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Dokfilm "Vergessen im Harz II" Dokfilm "Vergessen im Harz II": Erinnerung an ehemalige Hotels in Gernrode Thale und Schierke

Von Wolfgang Schilling 23.05.2016, 09:32
So sah es früher aus Foyer vom „Hotel Zehnpfund“ in Thale
So sah es früher aus Foyer vom „Hotel Zehnpfund“ in Thale Repro: Wohlfeld

Thale - Lange hat das einstmals größte Sommerhotel Deutschlands, das „Hotel Zehnpfund“ in Thale nicht so viele Gäste gehabt wie zur Premiere der Dokumentation „Vergessen im Harz II“ der Leipziger Filmcrew Overlight am Freitag.

Das flackernde Licht der Lüster im großen Festsaal, dessen Fenster verhängt waren, gab der Szenerie eine mystische und feierliche Atmosphäre. Die zweihundert Gäste waren ausgewähltes Publikum, hatten Sie doch erst die Produktion des Streifens möglich gemacht. In einer Geldsammelaktion im Internet gelang es dem Team um Regisseur Enno Seifried und Produzent Tilo Esche sogar, ein Mehrfaches der benötigten Summe einzuwerben, so dass es wohl auch einen dritten Teil geben wird. „Im Harz gibt es noch viele verwunschene und vergessene Orte, die wir dann zumindest filmisch bewahren werden“, sagt Seifried.

Bereits vor einem Jahr war der erste Teil der Suche nach morbiden Objekten des Harzes in der Rübeländer Baumannshöhle vorgestellt worden. Und auch in Teil II stand nicht die Schokoladenseite des Harzes, wie sie der Harzer Tourismusverband vermarktet, im Mittelpunkt, sondern die nach Bränden und Misswirtschaft gezeichneten Ruinen. Und von denen gibt es einige: den Campingplatz Wolfstein in Bad Harzburg, der seit 2011 nach Insolvenz von einem Verein von Dauercampern auf Sparflamme notbetrieben wird sowie das Hotel Rögener in Braunlage.

„Heinrich-Heine“, „Fritz Heckert“ und die Napola

Hauptsächlich geht es diesmal allerdings um ehemalige Hotels des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) der DDR. Grenznähe, Eigentümerwechsel, Fehlentwicklungen und Verwahrlosung führten viele der einst prosperierenden Großobjekte nach 1989 ins Aus, angefangen von den Johanniter-Heilstätten auf dem Ochsenberg bei Sorge, die erst als NVA-Heim genutzt und nach der Wende sofort geschlossen wurden, bis hin zu den beiden Schierker Hotels „Hermann-Duncker“ und „Heinrich-Heine“. Der 1944 in Schierke geborene heutige Brockenwirt Hans Steinhoff, der in der Dokumentation zu Wort kommt, erinnert sich als ehemaliger Küchenleiter im FDGB-Ferienheim „Hermann Duncker“ gern an die Gemeinschaft der zwölf Mitarbeiter in der Küche, die er nach der Schließung mit auf den Brocken nahm.

Die Leipziger Ruinenschleiche (engl. Synonym Urban Exploration) besuchten auch die Reste des ehemals ersten Hauses von Schierke. Ging hier zu Zeiten des Arbeiter- und Bauernstaates die Prominenz aus Kunst und Kultur ein und aus -Willi Schwabe, Heinz-Florian Oertel, Tadeus Punkt und Karl-Eduard von Schnitzler -, geriet das Hotel schnell ins Abseits, als es privatisiert wurde.

Die Reise führte das Drehteam auch ins das ehemalige FDGB-Heim „Fritz Heckert“ von Gernrode, in das Verwaltungsgebäude der Eisenhüttenwerke Thale und in die ehemalige Nationalpolitische Erziehungsanstalt auf dem Großen Ziegenberg von Ballenstedt (Napola). Einer der wenigen noch verbliebenen Zeitzeugen dieser Eliteschule des Dritten Reiches, Klaus Kleinau, war extra aus Bad Fallingbostel zur Premiere angereist und hatte vorher über seine Jahre auf der Napola berichtet.

Lebendig werden die oft bedrückenden Bilder zerfallender Bauten überhaupt erst durch den Kunstgriff, ehemalige Bewohner, Mitarbeiter und Zeitzeugen über ihr Leben sprechen zu lassen. Dieser harte Kontrast, mit Wehmut und gelebtem Leben angereichert, mache den Film erst wirklich wertvoll, wie am Ende auch Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) betonte.

Er kennt das Haus, das sich das Filmteam für die Premiere ausgesucht hat, recht gut. Als er neu im Amt war, wurde ein Viertel des ehemaligen Hotels noch von der Verwaltung genutzt. „Im Winter war es sehr kalt, kaum über 16 Grad“, aufgrund der schlechten Isolierung habe man heizen können, so viel man wollte.

Weitere Aufführungen des Films finden in Herzberg am 26. Mai, in Hannover und Leipzig statt. Der Film ist als DVD im Handel erhältlich. (mz)

Rund 200 Gäste waren bei der  Premiere im ehemaligen Festsaal anwesend.
Rund 200 Gäste waren bei der  Premiere im ehemaligen Festsaal anwesend.
Wolfgang Schilling
Zeitzeuge Klaus Kleinau (r.) spricht mit Regie-Assistentin Nina Jassmann und Regisseur Enno Seifried im ehemaligen Hotel Zehnpfund in Thale.
Zeitzeuge Klaus Kleinau (r.) spricht mit Regie-Assistentin Nina Jassmann und Regisseur Enno Seifried im ehemaligen Hotel Zehnpfund in Thale.
Wolfgang Schilling