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Lehrermangel in Gossa Lehrermangel in Gossa: Eltern übernehmen Unterricht in der Heideschule

Von Sylvia Czajka 27.10.2016, 06:00
Franziska Hartig (l.), Nicole Gründling und Olaf Diener sind plötzlich Sachkundelehrer der 4. Klasse.
Franziska Hartig (l.), Nicole Gründling und Olaf Diener sind plötzlich Sachkundelehrer der 4. Klasse. André Kehrer

Gossa - Warum kann ein Fliegenpilz nicht fliegen? Über die Antwort staunt Ole. Franziska Hartig stellt die Sache schnell richtig. Doch das ist eigentlich nicht ihr Job. Sie ist Polizeibeamtin in Bad Düben. In dieser Woche aber wurde sie zur Sachkundelehrerin in der Heideschule Gossa.

Not macht eben erfinderisch. „In diesem Fall ist das traurig, aber wahr“, sagt sie. Denn weil Lehrer fehlen, tritt der Notfall ein: Eltern unterrichten.

Unterricht unter freiem Himmel

Durch die Unterrichtsstunde im grünen Klassenzimmer führen gleich drei „Pädagogen“ - Olaf Diener (Diplomkaufmann) und Nicole Gründling (Diplombetriebswirtin) machen das Trio perfekt. Sie alle haben ihre Kinder an der Grundschule und die Lehrer-Misere satt.

Denn schon seit Schuljahresbeginn gibt es keine Musiklehrerin. Vor einer Woche fiel auch noch die Klassenlehrerin der 4. Klasse aus. „Wir vermissen Frau Schmidt. Sie fehlt uns“, erzählen die Kinder. Auf ihre Rückkehr müssen sie noch ein paar Wochen warten.

Deutsch, Mathe, Sachkunde - all diese Fächer sind Heike Schmidts Metier. Für sie wollen nun die Eltern übernehmen. Die Gründlings zum Beispiel. Sie haben sich in Sachen Pilze fit gemacht. Gesammelt, Lexika gewälzt.

Eltern erhalten keine Reaktion vom Landesschulamt

Doch das könne nicht die Lösung sein, meint Elternratsvorsitzender David Gründling. Er will den Zustand nicht mehr hinnehmen. „Da muss endlich was passieren. Und zwar schnell“, fordert er nicht zum ersten Mal.

Schon vor Wochen monierte er dies in Schreiben und Telefonaten. „Keine Reaktion vom zuständigen Landesschulamt“, das seinen Sitz in Halle hat. Erst vor kurzem kam mal ein Signal aus der Saalestadt. „Aber keine Lösung.“

Für Olaf Diener geht das gar nicht. Schüler und Eltern fühlen sich allein gelassen, ignoriert. „So geht man mit Menschen nicht um“, betont er. Diener und Gründling hätten nie gedacht, dass sie eines Tages den Lehrer geben müssen.

Die Gemeinde braucht mehr Lehrer

Vier Lehrer und 89 Schüler zählt die Heideschule Gossa derzeit. Man tue hier, was man kann, weiß Gründling. Die Verständigung zwischen Schulleitung und Elternrat sei sehr gut. „Erstere versucht, beim Stundenplan Löcher zu stopfen. Und muss sie doch woanders wieder aufreißen.“

Das gehe gar nicht, meint Gründling. „Ich werde alles Mögliche tun, um den Normalzustand herzustellen“, sagt Schulleiterin Silke Ristau zum Ist-Zustand. Der ist eben nicht normal. „Das ist nun schon die zweite Grundschule in unserer Gemeinde, in der Unterricht wegen des akuten Lehrermangels ausfallen muss“, kritisiert Petra Döring, Bürgermeisterin der Gemeinde Muldestausee.

„Es ist an der Zeit, dass das Kultusministerium für Abhilfe sorgt. Eine Möglichkeit wäre, den Grundschulen ausreichend pädagogische Mitarbeiter zur Seite zu stellen, die in solchen Notfällen einspringen können.“

Natürlich sei das mit zusätzlichen Personalkosten verbunden. „Aber uns als Gemeinde fragt auch keiner, wie wir die Kinderbetreuung sicherstellen, wenn Erzieherinnen ausfallen. Wir müssen für Ersatz sorgen und auch die Kosten tragen“, so Döring.

Landesschulamt sieht die Schule in der Verantwortung

Im Landesschulamt wird darauf verwiesen, dass ein Langzeitausfall erst ab sechs Wochen erfasst werde. Das bedeute, der Schulleitung obliege die „schulorganische Kompensation“, sagt Pressesprecherin Silke Stadör.

Auf Deutsch: Es gibt keine Vertretung für die Klassenlehrerin, die wohl fünf Wochen lang ausfällt. Und wie ist es mit dem Musikunterricht? Hier wurden bislang fünf umliegende Schulen geprüft (Raguhn, Friedersdorf, Rösa, Zschornewitz, Steinfurth-Wolfen) sowie der Bereich Sekundarschulen/Gymnasien befragt, jedoch ohne ein befriedigendes Ergebnis.

Bei jedem Negativergebnis liegen nachvollziehbare Gründe vor, so Silke Stadör. „In Ermangelung von klassischen Ausgleichen soll das Solidaritätsprinzip unter Schulen in einer Versorgungsregion greifen. Unsere Kollegen sind dazu momentan im Gespräch mit den betreffenden Schulleitungen.“

Was die fehlende Kommunikation mit dem Elternrat betrifft, heißt es aus der Behörde: Es gab ein ausführliches Gespräch, die enge Abstimmung erfolgte mit der Schulleiterin, die sei die erste Ansprechpartnerin. In der nächsten Woche werden die Eltern also wieder Urlaub nehmen - für den Lehrerjob. (mz)

In Gossas Heideschule geben nicht nur Lehrer Unterricht.
In Gossas Heideschule geben nicht nur Lehrer Unterricht.
André Kehrer