Marathon Marathon: Marathon-Training im Harz
BAD SUDERODE/MZ. - Der Hallenser Doppel-Olympiasieger Waldemar Cierpinski will den deutschen Marathonsport wieder an die europäische Spitze führen. Und damit einer seiner Schützlinge 2012 in London dabei sein kann, wird nicht nur viel trainiert. Zumindest in einer Trainingsphase soll neben einem heftigen Kraft-Ausdauer-Training auch die Muskel-Entspannung im Bad Suderöder Kurzentrum eine wichtige Rolle spielen. Cierpinski war jetzt mit Erik Hass, einem 29-jährigen Läufer, im Kurzentrum, um mit Kurdirektor Kay Duberow Details zu terminieren.
Im März will der 61-jährige Trainer, der 1976 in Montreal völlig überraschend Gold geholt hatte und diesen Erfolg vier Jahre später in Moskau wiederholte, mit seiner fünfköpfigen Gruppe in den Harz kommen. Bereits im September war er mit seinen "Jungs" in Friedrichsbrunn. Das Eigenheim, das der Läufer 1981 dort baute, diente als Basis für ausgedehnte Läufe wie zehn Kilometer lange Berg-an-Läufe von Bad Suderode zur Klobenbergbaude. Danach sind neben Dehnungsübungen auch Saunabesuche oder Massagen wichtig, und eben für die möchte Cierpinski das Kurzentrum nutzen.
Anerkennung für Kurbetrieb
"Für den Kurbetrieb ist das eine gewisse Anerkennung und ein Imagegewinn", freut sich Duberow. Das Interesse zeige, dass der Kurbetrieb neben dem klassischen Kerngeschäft im kurativen Bereich für gesunde Menschen genauso gut geeignet sei. Neben den Aktiv-Wochen, wo die Bewegung im Mittelpunkt steht, findet nun auch der Leistungssport hier das, was er braucht, sagte Duberow. Der seit der Eröffnung nicht kostendeckend arbeitende kommunale Kurbetrieb ist seit Monaten in der Diskussion. Da das Land das Defizit nicht mehr ausgleichen will, soll nun die Stadt Quedlinburg mit dem Land einen privaten Investor finden.
Waldemar Cierpinski ist zwar schon oft am Kurzentrum vorbeigefahren, doch erst seine Kinder mussten ihn mit der Nase darauf stoßen - mit einem Gutschein für die Klangwanne zum 60. Geburtstag. Seitdem sei er vom Kurzentrum und seinen Möglichkeiten - "Es war traumhaft schön" - begeistert. Dass er das Kurzentrum auf den Fahrten zwischen seinem Sportgeschäft in Quedlinburg und Friedrichsbrunn nicht schon früher entdeckt hatte, bedrückt ihn etwas. "Daran sieht man, man hält in Sachsen-Anhalt zu wenig zusammen." Dies will er nun ändern: "Wir haben viele schöne Sachen." Auch ein Laufseminar mit über 80 Teilnehmern will er nach Quedlinburg holen.
Als Marathon-Trainer hatte Cierpinski bis 1990 beim SC Chemie in Halle gearbeitet. Als absehbar war, dass nur wenige hauptamtliche Trainer weiter einen festen Job im Sport haben können, hatte er sich für die Selbständigkeit mit einem Sportgeschäft in Halle entschieden, zu dem später das in Quedlinburg kam. Erst sein Sohn Falk, der zunächst Triathlet war, brachte ihn wieder zum Leistungssport. Nachdem der aber die Olympianorm
nicht schaffte und am Marathon gefallen fand, schloss sich der Vater dem Marathon-Team in Kassel an, wurde dort Vizechef und übernahm die Verantwortung für die Männer. Ziel ist, den Marathon in Deutschland wieder nach vorn zu bringen. Seitdem führt Cierpinski Trainingslager durch und erstellt Jahrestrainingspläne.
Um wieder in die Weltspitze kommen, reichen 150 Laufkilometer in der Woche nicht, sagte er angesichts der damaligen Bestzeiten von 2:15 Stunden. Beim Marathon müsse der Körper systematisch bis in die letzte Zelle auf die höchste Belastungsfähigkeit gebracht werden. "Das ist ein schwieriger Prozess mit 1 000 Mosaiksteinen." Man müsse in der Woche 250 Kilometer laufen und auch solche zehn Kilometer langen Berge schnell hochlaufen können. Nach drei Jahren Arbeit will Cierpinski mit seinen Athleten die Olympianorm von 2:12 Stunden knacken. "Ein bis zwei Leute könnten sogar unter 2:10 Stunden laufen."
Eine Ziege reicht
Erik Hass, der zuerst Biomedizintechnik und anschließend in Finnland Sportmedizin studierte, kam vor eineinhalb Jahren aus Zwickau nach Halle. Tobias Sauter und Martin Beckmann, der sich schon auf 2:13:40 Stunden verbesserte, stammen aus dem Stuttgarter Raum. Drei seiner Jungs sind nun im Trainingslager in Kenia. Dort können sich junge afrikanische Läufer mit 1 000 oder 2 000 Euro Preisgeld aus Europa die begehrten sieben Ziegen kaufen, die als Pfand zum Heiraten gebraucht werden, schildert Cierpinski die Motivation. Erik Hass nennt für sich nur einen ideellen Hintergrund als Ansporn. "Ihm reicht eine weibliche Ziege", witzelt Cierpinski. Der Hobby-Fußballer trainiert mit seinen Jungs zwar auch in Halle, ist aber Mitglied der SG Spergau. Hier, dem Sitz der Total-Raffinerie, findet er die nötige Unterstützung für den Leistungssport, der auch Höhentraining in Kenia, Südafrika oder den Alpen umfasst. Schafft er es damit, dem deutschen Marathon einen Quantensprung zu versetzen?