er könne dazu mit seiner „Ausbildungspower“ beitragen: Aktuell bildet er eine Allgemeinmedizinerin aus.
Dass es junge Ärzte gibt, die auf dem Land praktizieren würden, ist sich Harzgerodes Stadtbürgermeister Marcus Weise (CDU) sicher. Jedoch sei der Beruf des Landarztes unattraktiv: Die Ärzte machen Hausbesuche, müssen trotzdem Bereitschaftsdienste übernehmen, und auch die Bezahlung könnte besser sein.
Wer sich selbstständig mache, müsse auch Unternehmer werden, erläutert Weise. Ein Arzt in einer Klinik habe weniger Sorgen. Die Versorgung mit Allgemeinmedizinern in der Gemeinde sei „nicht schlecht, aber auch nicht zufriedenstellend“.
Viele Mediziner in Thale sind älter als 60 Jahre
Gebraucht werden auch spezialisierte Mediziner wie Augenärzte. Weise ist aber glücklich, dass ein Nachfolger für die letzte Kinderärztin in Harzgerode gefunden wurde. Sie ist im Rentenalter. „Potenzielle Ruhestandskandidaten“ gebe es auch in Thale. Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) teilt mit, dass 60 Prozent der Ärzte über 60 Jahre alt sind. Die Gemeinde gelte als Fördergebiet und erhält für Mediziner, die sich niederlassen wollen, Geld von der KV.
In Ballenstedt praktizieren fünf Hausärzte. Hinzu kommen das Medizinische Versorgungszentrum und die chirurgische Praxis im Ärztehaus. Außerdem „helfen hin und wieder noch pensionierte Haus- und Kinderärzte aus“, berichtet Rathauschef Michael Knoppik (CDU).
Die recht gute Versorgung sei „jedoch kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen“. Der Hausarztmangel auf dem Land sei die Folge falscher Entscheidungen von Krankenkassen und der Politik. Die neue Landarztquote „wird bei weitem nicht ausreichen, um ein selbst kreiertes Problem zu lösen“.
Der Harzkreis und seine Kommunen können wenig machen, um neue Mediziner aufs Land zu locken: Sie könnten nur das Umfeld attraktiver machen, etwa mit genug Kita-Plätzen, teilt die Kreisverwaltung mit.
Jedoch unterhalte das kommunale Harzklinikum zwei Medizinische Versorgungszentren mit 32 Praxen in elf Orten. In einem Jahr werden gut 205000 Patienten behandelt. Die Versorgungszentren werden im Frühjahr in Ballenstedt, Blankenburg und Harzgerode weitere Praxen eröffnen, so der Kreis. (mz)