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Ferienangebot In Thale gibt es noch das Mittelalter pur

Im Kloster Wendhusen haben Kinder fünf Handwerksberufe ausprobieren können. Was es dabei alles zu erleben und zu lernen gab.

Von Almut Hartung Aktualisiert: 17.08.2021, 13:14
Das gesägte Holz wird gleich für einen neuen Zaun verwendet.
Das gesägte Holz wird gleich für einen neuen Zaun verwendet. (Foto: Almut Hartung)

Thale/MZ - Der Tisch, an dem Ralf Schwinghoff sitzt und das geschmolzene Metall in kleine Formen gießt, ist umringt von Kindern. Denn sobald er die Klemmen löst und eine kleine Zinnfigur aus der Form herauslöst, können die Jungen und Mädchen beginnen, diese mit Zange und Feile abzuschleifen.

„Das Gießen“, erklärt Schwinghoff, „gehört zur traditionellen Arbeit eines Schmiedes dazu.“ Das Arbeiten wie die Altvorderen, das wolle er den Kindern an diesem Tag beim Mittelalter-Handwerkerhof in der Jugendscheune Wendhusen in Thale näherbringen.

Beim Steinmetz konnten sich auch die Jüngsten im Mauerbau üben.
Beim Steinmetz konnten sich auch die Jüngsten im Mauerbau üben.
(Foto: Almut Hartung)

„Wir haben uns fünf verschiedene Gewerke einfallen lassen“, erzählt Ralf Schwinghoff, der auch der Leiter der Jungendscheune Wendhusen ist und für den besonderen Anlass selbst in eine zeitgemäße Gewandung geschlüpft ist. „An jedem Stand gibt es einen Meister, der die Arbeit beaufsichtigt und bewertet. Dafür gibt es Münzen, die beim Abendessen eingelöst werden können.“ Dadurch sollen Kinder ein Stück weit den Geldfluss verstehen lernen, erklärt Schwinghoff. Denn Geld gebe es nur für „Arbeit“. „Und wenn sie besonders gut darin sind, dann bekommen sie vom Meister vielleicht sogar zwei Münzen“, fügt er hinzu. Einen ganzen Nachmittag haben die etwa 35 angemeldeten Kinder Zeit, sich im Hof der alten Klosteranlage reihum an den Stationen auszuprobieren und ihre Fähigkeiten zu testen.

Backen im Lehmofen

Los geht es bei den Bäckerfrauen, mit der an diesem Tag vielleicht wichtigsten Aufgabe: der Herstellung des Abendbrotes. Unter kräftigem Kneten fertigen die Kinder hier vier Brotlaibe an, die anschließend im Lehmbackofen gebacken werden und zum Abendessen auf die Teller kommen sollen. Ein Quarkbrotrezept und eines für irisches Brot haben sie ausprobiert - ohne Probelauf. „Wir müssen erst einmal gucken, ob es was geworden ist“, sagt eine der Bäckerinnen.

Der Lehmbackofen müsse einen Tag vor dem Backen vorgeheizt werden, erklärt Ralf Schwinghoff, bis er über drei bis vier Stunden hinweg die richtige Temperatur erreiche. „Wir backen regelmäßig in dem Ofen. Die Erfahrung sagt, wie man das angehen muss, um die gewünschte Temperatur zu erreichen. Mit jedem Event lernt man mehr dazu“, sagt Ralf Schwinghoff. Und so ist die Sorge der Bäckermeisterin unbegründet: Als sich am späten Nachmittag die Ofentür öffnet, kommt ein goldbrauner Laib zum Vorschein.

Backen wie in alten Zeiten: Vorgeheizt wird direkt im Ofen selbst.
Backen wie in alten Zeiten: Vorgeheizt wird direkt im Ofen selbst.
(Foto: Almut Hartung)

Spitze Nadeln werden bei der nächsten Station gezückt. Beim Schneider versorgen die beiden ehrenamtlichen Helferinnen Kornelia Ferchland und Heidi Hoffmann die Kinder mit der passenden Kleidung für das Mittelalter - vorgeschnittene Leinenhemden, deren Seitennähte die Kinder selber mit einem Heftstich zu verschließen lernen. Geldbeutel aus Leder, Taschen aus weißem Leinen und Schwerthalterungen sind ebenfalls im Angebot. Es wird deutlich, was in Film und Fernsehen oft nicht gezeigt wird: Das Mittelalter war bunt. Denn leuchtende Rot- und Orangetöne, helles Lindgrün und verschiedene Blautöne waren schon damals mit Färberpflanzen herzustellen.

Spitze Nadeln und harter Stein

Lautes Hämmern dröhnt derweil vom Steinmetzstand über den Hof herüber. Hier ist Justin Günzke verantwortlich für das Anleiten der Lehrlinge. Sie sollen bei ihm lernen, sicher mit Hammer, Meißel und Säge umzugehen - nicht an hartem Stein, sondern an Gasbetonquadern. Wie bei den Erbauern der Kathedralen werden die Ideen zuerst mit dem Meißel angezeichnet, bevor es daran geht, die Steine in Form zu hämmern oder - wie hier - zu sägen. „Es geht darum, dass die Kinder ihre Kreativität ausüben können“, sagt Günzke, der ebenfalls freiwillig als „Meister“ in Ralf Schwinghoffs Team arbeitet. So entsteht unter den schweren Hammerschlägen von Sarah ein Herz, das von einem Pfeil durchbohrt ist. „Die Quader sind zwar leicht, aber nicht leicht zu bearbeiten“, bestätigt Günzke, „selbst ich hatte vorhin mein Tun.“

Es geht ritterlich weiter

Cornelia Braune, Geschäftsführerin des Sozialzentrums Bode, zum dem auch die Jugendscheune Kloster Wendhusen gehört, freut sich, dass der mittelalterliche Handwerkerhof angeboten werden konnte. Die Planungen dazu hätten schon im März begonnen - „natürlich unter Vorbehalt, denn wir wussten ja nicht, was in diesem Jahr wieder möglich sein würde“. Insgesamt elf Aktionen organisiert das Sozialzentrum Bode für Ferienkinder. „Es ist schön, dass wir das so unterstützen können. Dass die Kinder sich in den Ferien so aktiv erholen können“, sagt Braune weiter.

Gute Arbeit wird belohnt. Von jedem Meister gibt es  eine Münze.
Gute Arbeit wird belohnt. Von jedem Meister gibt es eine Münze.
(Foto: Almut Hartung)

Aktiv wird es auch wieder bei der letzten Station im Handwerkerhof: der Werkstatt des Zimmermanns, in der Balken für einen Zaun gesägt, Löcher gebohrt und Nägel ins Holz geschlagen werden. Am beliebtesten ist jedoch mit Abstand der Tisch von Ralf Schwinghoff - bis die selbst gebackenen Brote aus dem Ofen geholt und verspeist werden.