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Harsleben Harsleben: Archäologen finden Grab aus der Jungsteinzeit

Von Petra Korn 11.05.2017, 07:59
Ulrike Fuhrmann (l.) und Susanne Friederich besprechen die weitere Vorgehensweise an der Bestattung einer Frau, die Muschelschmuck trug und wohl eine wichtige Persönlichkeit war.
Ulrike Fuhrmann (l.) und Susanne Friederich besprechen die weitere Vorgehensweise an der Bestattung einer Frau, die Muschelschmuck trug und wohl eine wichtige Persönlichkeit war. Chris Wohlfeld

Harsleben - „Es gibt immer wieder Dinge, da staunen selbst die Archäologen“, sagt Susanne Friederich. Bei den Untersuchungen, die das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie derzeit im Bereich der künftigen Trasse der Ortsumgehung Harsleben durchführt, gab es gleich mehrere Besonderheiten, erklärt die Projektleiterin weiter. So entdeckten die Archäologen eine Siedlung, die aus der Jungsteinzeit, der Zeit etwa ab 5500 vor Christus, stammt: Verfärbungen im Erdreich zeigen, wo beispielsweise einst Pfosten standen, es Lehm-Entnahmegruben für den Hausbau gab. Mindestens zwei große Häuser standen hier dicht beieinander, dazu gab es ein drittes, etwas jüngeres.

Schmuck aus Mittelmeerraum

Eine Besonderheit ist in jedem Fall die Bestattung, die nach Ansicht der Archäologen in die Jungsteinzeit oder die darauf folgende Bronzezeit (ab etwa 2200 vor Christus) einzuordnen ist. Vermutlich ist es eine Frau, sagt Ulrike Fuhrmann, wie Melanie Weber und Michael Schmitz Grabungsleiter vor Ort. Keramikbeigaben sind bei der Hockerbestattung nicht entdeckt worden - aber: „Um die schmale Grabgrube herum waren runde Verfärbungen mit einem Durchmesser von etwa 20 Zentimetern zu erkennen“, deutet Ulrike Fuhrmann auf fünf rechteckig angeordnete Bereiche im Boden, zu denen es vermutlich einen sechsten gab.

„Das sind alte Pfostenstandorte“, so die Archäologin. Hier habe es eine Grabkammer, eine Art „Totenhütte“ gegeben. Eine Besonderheit, die darauf hindeute, dass es sich um eine wichtige Persönlichkeit gehandelt habe. „Wir sagen: Es ist unsere ,Prinzessin‘“, erklärt Ulrike Fuhrmann mit einem Schmunzeln.

Etwas ganz Besonderes ist auch der Grabschmuck: „Täubchenschnecken“, deutet Susanne Friederich auf den Halsbereich der Toten. Die bislang sichtbaren fünf durchlochten Schneckenhäuser könnten zu einer Kette oder einer Haube gehört haben. Je ein weiteres Schneckenhaus sei im Bereich der Beine bzw. der Schultern gefunden worden. Die Meeresschnecken stammen aus dem Mittelmeerraum, sagt Friederich. Doch die Menschen, die in der Jungsteinzeit, der Zeit der Linienbandkeramik, hier in der Region sesshaft geworden seien, seien über die „Balkanroute“ gekommen, Donau-aufwärts gezogen. Das heißt: „Unsere Linienbandkeramiker hatten Kontakte in den Mittelmeerraum“, so die Projektleiterin.

Unter Laborbedingungen

Skelett und umliegender Boden sollen nun als Block herausgehoben werden. „Dieser Befund muss unter Laborbedingungen untersucht werden“, sagt Friederich. Erst zum zweiten Mal sei in Mitteldeutschland - nach Niederröblingen - eine solche Bestattung gefunden worden, und es sei der „nördlichste Fundpunkt dieser Zeitstellung“.

Zu den Besonderheiten gehören auch Fundstücke aus der Jungsteinzeit, die zum großen Teil in den Gruben der Siedlungsanlage entdeckt wurden. Darunter sind viele Scherben von Gefäßen, die mit den für diese Zeit typischen Linienbändern verziert sind und von denen einige sogar mit Farben versehen waren. „Die wunderbare Ritzverzierung, die aufpolierte Keramik - das alles scheint nicht schön genug gewesen zu sein“, verweist Susanne Friederich auf die erhalten gebliebenen Farbreste innerhalb der Verzierung. „Da geht uns das Herz auf“, so Ulrike Fuhrmann.

Boden half bei Erhalt

Auf der Fläche zwischen der Bestattung der Frau und der jungsteinzeitlichen Siedlung wurden insgesamt 17 Bestattungen aus der frühen Bronzezeit, der Zeit der Aunjenitzer Kultur (etwa 2300 bis 1600 vor Christus) gefunden. Auch diese konnten aufgrund der hier ebenfalls entdeckten Keramik eindeutig zugeordnet werden. Weitere Funde zeigen, dass der Bereich bis in die Eisenzeit (ab etwa 750 vor Christus) hinein besiedelt war.

Dass die bis zu 7 500 Jahre alten Zeugnisse bis heute so gut erhalten waren, liegt an dem Boden, der sehr kalkreich ist, erklärt Susanne Friederich. Und der damit auch schwer zu bearbeiten ist - auch für das heutige Grabungsteam. (mz)