Grabschänder treiben ihr Unwesen Grabschänder treiben ihr Unwesen: Emaille-Platte am Ehrenmal ist völlig zerstört

Thale - Zimperlich sind die Täter nicht vorgegangen. So viel steht fest. „Die Emaille abzukriegen, ist mit einem großen Kraftaufwand verbunden, sie ist extrem widerstandsfähig, wird bei 900 Grad gebrannt und geht eine feste Verbindung mit dem Metall ein“, erklärt Mario Schwennicke.
Es sei schwer zu sagen, wie sie es angestellt oder was sie vorgehabt hätten, ob sie einfach nur kaputtmachen oder die Platte im Ganzen klauen wollten.
Was bleibt, ist ein geschändetes Grab, ist ein zerstörtes Kunstwerk, ist der Ärger.
Es ist nicht irgendein Grab auf dem Friedhof in Thale, das von Unbekannten beschädigt wurde, sondern das des Ehrenbürgers Willi Neubert (1920 bis 2011).
Der Maler und Grafiker hat mit den Eisen- und Hüttenwerken in Thale die Industrie-Emaille weiterentwickelt und großformatige Wandbilder geschaffen, bestehend aus mehreren Stahlplatten, auf die farbige Emaille aufgetragen wurde.
Enkel von Künstler Willi Neubert ist entsetzt
Eine solche Platte schmückt auch Neuberts Grabstein - oder vielmehr: schmückte. Denn der untere Teil des Bildes fehlt nun. Abgekratzt.
„Mir fehlen einfach die Worte, um meinem Unverständnis und meiner Wut Ausdruck zu verleihen“, sagt Schwennicke, Neuberts Enkel. Sein Vater habe die Bescherung kurz vor Ostern beim Pflanzen entdeckt.
Die Familie erstattete Anzeige. Die Polizei ermittelt. Hinweise, so Uwe Becker, Sprecher des Polizeireviers Harz, habe es bisher aber keine gegeben - trotz Zeugenaufrufs.
Störung der Totenruhe - so wird der Straftatbestand im Gesetzbuch bezeichnet - kommt immer wieder vor: Becker spricht von fünf angezeigten Fällen 2015 im Landkreis, 2016 waren es sechs, 2017 zwölf und in diesem Jahr bisher zwei.
Von allen Fällen wurden die meisten in Quedlinburg registriert.
Diebstähle gibt es immer häufiger
Häufiger als mit blinder Zerstörungswut hat es die Thalenser Verwaltung mit Diebstählen zu tun: Blumen würden regelmäßig ausgebuddelt.
Angehörige hätten berichtet, dass genau solche Pflanzen, wie ihnen gerade gestohlen worden seien, wenig später auf einem der benachbarten Gräber gestanden hätten, sagt Andrea Schuster, Leiterin des Bürgerbüros und damit auch Verantwortliche für die Friedhöfe.
Nachzuweisen, dass es sich tatsächlich um dieselben handele, sei aber schwer bis unmöglich.
Ob Diebstahl oder Vandalismus: Das ärgere sie genauso wie die Betroffenen. „Wir haben kein Verständnis dafür“, sagt Schuster mit Blick auf das Grab von Neubert.
Vier künstlerisch wertvolle Gräber gibt es
Und das ist nicht das einzige, dem die Stadt eine besondere Bedeutung beimisst. Im Denkmalverzeichnis sind Schuster zufolge vier künstlerisch bedeutsame Gräber aufgelistet, darüber hinaus gibt es noch zehn historisch wertvolle.
Rund 5.000 Grabstellen befinden sich insgesamt auf dem knapp sechs Hektar großen Friedhof in Thale.
Ein Lebenswerk wird gewürdigt
Neuberts Grabmal hätten Stadt und Familie damals gemeinsam gestaltet, um das Lebenswerk seines Großvaters angemessen zu würdigen, so Schwennicke.
Die an dem Naturstein angebrachte Arbeit stamme aus den 1960er Jahren, erklärt er. „Es gibt nur noch wenige aus dieser Zeit.“
Auf mehrere Tausend Euro beziffert er ihren materiellen Wert, und der ideelle dürfte ungleich höher sein.
Nur Rettung mit einer Reparatur
Deshalb heißt es jetzt: Retten, was zu retten ist. Wiederherstellen könne man das Kunstwerk nicht, allenfalls reparieren, sagt der Enkel.
Einen Namen hat das zerstörte Bild nicht. Sein Großvater habe viele Bilder nicht betitelt, erklärt Schwennicke. Er sei der Meinung gewesen, der Betrachter müsse selbst etwas darin sehen, „erst dann ist es Kunst“. Nur eben nicht für Grabschänder.
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Hinweise zur Störung der Totenruhe in Thale erbittet die Polizei nach wie vor unter 03941/67 41 93. (mz)