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Medizin Lebensretter aus Wernigerode zu Besuch bei seinem genetischen Zwilling in Texas

Mario Scharfe hat Knochenmark für einen kleinen Amerikaner gespendet. Er konnte ihn jetzt erneut treffen.

Von Frank Drechsler 10.01.2022, 14:56
Der Wernigeröder Mario Scharfe zeigt ein Foto auf seinem Smartphone, auf dem er und sein genetischer Zwilling, der Texaner Riley Moss, zu sehen sind.
Der Wernigeröder Mario Scharfe zeigt ein Foto auf seinem Smartphone, auf dem er und sein genetischer Zwilling, der Texaner Riley Moss, zu sehen sind. Foto: Frank Drechsler

Wernigerode/MZ - Riley Moss spielt für sein Leben gern Basketball, liebt American Football und ist Fan der Dallas Cowboys. Was ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Denn der neunjährige Texaner verdankt sein Leben einer Knochenmarkspende seines genetischen Zwillings. Der heißt Mario Scharfe und wohnt in Wernigerode. Über die Weihnachtsfeiertage hat der 36-jährige Harzer seinen „kleinen Bruder“ in Mineola besucht.

Das zuletzt aufgenommene Foto, das ihn zusammen mit Riley zeigt, ist nach seinem letzten Trip nach Amerika das neue Lieblingsbild von Mario Scharfe. Er hat es immer auf seinem Smartphone dabei. Es erinnert den Wernigeröder an unbeschwerte Tage, die er auf Einladung von Rileys Familie in Texas verbrachte. Dabei ist mal schnell über den großen Teich zu fliegen in Corona-Zeiten nicht ganz so einfach. „Ich musste vorher Formulare ausfüllen und einen Einreiseantrag stellen, auf dem alle notwendigen Impfnachweise zu erbringen waren. Erst nach der Bestätigung durfte es losgehen“, sagt Scharfe.

Schildkröten in freier Wildbahn und Klapperschlangen

Zehn Tage lang nutzten die beiden „Brüder“ die Zeit über den Jahreswechsel zu unterschiedlichen Unternehmungen und Ausflügen. Kein Wunder, sorgten doch rund 30 Grad mehr als in Deutschland für beste Voraussetzungen. Sogar ein Jagdausflug stand auf dem Programm. Allerdings habe sich kein Hirsch sehen lassen. Mitgebrachte Steaks wurden stattdessen gegrillt. Und Schildkröten in freier Wildbahn und Klapperschlangen beobachtet.

Auch ein Bierchen habe er sich mal gegönnt, es dann aber sein lassen. Scharfe: „Es schmeckt nicht so wie bei uns. Das können die Deutschen einfach besser.“ Und etwas irritiert sei er darüber gewesen, wie die Amerikaner mit der Corona-Situation umgingen. Das sei sehr locker gehandhabt worden, so Scharfe. „Eigentlich hat es keinerlei Einschränkungen gegeben. Auch in den riesigen Einkaufszentren nicht. Ich war der Einzige, der überhaupt eine Maske getragen hat und deswegen immer wieder schief angeguckt wurde.“

Sonst sei aber aber alles wieder sehr schön, sehr herzlich, vor allem aber sehr berührend gewesen. Er habe auch bemerkt, dass Riley im Laufe der Jahre einige Wesenszüge ausgebildet habe, die auch ihm nicht fremd sind. Diese Beobachtung hätten auch die Eltern des Jungen bestätigt. „Ist ja eigentlich auch kein Wunder, da Riley nach der Knochenmarkspende nun auch meine Blutgruppe hat. Wichtig ist aber, dass er überhaupt weiterleben durfte.“

Die Überlebenschancen des Jungen standen schlecht

Die Chancen, ein unbeschwertes Leben zu führen, standen 2013 für den kleinen Texaner nach der Geburt nahe null. Schon sehr früh hatten die Ärzte bei dem Jungen die seltene Krankheit Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) diagnostiziert. Sein Immunsystem war komplett aus dem Gleichgewicht geraten, griff das eigene Knochenmark an. Nur eine passende Knochenmarkspende versprach Hilfe. Riley hatte Glück. Seine Ärzte waren in der international vernetzten Spenderdatenbank mit Mario Scharfe fündig geworden (die MZ berichtete). Scharfe ist ein genetischer Zwilling des kleinen Amerikaners.

Der OP-Termin für die Knochenmarkentnahme wurde für den 1. August 2013 angesetzt. Knapp ein Liter Gewebe wurde Scharfe dabei aus dem Beckenkamm entnommen. Die Operation verlief reibungslos. „Ich hatte alles gut überstanden. Wer die Spende bekommen sollte, wurde mir aber nicht mitgeteilt.“ So etwas bleibe generell erst einmal zwei Jahre geheim. Erst danach und nur, wenn es Spender und Empfänger wollten, würden Daten und Adressen weitergegeben, so Scharfe.

Ein Treffen war wegen der hohen Kosten zunächst unmöglich

„Als ich erfuhr, dass wirklich jemand durch mich weiterleben konnte, hat mich das tief berührt. Über Facebook und auch WhatsApp bin ich mit den Eltern Stephanie und Daylon seitdem in Kontakt. Treffen konnten wir uns wegen der Kosten zunächst nicht. Als Rileys Tante sich dann einbrachte, haben wir uns das erste Mal gesehen. Jetzt war es schon das dritte Mal, dass wie uns getroffen haben“, so Scharfe, der als Anlagenbediener im Schneider-Schreibgerätewerk in Wernigerode arbeitet.

Anfang August wollen Riley Moss und Mario Scharfe ihre Geburtstage nach zwei Jahren Corona-Pause wieder gemeinsam in Texas feiern. Die Kosten für den Flug wird Scharfe wie bei seinem jüngsten Trip auch dieses Mal selber bezahlen - 1.500 Euro. Alles andere übernimmt seine neue Familie in Texas. „Die Gastfreundschaft dort ist sehr groß, die Menschen sind sehr nett“, sagt er.