Landkreis Börde Landkreis Börde: Zugfahrt in den Tod

HORDORF/MZ. - Nach dem schweren Zugunglückin Hordorf (Börde) bei Halberstadt verdichtensich Hinweise, dass menschliches Versagendie Katastrophe ausgelöst hat. Bei dem seitJahrzehnten schlimmsten Bahnunfall in Sachsen-Anhaltstarben am Sonnabend zehn Menschen, 23 wurdenverletzt, bis zu vier schweben in Lebensgefahr.Möglicherweise hatte der Lokführer eines mitKalk beladenen, mehrere hundert Meter langenGüterzuges ein Haltesignal im Bahnhof Hordorfübersehen und war in den eingleisigen StreckenteilRichtung Magdeburg eingefahren. Dort stießder Zug mit dem Harz-Elbe-Express zusammen.
"Es muss wahrscheinlich ein Haltesignal überfahrenworden sein", sagte Sachsen-Anhalts MinisterpräsidentWolfgang Böhmer (CDU) nach einem Besuch desUnglücksortes. Zum Zeitpunkt des Unfalls amSonnabend gegen 22.30Uhr herrschte dichterNebel. Der Einsatzleiter der Bundespolizei,Ralph Krüger, äußerte sich zurückhaltender:"Die Ermittlungen laufen noch, wir müssenerst die Fahrtenschreiber und die Signalstellungenauswerten." Auch Bundesverkehrsminister PeterRamsauer (CSU), der Sonntagabend an den Unglücksortkam, hielt sich mit Spekulationen zurück.Der Streckenabschnitt wird nach Angaben derBahn bislang nur über mechanische Signaltechnikgesichert. Elektronische Sicherungseinrichtungen,die den Unfall möglicherweise hätten verhindernkönnen, sollen erst in diesem Jahr eingebautwerden.
Der Personenzug des privaten Harz-Elbe-Expressraste offenbar ungebremst in den entgegenkommendenGüterzug. Die Strecke ist an dieser Stellefür Geschwindigkeiten bis 100 Kilometer ausgelegt.An der Unglücksstelle in Sichtweite des kleinenBördedorfes bot sich ein Bild der Zerstörung.Der gesamte Personenzug war durch die Wuchtdes Aufpralls aus den Gleisen gerissen wordenund den Bahndamm hinab gestürzt. Der vordereTeil des auf der Seite liegenden Triebwagenssah aus, als sei er von einer Bombe zerrissenworden. Der Führerstand war nicht mehr erkennbar,Trümmer wurden dutzende Meter im Umkreis verteilt.Der Motor wurde aus dem Wagen gerissen undlag zusammen mit einer Achse noch auf denSchienen. Am Sonntagnachmittag begannen Spezialistendes Technischen Hilfswerkes damit, den Zugaufzurichten und zu zerlegen.
Der Güterzug der Peine Salzgitter AG, derKalk aus Elbingerode transportierte, war nochmehrere hundert Meter nach dem Unglück weitergefahren. Der Zug war von zwei Lokomotivengezogen worden. Nachdem die zweite Lok zusammenmit den Waggons zum Stillstand kam, riss dieerste Lok vom Verband ab und fuhr allein weiter.Nach ersten Informationen saß der Fahrer inder zweiten Lok, das rettete ihm wohl dasLeben. "Der Mann ist schwer verletzt, aberansprechbar. Er will sich aber zum Unglücknicht äußern", sagte der Leiter des PolizeireviersBörde, Armin Friedrich. Unter den zehn Totenbefinden sich nach Angaben eines Veolia-Sprechersoffenbar auch der Zugführer und die Zugbegleiterin:"Sie sind nicht unter den Verletzten, so dasswir davon ausgehen müssen, dass sie nichtüberlebt haben", sagte Thomas Kleinrensing.Zu Alter und Nationalität der übrigen Totenmachte das Innenministerium zunächst keineAngaben, weil die Identifizierung extrem schwierigsei, sagte Sprecher Martin Krems.
Nach MZ-Informationen saßen zahlreiche Jugendlicheauf dem Weg zur Disko im Zug, der um dieseZeit normalerweise nicht so stark besetztist. Bei den Verletzten, die in den Krankenhäusernin Halberstadt, Neindorf (Börde), Wernigerode,Magdeburg und Haldensleben eingeliefert wurden,handelt es sich zum Teil auch um ausländischeStaatsbürger aus Georgien, Kasachstan, Portugalund Brasilien. Die Bahnstrecke wird nach Angabender Bundespolizei voraussichtlich auch am Montagnoch gesperrt bleiben. Zwischen Halberstadtund Oschersleben verkehren Busse.

