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Kunstflieger im Harz Kunstflieger im Harz: Kontrollierter Absturz über Ballenstedt

Von Tilo Krippendorf 20.07.2016, 11:50
In einer Xtreme 3000 startet der Pilot Uli Pade zu einem Wertungsflug in Ballenstedt
In einer Xtreme 3000 startet der Pilot Uli Pade zu einem Wertungsflug in Ballenstedt dpa-Zentralbild

Ballenstedt - Das Propellerflugzeug rast senkrecht in den Himmel. Plötzlich bricht der Motorenlärm ab. Die Maschine wird langsamer, kippt hintenüber, trudelt kurz, fällt wie ein Stein in Richtung Boden. Kurz vor dem Aufprall heult der Motor wieder auf, der Pilot zieht das Flugzeug nach oben und fliegt mit rund 400 Kilometern pro Stunde über den Flugplatz Ballenstedt.

„Das war ein schönes Männchen“, sagt Jürgen Leukefeld, Wettkampfleiter der Deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug. Männchen - so nennen die Motorkunstflieger einen kontrollierten Absturz, eine ihrer Standardfiguren.

Kunstflieger messen sich in vier Kategorien

30 Frauen und Männer starten in dieser Woche bei der Deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug. Es gibt vier Kategorien. Je höher der Schwierigkeitsgrad, desto komplexer sind die Figuren, und umso stärker zerrt die Fliehkraft an den Piloten. Es sind disziplinierte Menschen mit einem extravaganten Hobby, Flieger mit einem Faible für Geometrie, die hier teilnehmen. „Das sind alles Amateursportler, es ist eine Gemeinschaft, die sich kennt“, erklärt der 60-jährige Leukefeld. Er ist seit 22 Jahren Wettkampfleiter der Meisterschaft.

Unter den Fliegern sind Ingenieure, Unternehmer oder auch ein Pilot der Lufthansa, der sonst große Jets steuert. Wer an den fünf Tagen seine Maschine am besten im Griff hat, kann es in die Nationalmannschaft schaffen und bei Welt- oder Europameisterschaften antreten.

Die kleine Kunstflieger-Szene

„Man fliegt im Kunstflug nicht gegeneinander, sondern nur gegen sich selbst“, sagt der 46-Jährige Heintje Wyczisk aus dem thüringischen Greiz. Im normalen Leben ist er Entwicklungsleiter bei einem großen Industrieunternehmen. Seine Freizeit hat er den enormen Fliehkräften und dem Aresti-Katalog verschrieben. In diesem Regelwerk sind die verschiedenen Kunstflug-Figuren standardisiert in Symbolen festgehalten. Das jeweilige Flugprogramm der Piloten klebt oft als Spickzettel im Cockpit, darauf die kryptischen Symbole für die einzelnen Flugfiguren. „Nach manchen Figuren hat man mal eine Sekunde Zeit darauf zu schauen“, erklärt Wyczisk.

Sobald eines der Flugzeuge nach der Landung die Bahn frei gemacht hat, startet der nächste Pilot. Der Platz für das Kunstflugprogramm ist eng begrenzt. Die Fläche beträgt einen Quadratkilometer, die Eckpunkte sind am Boden markiert. Auch die Höchst- und Mindestflughöhe ist festgelegt. Wer zu hoch fliegt, bekommt Strafpunkte. Am Rand des definierten Luftraums, der sogenannten Box, sitzen die Schiedsrichter und vergeben die Wertungspunkte.

Deutscher Meister wird am Samstag gekürt

Der neue Deutsche Meister wird an diesem Samstag gekürt. Amtierender Meister ist der Wurst-Unternehmer Heinrich Sauels aus Nordrhein-Westfalen. Er teilt sich eine Maschine mit seiner Frau Heike, die ebenso wie ihr Mann auch schon an internationalen Meisterschaften teilgenommen hat. „Wir sind seit 2003 beide Kunstflieger und stacheln uns gegenseitig an“, sagt Heinrich Sauels. Das Ehepaar hebt an 25 Wochenenden im Jahr mit ihrem rot-blauen Flugzeug ab, hinzu kommen mehrere Trainingslager und die Wettkämpfe. „Wir haben seit 2003 eigentlich keinen Urlaub gemacht“, sagt Heike Sauels.

Mit den halsbrecherischen Einlagen so genannter Air-Shows will die kleine Kunstflieger-Szene aber nichts zu tun haben. „Wir machen den klinisch reinen Kunstflug. Es geht um die Beherrschung des Sportgeräts und die exakte Orientierung im Raum“, erklärt Wettkampfleiter Leukefeld. Ein wenig Show gibt es aber doch am letzten Flugtag. Dann starten die besten fünf Piloten zum Freestyle-Flug. Und vielleicht zeichnet einer der Piloten dann auch ein Männchen in den Himmel. (dpa)