Behindertensport Behindertensport: Trotz Querschnittslähmung beim Marathon dabei
MEISDORF/MZ/DAN. - Das "Tetrateam" ist eine Mannschaft von Rollstuhlfahrern mit ehrgeizigen Zielen. Seit mehr als einem Jahr ist auch Hans-Joachim Illiger aus dem Falkensteiner Ortsteil Meisdorf Mitglied des "Tetrateam". "Wir sind eine deutschlandweite Mannschaft von derzeit zwölf querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrern, die das Handbiken betreiben", erklärt Illiger.
Handbiken sei eine Sportart, bei dem die Sportler ausschließlich mit ihren Händen und Armen ein für diese Zwecke umgebauten Rollstuhl fahren, der sich in den letzten Jahren zum so genannten Liege-Bike verwandelt und fast nichts mehr mit dem herkömmlichen Rollstuhl gemein habe. Dabei gibt es verschiedene Leistungsklassen, die nach dem Grad der Behinderung eingeteilt sind, berichtet Illiger.
Bei diesen Rollstuhlfahrern gibt es solche, die ihre Hände nicht mehr nutzen können. "Bei diesen Sportlern ist das Rückenmark in Höhe der Halswirbel verletzt worden, was zur Lähmung aller vier - lateinische tetra - Extremitäten führte, der so genannten Tetraplegie." Aufgrund dessen bleibt den Betroffenen nur noch die Restfunktion der Oberarme, aus dem Schultergürtel heraus, zur Verfügung. Dennoch können sie sich mit anderen Querschnittsgelähmten messen, da ihre Sportgeräte - mittlerweile High-Tech-Produkte - entsprechend des Ausfalls der Handfunktionen umgebaut und angepasst werden können. Dabei liegen verschiedene technische Lösungen vor, die auch solchen Querschnittsgelähmten die Möglichkeit eröffnen, diesen Sport zu betreiben, die es längst nicht mehr für möglich gehalten hatten.
Eine Zielstellung des Tetrateams, so Hans-Joachim Illiger, war es nun, diese Sportart auch den hoch Querschnittsgelähmten näher zu bringen und sie in einem Team zu vereinen. Die eigentliche Herausforderung seien die großen Leistungsunterschiede aufgrund der hohen Behinderung und die individuellen Anpassungen, die jeder benötigt, um überhaupt mit dem Bike losfahren zu können. "Für einige von uns ist es schon schwer, ins Bike zu kommen und wieder raus. Aber all das hält unsere Teammitglieder nicht davon ab, sich der Herausforderung auch von Marathon-Fahrten zu stellen, die bei großen Stadtläufen wie dem Berlin-Marathon oder Hamburg-Marathon möglich werden. Dadurch, dass sich Neulinge und erfahrene Fahrer in unserem Team vereint haben, profitiert jeder vom anderen." Erfahrungen könnten schnell weitergegeben werden, und durch die Fragen der Nachwuchsfahrer sei man immer gefordert, sich neue Lösungen für anstehende Probleme einfallen zu lassen.
"Fast noch wichtiger als der Erfahrungsaustausch zum Biken ist allerdings der Austausch über den Alltag im Rollstuhl. Und gerade das ist für uns Tetraplegiker extrem wichtig, denn man kann sich wohl gut vorstellen, dass sich mit so einer hohen Behinderung und der Fülle der körperlichen Einschränkungen jede Menge Hürden auftun." Für die meisten Probleme habe sich aber jeder im Lauf der Zeit Lösungen einfallen lassen, die sie nun austauschen. "Im Laufe eines Jahres ist ein Team entstanden, bei dem einer für den anderen da ist, und obwohl wir uns aufgrund räumlicher Entfernung nicht oft sehen, ist ein guter Teamzusammenhalt entstanden. Auch wenn wir meist die sind, die als letzte ins Ziel kommen, verliert keiner die Freude am Sport." Schön wäre es allerdings, wenn sie durch Aufklärung ein Verständnis dafür erreichen könnten, warum sie immer die Letzten sind, die durchs Ziel fahren, wünscht sich der Meisdorfer.
"Jammern hilft nicht! Die öffentliche Wahrnehmung hat sich zwar mit den Paralympics verbessert. Im Alltag sind wir aber nicht alle Spitzenathleten und können nicht mit zur nächsten Olympiade der Behinderten fahren." Trotzdem hätten viele das Potenzial, aus wenig etwas zu machen und können sich der Leistungen im Sport und damit am Leben erfreuen. Jeder könnte ein kleiner Held des Alltags werden, findet Illiger. Er hofft, dass noch viele den Weg in das Tetrateam finden.