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Das aktuelle Interview  Das aktuelle Interview : Ständige Suche nach dem Machbaren

Von Rita Kunze 13.01.2021, 12:56
Blick vom Schlosstheater auf den Schlossplatz und die Allee in Ballenstedt.
Blick vom Schlosstheater auf den Schlossplatz und die Allee in Ballenstedt. Dominique Leppin

Ballenstedt - Das Jahr 2020 hätte für die Stadt Ballenstedt ein besonderes werden sollen. Anlass dazu gab das 850. Todesjahr Albrechts des Bären. Doch es wurde nichts aus Feiern und Festen, Corona war das vorherrschende Thema. MZ-Redakteurin Rita Kunze sprach mit Ballenstedts Bürgermeister Michael Knoppik (CDU) über ein Jahr unvorhergesehener Entscheidungen und großer Herausforderungen.

In welchem Ausmaß hat die Pandemie das Jahr 2020 in Ballenstedt beeinflusst?

Knoppik: Es ist vieles anders gekommen, als wir es 2019 geplant hatten. 2020 sollten im Gedenken an den 850. Todestag von Albrecht dem Bären zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, die alle abgesagt werden mussten. Die Eröffnung des Schlossplatzes mit einem Konzertwochenende fiel ins Wasser, wie auch viele Vereinsfeiern und Vereinsjubiläen. Das ist besonders schmerzhaft, da dort viel ehrenamtliches Engagement vorhanden ist und viel vorbereitet war. Hinzu kam die Unsicherheit, was in den nächsten ein, zwei Monaten sein wird. Das stört mich bis heute am meisten: dass wir keine Vorausschau auf die nächsten Monate haben.

Was bewirkt das für die Arbeit einer Verwaltung?

Was wir im Jahr 2020 gemacht hatten, ohne zu wissen, was überhaupt machbar ist: Nehmen wir nur mal unsere Mitarbeiter im Schlosstheater, die wissen doch eigentlich gar nicht mehr, wofür sie ihre Arbeit machen - die Veranstaltungen sind alle abgesagt. Da entsteht eine Leere im Job, die ist nicht schön und wird zur psychischen Belastung. Denn wie geht es denn weiter, über den Januar hinaus?

Haben sich die Lockdowns auf Investitionen ausgewirkt?

Bautechnisch konnten wir nahezu alles umsetzen, was wir geplant hatten. Wir hatten auch keine Liquiditätsprobleme.

Wie optimistisch gehen Sie ins neue Jahr? Viele befürchten große Steuerausfälle.

Wir müssen gucken, was 2021 kommt. Da ist Vorsicht geboten. Ich rechne mit ersten Auswirkungen im dritten, vierten Quartal des Jahres. Momentan ist das alles kaum absehbar. Aber: Die Stadt Ballenstedt ist schon in der Finanzkrise 2009/10 mit einem blauen Auge davongekommen. Grund ist eine breitgefächerte und solide Aufstellung der Stadt.

Den Kommunen soll mit einer Erstattung der Gewerbesteuerausfälle geholfen werden. Das Land stellte 162 Millionen Euro bereit, die im Dezember ausgezahlt werden sollten. Ist davon auch etwas in der Stadt Ballenstedt angekommen?

Ballenstedt bekommt keine finanzielle Hilfe vom Bund: Der Bescheid war gleich Null. Die Stadt lebt von Umlagen, unter anderem auch von der Beteiligung an den Einnahmen aus der Einkommensteuer, nicht nur von der Gewerbesteuer. Und in den Jahren zuvor haben wir mehr Steuern eingenommen, das schlägt sich jetzt nieder. Wer solide wirtschaftet, wird dafür nicht immer belohnt. Die Corona-Pandemie ist eine völlig neue Sache, darauf war niemand vorbereitet.

Das öffentliche Leben wurde so weit zurückgefahren wie nie zuvor. Wie gut ist die Stadt da durchgekommen?

Ich muss ehrlich sagen, das „dosierte Hochfahren“ nach dem Lockdown im Frühjahr war deutlich schwieriger als das Schließen der öffentlichen Einrichtungen vorher. Denn da waren unheimlich viele Fragen zu klären, beispielsweise, wie die Hygienevorgaben in den einzelnen Einrichtungen umgesetzt werden können. Und sind diese Einrichtungen auch miteinander vergleichbar? Was mir dabei nicht so gefallen hat: Als Kommune wurden wir verantwortlich gemacht für den Inhalt der Verordnungen. Den haben wir aber nicht zu verantworten, wir haben die Verordnungen umzusetzen. Stolz bin ich auf die sehr gute Zusammenarbeit mit den Amtsleitern sowie Mitarbeitern der Stadt. Sie haben bewiesen, dass man hier im Rathaus und den städtischen Einrichtungen mit Extremsituationen schnell umgehen kann. Ohne die Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger wäre aber auch das nicht möglich gewesen, ich erinnere nur an die Reduzierung der Betreuung in den Kitas.

Auch die Arbeit des Stadtrates hat sich verändert - zeitweise fanden keine Sitzungen mehr statt.

Spätestens Ende Februar, Anfang März steht der Haushalt auf der Tagesordnung, da wären Präsenzsitzungen sehr hilfreich. Außerdem fehlt der persönliche Austausch von Gedanken und Ideen zu verschiedenen Themen.

2020 mussten viele Veranstaltungen abgesagt werden, zuletzt die Ballenstedter Adventslust, bei der ja bis zuletzt versucht wurde, eine alternative Möglichkeit zu schaffen, dass sich die Menschen in der Vorweihnachtszeit doch noch begegnen können. Wie schwer war es, dem Ganzen eine endgültige Absage zu erteilen?

Wir sind da bis zum letzten Punkt gegangen, haben jede Woche immer wieder abgespeckt - bis eben hin zur kompletten Absage. Das ist für die Beteiligten nicht unbedingt motivierend. Es ist sehr schade, dass die sozialen Kontakte auf ein Minimum begrenzt werden mussten. Und wie sehr freut man sich doch jetzt, wenn man einen Nachbarn am Gartenzaun trifft? Das sind so Kleinigkeiten, die aber wichtig sind. Wir haben deswegen die sozialen Medien genutzt und zu jedem Adventssonntag und am 24. Dezember ein kleines Video ins Netz gestellt und auf diese Weise versucht, etwas adventliche Stimmung zu verbreiten.

Welche Vorhaben stehen denn 2021 auf dem Programm?

Im Rahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes haben wir im Förderprogramm „Lebendige Zentren“ den Ausbau der Kügelgenstraße in Ballenstedt auf der Tagesordnung. Das ist eine wichtige Maßnahme für die Verbesserung der Infrastruktur, denn im Zuge des Straßenbaus wird gleichzeitig das angrenzende Wolterstorff-Gymnasium mit einem Anschluss an das Glasfasernetz versorgt. Für die Anwohner wird dieses große Straßenbauvorhaben eine Herausforderung werden. Geplant ist, Mitte des Jahres damit zu beginnen - einen entsprechenden Stadtratsbeschluss natürlich vorausgesetzt.

Außerdem wollen wir deutlich mehr in die Spielplätze in der Stadt investieren. Beispielsweise haben wir Fördergelder aus einem Bund-Länder-Programm beantragt, um einen Multisportplatz an der Badeborner Straße zu bauen, mit einer Skateranlage und der Möglichkeit, Fußball und Volleyball zu spielen. Er soll über den neuen Radweg erreichbar sein, denn er ist ja gedacht für ältere Kinder und Jugendliche, die noch nicht Auto fahren können. 460.000 Euro sind für den Multisportplatz vorgesehen, die wollen wir 2021 verbauen.

Gibt es weitere Vorhaben?

Wir arbeiten weiter an der Sanierung der Grablege Albrechts des Bären im Schloss und wollen in der Kindertagesstätte „Hasselborner Zwerge“ in Badeborn die Sanitäranlagen erneuern - die sind in einem Zustand wie vor 40 Jahren. Außerdem sind Fördermittel beantragt für Teilsanierungen der Turnhallen in Rieder und Badeborn. Beide sind für die Stadt elementar, in Rieder wird sie für den Schulsport gebraucht, außerdem werden beide Turnhallen ja von Vereinen genutzt. Weiter wird an Brandschutzmaßnahmen in der Brinckmeier-Grundschule gearbeitet sowie an der Breitbandversorgung.

Als ein weiterer wichtiger Punkt ist der Erhalt des Standortes der Lungenklinik in Ballenstedt zu sehen. Hier geht es um viele Arbeitsplätze vor Ort und volkswirtschaftliche Szenarien, aber auch die Verpflichtung des Landkreises. Erste Gespräche gab es bereits, weitere werden in jedem Fall folgen.

Stichwort Badeborn: Das Kulturhaus - vielmehr das Warten auf sichtbare Ergebnisse bei der Sanierung - hat 2020 immer wieder für Diskussionen gesorgt. Wie ist da jetzt der aktuelle Stand?

Ich hoffe, dass wir mit der Dacheindeckung beginnen können. Der Verein Badeborner für Badeborn engagiert sich hier gewinnbringend für alle Beteiligten und kann erste Erfolge aufweisen. Das werden wir als Stadt gerne weiter unterstützen und mit weiterentwickeln. Das Kulturhaus war und ist eine wichtige Einrichtung für Badeborn.

Gibt es weitere Vorhaben?

In Radisleben wollen wir die Straßenbeleuchtung erneuern. In Vorbereitung ist auch die Neuordnung des Erhaltungsgebietes in der Kernstadt im Rahmen des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzeptes „Lebendige Zentren“. Damit beschäftigt sich der Stadtrat seit den 90er Jahren, jetzt wollen wir es den aktuellen Bedürfnissen anpassen.

Können Sie Beispiele nennen?

Es gibt verschiedene Straßenzüge, die bisher für uns unverständlich nicht Bestandteil des Sanierungsgebietes sind, wie beispielsweise die Bebelstraße oder Rathenaustraße. Des Weiteren geben die neuen Inhalte des Programms auch die Möglichkeit kompletter Quartiersbetrachtungen, zum Beispiel im Pestalozziring. Notwendig wären zudem eine elementare Förderung des kommunalen Straßenbaus und mehr Möglichkeiten zur Entwicklung von Ortsteilen. Übergeordnete Landesentwicklungspläne hindern uns zudem an einer Stärkung des ländlichen Raumes.

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7.655 Einwohner

Die Stadt Ballenstedt hat 7.655 Einwohner, die in der Kernstadt sowie in den Ortsteilen Badeborn, Radisleben und Rieder leben. Radisleben ist seit 2010 ein Ortsteil von Ballenstedt, Rieder gehört seit 2013 dazu. Die Stadt wurde 2010 mit dem Prädikat „Staatlich anerkannter Erholungsort“ ausgezeichnet. Sie ist eng mit den Askaniern verbunden: Albrecht der Bär (1100-1170) ist wohl der bedeutendste Vertreter des Adelsgeschlechts, das bis 1945 in Ballenstedt residierte. Der Hausorden Albrecht der Bär kommt noch heute in Ballenstedt zusammen. Das 1788 erbaute Schlosstheater gehört zu den ältesten erhaltenen Theaterbauten in Deutschland. (mz )