Brot in neuen Tüten Geopark Harz und Quedlinburger Bäckerei werben gemeinsam für regionales Einkaufen
Die Aktion mit 5.000 Papiertüten verbindet der Regionalverband Harz mit der Hoffnung, mehr Menschen für ortsnahe Produktkreisläufe mit kurzen Transportwegen sensibilisieren zu können. Die Backwaren der Bäckerei Koch kommen aus der Backstube in Westerhausen. Von der Aktion hängt auch ab, ob sich der Harz weiterhin Unesco-Geopark nennen darf.

Quedlinburg/MZ - Nanu, will Bäckermeister Tobias Koch seine Kunden neuerdings zum Sprachenlernen anregen? Das mag sich fragen, wer seine Brötchen in der Filiale in der Quedlinburger Bahnhofstraße zum ersten Mal in einer der neuen Geopark-Tüten überreicht bekommt. Auf einen Blick wird ersichtlich, dass die Backwaren aus dem Ofen in Westerhausen nicht nur köstlich, sondern auch „pyszny“, „heerlijk“ und „ovn frisk“ sind.
Auch die anderen 17 Sprachen der europäischen Unesco-Geoparks sind auf der Tüte vertreten, die auf der Rückseite einen QR-Code trägt. Spätestens wenn dieser gescannt wird, wird klar: Mehr noch als die Vokabel-Nachhilfe wollen die Macher der Tüten die Umweltbildung in den Mittelpunkt rücken.
Im Harz lokale Produkte einzukaufen hilft, die Klimakrise regional abzumildern
Der Code führt Handynutzer auf die Webseite des Geoparks Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen. Dessen Träger ist in Quedlinburg der Regionalverband Harz mit Geschäftsstellenleiter Klaus George. „Leider ist es nicht selbstverständlich, dass Wirtschaftskreisläufe regional organisiert sind“, erklärt er, wie es zu der Idee und der Zusammenarbeit mit der Bäckerei Koch kam. „Regionalisierung ist jedoch ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg, wollen wir gemeinsam der globalen Erwärmung wirksam etwas entgegensetzen.“
Beispiele für eine nachhaltige Regionalentwicklung würden alle vier Jahre auch von den Unesco-Prüfern abgefragt, die etwa aus Spanien und Norwegen in den Harz kommen und sich einen Eindruck von der Arbeit des Regionalverbands und seiner Partner verschaffen. Denn den Titel Unesco-Geopark muss sich der Verband, anders als die Welterbestadt Quedlinburg, immer wieder neu verdienen - und nachweisen, dass er sich aktiv für das Erreichen der Entwicklungsziele aus der Agenda 2030 der UN einsetzt.
„Dabei sind die Hürden für nachhaltiges Handeln nicht unüberwindbar hoch“, ordnet Klaus George ein. Ziel 12 sei zum Beispiel verantwortungsvoller Konsum und Produktion, Ziel 13 Aktionen für den Klimaschutz. „Alle Menschen, die innerhalb des Geoparks leben, können dazu ihren Beitrag leisten.“
„Die Hürden für nachhaltiges Handeln sind nicht unüberwindbar hoch.“
Klaus George, Geschäftsstellenleiter Regionalverband Harz
Andersherum betrachtet, komme es für den Regionalverband jedoch auf jeden Kunden an. Ermutigend findet Tobias Koch einen Trend der letzten Jahre: „Die Leute wollen mehr regional kaufen, Produkte dort bekommen, wo sie produziert werden.“
Mit zwei Verkaufsstellen in Westerhausen, wo auch die Backstube steht, sowie jeweils einer Filiale in Quedlinburg und Blankenburg kommt Kochs Betrieb diesem Ideal schon ziemlich nahe. Kurze Wege vom Ofen zum Kunden sicherten Frische und sparten Transportwege, nennt der Bäckermeister zwei Vorteile.
Das Mehl beziehe er von der Saalemühle in Alsleben, die knapp außerhalb des Geoparks liegt. Das dort gemahlene Getreide reift aber zu großen Teilen auf Feldern innerhalb des Unesco-Geoparks.
Fünf Tage, 5.000 Taschen: Die Tütenzahl ist genau kalkuliert
In der Westerhäuser Backstube werden daraus jeden Tag durchschnittlich 500 Brote und 5.000 Brötchen. Jeweils bis zu 13 Brötchen oder auch ein ein Kilogramm schweres Mischbrot finden jetzt in einer der Geopark-Tüten Platz. 5.000 Stück davon hat Koch nun von Georges Geschäftsstelle bekommen. Ewig lagern kann er sie nicht, im Gegenteil: „Sie halten fünf Tage“, beziffert der Bäcker. Da die vier Filialen täglich von insgesamt rund 1.100 Kunden aufgesucht würden, bestehe keine Gefahr, sie wegwerfen zu müssen.
Wie der 1957 gegründete Bäckereibetrieb, dessen Führung der 32-jährige Tobias Koch vor rund drei Jahren übernommen hat, sollen im Verbandsgebiet noch fünf weitere Handwerksbetriebe kostenlos mit Geopark-Tüten ausgestattet werden - einer in jedem Landkreis, der Teil des Parks ist, erläutert George. In Quedlinburg sei nun der Auftakt gemacht worden.
Die Besucher der Stadt, fügt Koch hinzu, wüssten über die von der Unesco geschützten Bereiche der Harzregion häufig besser Bescheid als ihre Einwohner. „Die Touristen bereiten sich top vor“, lobt der Bäcker, der von Einheimischen schon mal die Frage hört, was denn eigentlich ein Geopark sei. Solange es dafür jedoch kein Bewusstsein gebe, betont George, seien auch die Nachhaltigkeitsziele der UN nicht zu erreichen - denn das gehe nur gemeinsam.
„Ohne Betriebe wie diesen könnten wir den Titel Geopark nie verteidigen.“
Klaus George, Geschäftsstellenleiter Regionalverband Harz
Eine Gemeinschaftsaufgabe ist in den Augen des Verbandschefs auch die Verteidigung des Titels Unesco-Geopark. „Ohne Betriebe wie diesen könnten wir den Titel nie verteidigen“, sagt er an der Theke der Bäckerei. Genauso wie Sägewerke und viele andere Betriebe sei sie Teil eines regionalen Produktkreislaufs, der nicht kaputtgehen dürfe.
Mit rund 130 Gewerbetreibenden im Harz, die eine Fördermitgliedschaft im Regionalverband abgeschlossen haben, verbindet den Verband ein Geben und Nehmen, das sich etwa bei gemeinsam organisierten Veranstaltungen, Förderung von Umwelt- und Denkmalschutz sowie Kunst und Kultur - und eben in der Umweltbildung manifestiert.