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Bundestagswahl 2017 Bundestagswahl 2017: AfD-Mann aus Stiege war Stasi-Offizier

Von Ingo Kugenbuch und Petra Korn 15.09.2017, 07:00
Ronald Bischoff in seinem Heimatort Stiege.
Ronald Bischoff in seinem Heimatort Stiege. Frank Drechsler

Stiege - Ronald Bischoff, der AfD-Kandidat zur Bundestagswahl für den Harz und Aschersleben, war zur DDR-Zeit hauptamtlicher Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

„Vom November 1977 bis 1989 war ich für das MfS als OibE erfasst“, teilte Bischoff der MZ auf Anfrage schriftlich mit. Ein „OibE“ ist ein Offizier im besonderen Einsatz.

Ronald Bischoff aus Stiege: Welche Aufgaben er hatte, sagt er nicht

Offiziell war Bischoff Mitarbeiter beim Rat des Kreises Halberstadt, später beim Rat des Bezirkes Magdeburg. Womit er dort genau befasst war und was seine Aufgaben als Stasi-Hauptmann, als der er beim MfS geführt worden ist, waren, will der 69-Jährige nicht sagen.

Nur so viel: „Im Rahmen meiner Tätigkeit war ich auch anfangs mit ausreisewilligen Bürgern befasst.“

Am Rande eines früheren Interviews mit der MZ hat Bischoff ansatzweise beschrieben, wie seine Tätigkeit beim Rat des Kreises aussah.

So will er der Haushälterin eines katholischen Pfarrers zur Ausreise nach Westdeutschland verholfen haben, indem er einen Arzt dazu überredet hat, für die Frau eine falsche Diagnose zu stellen: Demnach war sie schwer herzkrank, konnte nur mit teuren Westmedikamenten überleben - und durfte deshalb ihrem Pfarrer in die Bundesrepublik folgen, nachdem dieser pensioniert worden war.

Ob die Geschichte vom Stasi-OibE als Samariter stimmt, lässt sich schwer nachprüfen.

Ronald Bischoff aus Stiege: Kein Problem mit der Vergangenheit

Probleme mit der eigenen Stasi-Vergangenheit hat Bischoff nicht. „Das politische System ist gescheitert, mit Staatssicherheit“, schreibt er auf die Frage, wie die ehemalige Tätigkeit für das MfS seine Kandidatur beeinflusst.

Der Untergang der DDR und der Stasi liege bereits mehr als 25 Jahre zurück, so Bischoff.

Er wolle nun „nicht noch einmal tatenlos zusehen, wie eine gewissenlose Führung mein Vaterland ruiniert“.

Ronald Bischoff aus Stiege: Unterlagen gibt es nur nach Antrag bei der Stasiunterlagen-Behörde

Weder der AfD-Landesvorsitzende André Poggenburg noch die Landesgeschäftsstelle oder die Bundespressestelle der AfD waren am Donnerstagnachmittag für eine Stellungnahme zur Kandidatur Bischoffs erreichbar.

Dokumente der Stasiunterlagen-Behörde, die noch etwas mehr Licht in Bischoffs Tätigkeit bringen könnten, gibt es nur gegen einen schriftlichen Antrag.

Dessen Genehmigung könnte aber mehrere Wochen dauern; dann wäre die Wahl schon entschieden. „Wir haben Unterlagen mit Bezug zu Herrn Bischoff an Medien herausgegeben“, bestätigt Dagmar Hovestädt, Pressesprecherin des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der MZ zumindest.

Dabei habe es sich um „Kaderkarteikarten“ gehandelt.

Stasiunterlagen-Behörde aus Stiege: Einige Dokumente sind auch im Internet zu finden

Was in den Unterlagen steht, dazu gibt die Pressestelle keine Auskunft. Bei einer Internetrecherche aber lassen sich Dokumente finden, die Bischoff ab dem 1. November 1977 als MfS-Mitarbeiter ausweisen - mit dem Dienstgrad Hauptmann und als „OibE“.

Ein „OibE“ ist „ein Berufsoffizier des MfS, der außerhalb des MfS eine legendierte Funktion ausübt“, erklärte Roger Engelmann, der einen der mit Forschung befassten Projektbereiche bei der Stasiunterlagen-Behörde leitet.

„Legendiert“ heiße dabei, dass er verdeckt, konspirativ für die Stasi gearbeitet habe.

„Es war häufig sinnvoll, nach außen hin nicht als Geheimpolizei zu agieren, sondern als zivile Einrichtung“, so Engelmann weiter. „Es hätte politisch auch nicht gut ausgesehen, wenn man einen Ausreiseantrag bei der Kreisstelle des MfS hätte stellen müssen.“

Stasiunterlagen-Behörde aus Stiege: Kurze Kommunikationswege

In den späten 1970er und in den 1980er Jahren seien die Abteilungen für Inneres „auf Bezirksebene durchgängig und auf Kreisebene sehr, sehr häufig mit OibE besetzt“ gewesen, erklärte Engelmann.

„Das Entscheidende war: Man konnte auf kurzem Weg mit der Stasi kommunizieren.“

„OibE“ in die verschiedensten Funktionen - beispielsweise auch als Sicherheitsbeauftragte in Betriebe - zu bringen, habe es drei Möglichkeiten gegeben.

Entweder sei jemand, der schon in der Funktion war, hinter den Kulissen geworben und zum Offizier des MfS gemacht worden, oder jemand, der schon Offizier des MfS war, sei in eine solche Schlüsselstellung gebracht worden, erklärt Roger Engelmann.

Oder aber jemand sei direkt mit dem Ziel, ihn an einer solchen Position einzusetzen, geworben worden.

Laut den im Internet einsehbaren Unterlagen diente Bischoff von 1967 bis Oktober 1977 in der Nationalen Volksarmee, ab November desselben Jahres war er dann beim MfS. (mz)