Herlmut-Kreutz-Haus Wernigerode Herlmut-Kreutz-Haus Wernigerode: Begegnungsstätte schließt

Wernigerode - „Die Entscheidung, diese Einrichtung mit 80-jähriger Tradition zu schließen, ist niemandem von uns leicht gefallen“, gesteht Ludwig Hoffmann, der Vorsitzende des Beirates des Helmut-Kreutz-Hauses im Pulvergarten von Wernigerode. Das um 1870 im Stil eines Landhauses erbaute Gästehaus, das ganz auf die Bedürfnisse Blinder und Sehbehinderter ausgerichtet ist, trage nicht umsonst den Namen Helmut Kreutz’. http://www.helmutkreutz-ebs-stiftung.de/
Der Industrielle habe mit namhaften Zuwendungen dafür gesorgt, dass das Haus weiter bestehen konnte. Später bedachte der Dachverband der evangelischen Blinde- und Sehbehindertenseelsorge die in Deutschland in dieser Form einmalige Einrichtung mit einer großzügigen Erbschaft.
„Und doch haben wir erhebliche Verluste gemacht“, spricht Hoffmann Klartext. Der Beirat der christlich geprägte Begegnungs- und Erholungsstätte für Blinde und Sehbehinderte (EBS) hat in diesem Jahr die Weichen für einen völligen Wandel der Helmut-Kreutz-EBS-Stiftung gestellt. Der Beschluss, das Haus an das Diakonie-Krankenhaus Harz in Elbingerode zu verpachten, sei einstimmig gefallen. Am 14. November wird der Vertrag unterzeichnet.
Schmerzhaft, aber ein Neuanfang
So schmerzhaft die Schließung der Begegnungsstätte nun auch sei, sie ermögliche der Stiftung künftig zielgerichteter an neuen Projekten zu arbeiten. „Und das Haus bleibt eine diakonische Einrichtung.“ Künftig soll das Gebäude „Betreutes Wohnen“ anbieten. Dazu werde die ehemalige Blindendruckerei umgebaut, so dass Bewohner anderer Einrichtungen des Diakonie-Krankenhauses Harz dort einziehen können.
Den Mitarbeitern des Hauses seien vom Krankenhaus Arbeitsverträge angeboten worden, so dass es für sie dort eine Perspektive gebe. Zudem seien auch künftig über das Freizeitheim des neuen Elbingeröder Pächters, als auch im benachbarten Huber-Haus Erholungs- und Begegnungstage für das christlich geprägte Klientel möglich.
„Wir sind handlungsfähig, können und werden ganz im Geist unseres Stiftungszweckes agieren“, unterstreicht der Beiratsvorsitzende. Für viele Menschen sind die evangelische Blindenseelsorge in Deutschland, 2004 beging man hier deren 100-jähriges Bestehen, und Wernigerode gleichbedeutend. Die 1904 gegründete „Gesellschaft für Christliches Leben unter den deutschen Blinden“ hatte das Haus Ende 1927 vom stark verschuldeten Fürstenhaus Stolberg-Wernigerode erworben und am 28. Juni 1928 eingeweiht.
Einst eine Hochburg
Zu DDR-Zeiten galt Wernigerode als Hochburg der evangelischen Blindenarbeit, kritisch beäugt, aber durchaus auch indirekt für die Ziele der DDR eingespannt. Die Blindendruckerei war im ganzen evangelischen Deutschland einmalig. 70 Prozent dessen, was hier an christlichem Schriftgut in Blindenschrift hergestellt wurde, ging in den Export.
So wog es schwer für alle deutschsprachigen Blinden, und es war ein Verlust für Wernigerode, dass 2006 die Druckerei im Zillierbach-Tal geschlossen wurde. Der sprechende Computer machte den alten Technologien Konkurrenz, dazu kam eine zum Glück sinkende Zahl an Geburtsblinden, wogegen die Blindheit im Alter besonders durch Diabetes zunimmt.
Seit Jahren habe man in der Helmut-Kreutz-EBS-Stiftung darüber diskutiert, wie das Profil so geschärft werden kann, dass „es sich besser rechnet“. Vorstand und Mitarbeiter hätten sich um die Senkung des Zuschussbedarfes bemüht, letztlich aber nur den Anstieg von Personal- und Sachkosten abfedern können. Als kleine Stiftung habe man keine größere Institution im Hintergrund, die Durststrecken abfangen kann. Dazu komme, dass auch Blinde und Sehbehinderte mobiler und flexibler werden, so dass die „Stammkundschaft“ wegbreche. Die Inklusionsbemühungen in vielen Einrichtungen reduziere „Sonderdienste für Behinderte“. Das alles hätten ein Übriges dazu getan, dass die Zahl christlich gebundener Gäste zurückgegangen sei. Zuletzt waren nur 15 Prozent der Besucher blind oder sehbehindert. Zwischen 2007 und 2015 sei die Zahl der Gäste von etwa 800 auf knapp 1.000 zwar tendenziell gestiegen, die Verweildauer habe sich jedoch verkürzt. So zähle man etwa 2.600 statt der früher 3.500 Übernachtungen.
Gute Lösung gefunden
Die Stiftung schaut dennoch voraus und ist froh, dass eine gute Lösung für das Traditionshaus gefunden wurde. „Die Pachterlöse wollen wir ab 2017 gezielt für Projekte nutzen, die christlich geprägte Blinde und Sehbehinderte fördern, regional wie deutschlandweit. Das reicht von Gemeinden bis zu Landeskirchen.“ Schließlich sitzen im Stiftungsbeirat auch Vertreter der Evangelischen Kirche Bayerns und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannover.
Zudem erwartet die Stiftung künftig durchaus Zuwendungen und Spenden für solche Projekte. „Schließlich ist es viel leichter dafür Gelder einzuwerben, als für die Verlustdeckung der Begegnungsstätte.“ (mz)