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Museum Heineanum  Halberstädter Vogelkundemuseum Heineanum: Neuer Leiter Rüdiger Becker erzählt von seinen Projektideen

Von Rita Kunze 02.07.2016, 12:13
Das Heineanum hat für seinen neuen Leiter Rüdiger Becker vor allem drei Aufgaben zu erfüllen: „Es ist eine wissenschaftliche Vogelsammlung, hat einen Bildungsauftrag und widmet sich der Forschung.“
Das Heineanum hat für seinen neuen Leiter Rüdiger Becker vor allem drei Aufgaben zu erfüllen: „Es ist eine wissenschaftliche Vogelsammlung, hat einen Bildungsauftrag und widmet sich der Forschung.“ Jürgen Meusel

Halberstadt - Rüdiger Becker führt seinen Besuch in ein unscheinbares Gebäude mitten im Halberstädter Zentrum. Es ist eine ganz eigene Welt. Unter dem kalten Licht der Neonlampen summen Kühlschränke und Kühltruhen, ein paar Schritte weiter stehen Wände aus grauen Schränken, die fast bis unter die Decke reichen.

Becker öffnet einen solchen Schrank. Der Anblick weckt Erinnerungen an Alfred Hitchcock: Da hocken Hunderte Vögel, dicht gedrängt, und recken ihre Schnäbel nach vorn.

Die ausgestopften Exemplare gehören zum umfangreichen Bestand des Halberstädter Vogelkundemuseums Heineanum, und Becker ist der neue Chef der renommierten Einrichtung am Domplatz. Im Oktober 2015 kam er nach Halberstadt; ein halbes Jahr lang arbeitete er mit seinem Vorgänger Bernd Nicolai zusammen, der im Frühjahr in den beruflichen Ruhestand ging. Dass sich die Amtszeiten überlappten, findet Becker gut: „Das hat es einfacher gemacht.“

Graugänse aufgezogen

Der 54-Jährige, in Göttingen geboren, ist Biologe. Vogelstimmen begleiten ihn schon sein ganzes Leben lang; die Tiere faszinieren ihn. „Ich weiß nicht, ob ich als Kind vielleicht ein Schlüsselerlebnis hatte. Aber der Kolibri zum Beispiel ist winzig und kann im Flug stehen wie ein Helikopter, der Strauß dagegen ist groß und flugunfähig. Verwandt sind sie trotzdem, denn beide werden über Federn und Schnabel definiert.“

Ursprünglich wollte er Ornithologie studieren, sagt Becker. Dann absolvierte er aber doch eine andere Ausbildung, wurde Mess- und Regeltechniker. „Aber ich habe gemerkt, das war’s nicht, und habe dann Biologie studiert.“

Während des Studiums hat er zwei Graugänse aufgezogen. „Die hießen natürlich Akka und Martin, wie bei ,Nils Holgersson‘“, erzählt Becker. „Ich hatte sie aus Oldenburg geholt, das eine Küken war gerade geschlüpft, das andere noch halb im Ei - das war wichtig, wegen der Prägung. Auf dem Rückweg nach Göttingen habe ich die Heizung im Auto voll aufgedreht - mitten im Sommer. Aber die beiden sollten es warm haben.“

Den Vögeln später das Fliegen beizubringen, sei nicht das Problem gewesen: „Ich bin mit ihnen auf ein Stoppelfeld gegangen und bin gelaufen. Sie liefen mir hinterher und merkten irgendwann, dass sie Wind unter die Flügel bekamen, der sie trägt. Das wirklich Schwierige war die Landung.“ Inzwischen käme die dritte Generation dieser Graugänse zum Brüten auf das Grundstück seines einstigen Elternhauses.

Viele Projektideen

Inzwischen kümmert sich Becker weniger um lebende Vögel: Aktuelles Großprojekt ist die Digitalisierung der Bestände des Heineanums. Derzeit wird die Kolibri-Sammlung aufgearbeitet. „Wir haben hier rund 2.000, aber kennen nicht die genaue Zahl“, sagt Becker. Das soll sich ändern - und das gilt für den gesamten Bestand. Ein Vorhaben für die nächsten Jahre: „Wir haben 25.700 Einträge.“

Das Zwitschern einer Kohlmeise unterbricht das Gespräch. Becker greift zum Handy und klärt die Sache auf: Die Stimmen von Singvögeln hat er als Klingeltöne gespeichert. „Das macht es nicht einfach, wenn ich unterwegs bin. Manchmal muss ich überlegen, ob das mein Handy oder ein Vogel ist.“

Auf dem Weg von seinem Büro zu den Sammlungen sagt der Museumschef kurz „Mauersegler“ und kommentiert damit den Ruf eines Vogels, der über dem Heineanum unterwegs ist. Mit dieser Art beschäftigt sich der Biologe besonders gern. „In Berlin und Halle habe ich an einem kleinen Forschungsprojekt gearbeitet, das ich hierher mitgenommen habe, aber jetzt habe ich noch keine Zeit dafür“, sagt er.

Das Heineanum hat für ihn vor allem drei Aufgaben zu erfüllen: „Es ist eine wissenschaftliche Vogelsammlung, hat einen Bildungsauftrag und widmet sich der Forschung.“ Derzeit steht der Rotmilan im Mittelpunkt: Die Hälfte des Weltbestandes lebt in Deutschland. Das Land trage deswegen besondere Verantwortung, sagt Becker.

Nach dem Studium in seiner Heimatstadt, zu dem auch Anthropologie und Geologie gehörten, arbeitete er fünf Jahre lang am Naturkundemuseum Berlin in der ornithologischen Abteilung. Es folgte eine Zeit als freischaffender Biologe, in der er für den spanischen Buchverlag Lynx im Einsatz war.

Aktionen auch für Kinder

Letzte Station vor Halberstadt war die Martin-Luther-Universität in Halle. Als Projektkoordinator im Zentralmagazin der Naturwissenschaftlichen Sammlung lernte Becker dort unter anderem Projekte kennen, die er nun an seiner neuen Arbeitsstelle auch umsetzen will.

Dazu gehört „Feder, Schnabel - ein Vogel“ für Kinder im Vorschulalter, die den Aufbau und die Funktionsweise von Federn und Schnäbeln erforschen können. „Manche Vögel sammeln mit ihrem Schnabel Nektar, andere knacken damit harte Nüsse, andere haben eine Zunge, mit der sie Flüssigkeit auflecken“, erklärt Becker die Vielfalt, die Kinder auf spielerische Weise entdecken können.

Sie gestalten ein eigenes kleines Museum, die „Museobilbox“, die sie mit in ihren Kindergarten nehmen können. „Dort können sie den anderen Kindern zeigen, was sie hier im Museum gelernt haben.“ Rund 13.000 Euro Fördermittel habe das Haus dafür bewilligt bekommen, sagt Becker. Er klingt zufrieden.

(mz)

Im Depot des Museums für Vogelkunde sind viele Arten gelagert.
Im Depot des Museums für Vogelkunde sind viele Arten gelagert.
Jürgen Meusel
Auch ein goldener Flammenkolibri aus Ecuador ist zu sehen.
Auch ein goldener Flammenkolibri aus Ecuador ist zu sehen.
Jürgen Meusel
Rüdiger Becker ist der neue Leiter des Halberstädter Vogelkundemuseums.
Rüdiger Becker ist der neue Leiter des Halberstädter Vogelkundemuseums.
Jürgen Meusel