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Anschlag in Halle Angriff auf Synagoge in Halle schockiert jüdische Gemeinde im Harz: Antisemitismus bekämpfen

Von Benjamin Richter 11.10.2019, 09:56
Beamte eines Spezialeinsatzkommandos dringen nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle über eine Leiter ein auf das Gelände an der Humboldtstraße.
Beamte eines Spezialeinsatzkommandos dringen nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle über eine Leiter ein auf das Gelände an der Humboldtstraße. Lutz Winkler

Halberstadt - Die Nachricht vom Anschlag auf eine Synagoge am Mittwoch in Halle hat bei der jüdischen Gemeinde in Halberstadt Entsetzen ausgelöst. „Es ist einfach ein Schock“, beschreibt Jutta Dick den Moment, in dem sie von den Ereignissen erfuhr. Sie leitet die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt.

„Man weiß immer, dass so etwas passieren kann“, erklärt sie. „Aber in der nächsten Umgebung kann man es sich doch nicht vorstellen.“ Kurz vor zwölf Uhr mittags hatte ein mutmaßlicher Rechtsextremist versucht, sich mit einem selbstgebauten Sprengsatz Zugang zu einer Synagoge zu verschaffen, in der zu dem Zeitpunkt zahlreiche Juden ihren höchsten Feiertag Jom Kippur begingen. Der Täter scheiterte an der Eingangstür und erschoss in der Folge auf offener Straße eine Frau und einen Mann.

„Ich mag mir gar nicht vorstellen, was noch hätte passieren können“

„Es ist perfide, dass es gerade an Jom Kippur zu dieser Tat kommt“, sagt Jutta Dick. Mit Sicherheit seien zu dem Fest mehr Menschen in der Synagoge gewesen als zu einem normalen Gottesdienst. „Ich kenne einige Mitglieder der Gemeinde in Halle“, fügt die Direktorin hinzu, „und mag mir gar nicht vorstellen, was noch hätte passieren können.“

In judenfeindlichen Einstellungen sieht Jutta Dick ein gesellschaftliches Problem, auch im Landkreis Harz. „Es handelt sich um einen latenten Antisemitismus“, legt sie dar. „Oft ist es sehr schwer zu vermitteln, dass er vorhanden ist.“

Vielen Menschen sei gar nicht bewusst, welche antisemitischen Ansichten sie in ihren Köpfen hätten. „An der Stelle versuchen wir auf verschiedene Arten aufzuklären. Aber wir stoßen immer wieder an Grenzen.“

„Wir versuchen auf verschiedene Arten aufzuklären. Aber wir stoßen immer wieder an Grenzen“

Jutta Dick glaubt, dass jüdische Gemeinden und Einrichtungen an Feiertagen polizeilich besser geschützt werden müssen. Damit schließt sie sich einer Forderung von Josef Schuster an, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Er hatte nach dem Anschlag schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, weil die Synagoge nicht durch die Polizei geschützt war. „Es ist in den größeren Städten wie Berlin und Frankfurt einfach üblich, dass vor jüdischen Einrichtungen die Polizei steht“, sagt die Akademie-Leiterin, „auch in meiner Heimatstadt Essen.“

Schön sei das nicht, und Dick wünscht sich diese Polizeipräsenz nicht für ihre Einrichtung. „Aber es ist wichtig, dass wir ernst genommen werden und dass erkannt wird, dass eine Bedrohungslage vorhanden ist.“

An Jom Kippur, merkt Jutta Dick an, gehe es um die Beziehungen der Menschen untereinander. „Sie sollen an diesem Tag das, was zwischen ihnen passiert ist, in Ordnung bringen“, erläutert sie. Der strenge Ruhe- und Fastentag fällt jedes Jahr auf unterschiedliche Daten im September oder Oktober und bildet den Abschluss der sogenannten zehn Tage der Reue und Umkehr.

„Zu dem Fest kommen den ganzen Tag über Juden in die Synagoge“, schildert die Direktorin. „Es wird gemeinsam gefastet und gebetet.“ Auch viele nicht-orthodoxe Juden, die sonst selten an Gottesdiensten teilnähmen, hielten diesen Feiertag ein.

Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt kümmert sich seit 1996 um die Synagoge in Halberstadt

Die Stiftung, auf der die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt basiert, wurde im Jahr 1996 auf Initiative der aus der Stadt stammenden jüdischen Familie Nussbaum gegründet. Ihre Ziele sind der Erhalt des historischen Gebäudeensembles um die Klaussynagoge im Halberstädter Rosenwinkel sowie die Vermittlung von Wissen um Geschichte, Religion und Kultur der Juden und des Judentums. Die Moses-Mendelssohn-Akademie versteht sich laut ihrer Webseite als Begegnungsstätte zur Förderung von Toleranz und interkultureller Kommunikation. (mz)