HG 85 Köthen HG 85 Köthen: Präsident Andreas Auerbach blickt zurück

Köthen - Andreas Auerbach sitzt braun gebrannt und deutlich erschlankt im Ratskeller in Köthen. Am heutigen Montag endet seine Amtszeit als Präsident der HG 85 Köthen - nach mehr als zwei Jahrzehnten. Vorher spricht er mit Marcus Bräuer im MZ-Interview über seine größten Erfolge. Auch Rückschläge lässt er nicht aus. Seinem Nachfolger würde er helfen, „egal, wer das wird“. Und er erklärt, wie ihn seine Krankheit verändert hat.
Herr Auerbach, am Montag geht Ihre fast 22-jährige Präsidentschaft bei der HG 85 Köthen zu Ende. Wie fühlt sich das an?
Auerbach: Es fühlt sich schön an. Keine schlaflosen Nächte mehr, keine Gedanken mehr darüber machen, wo das Geld herkommt. Es ist befreiend.
Im Dezember 1993 haben Sie das Amt übernommen. Wie kam es dazu?
Auerbach: Wir haben damals aus der Not eine Tugend gemacht. Nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga wurde klar, dass wir auch die Regionalliga nicht würden halten können. Den Absturz in die vierte Liga wollten wir auffangen. Und eigentlich wollte ich das auch nur ein Jahr machen. Aber als sich die ersten Erfolge einstellten, habe ich Spaß daran gefunden. Auch an der Macht. Ich habe gemerkt, dass ich etwas bewegen kann.
Gibt es für Sie in 22 Jahren den einen großen Höhepunkt?
Auerbach: Nach dem Abstieg in die vierte Liga den freien Fall aufgehalten zu haben und wieder aufzusteigen, war eine tolle Erfahrung. Zumal ich das ja auch als Spieler miterlebt habe. Die Feier zum zehnjährigen Bestehen des Vereins 1995 war ganz toll. Alle haben mitgemacht, so muss das sein. Und natürlich die Mallorca-Fahrten nach jeder Saison. Wir waren damals eine tolle Truppe und wir hatten auch immer etwas zu feiern. (lacht)
Was war die schlimmste Krise im Verein?
Auerbach: Eigentlich gab es jedes Jahr welche. Als wir Steuerschulden hatten und Nachzahlungen tätigen mussten, zum Beispiel. Oder jedes Jahr am Saisonende, wenn der eine oder andere Sponsor absprang, wenn ich betteln gehen musste. Da habe ich mich gefragt, warum mache ich das alles? Aber dann kam eine neue Saison und ich hatte wieder Lust.
Und diese Lust ist nun weg?
Auerbach: Sie ist in den letzten Jahren weniger geworden. Das ist auch nicht mehr meine Spielergeneration. Mir fehlt heute der unbedingte Zusammenhalt. Einer wie Martin Lux oder Sebastian Loske, die hätten auch bei uns reingepasst.
Am Montag wird Ihr Nachfolger gewählt. Wie werden Sie sich verabschieden?
Auerbach: Ich werde natürlich noch einmal etwas sagen, mich bei Mitstreitern wie Tino Rumpel und Helmut Borrmann bedanken. Menschen mit Sachverstand, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre. Manchmal kommt es ja so rüber, ich hätte das alles allein gemacht. Das stimmt nicht, ich hatte fähige Leute neben mir und treue Sponsoren, über Jahre. Aber ich muss auch aufpassen, dass ich mich nicht in Rage rede.
Warum?
Auerbach: Ich werde auch etwas zu der Thematik um Bodo Kreutzmann und Peter Pesth sagen.
Diejenigen, die Sie beerben wollen.
Auerbach: Genau. In all den Jahren haben immer irgendwelche Leute versucht, an meinem Stuhl zu sägen. Aber letztlich wollte keiner Verantwortung übernehmen.
Bodo Kreutzmann und Peter Pesth wirken so, als wollten sie das. Glauben Sie, dass ein Präsident Kreutzmann die HG 85 Köthen voranbringen könnte?
Auerbach: Ich frage mich, inwieweit? Der Verein ist gut aufgestellt. Ich kann nicht beurteilen, ob diese Leute wissen, was sie tun. Ob sie wissen, was das für Zeit in Anspruch nimmt. Sollten sie gewählt werden, werden wir spätestens in einem Jahr sehen, ob sie der Sache gewachsen sind.
Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass Sie nicht sonderlich viel von diesen Kandidaten halten.
Auerbach: Mich stört die Art und Weise, sie gehen das wie einen Staatsstreich an. Es geht denen nicht um den Verein. Die haben ein Problem mit meiner Person. Das ist etwas Persönliches.
Wie kommen Sie darauf?
Auerbach: Wir haben uns im Verein frühzeitig zusammengesetzt und über meine Nachfolge gesprochen. Bei diesen Gesprächen waren auch Marcus Pesth, der Sohn von Peter Pesth, und Frank Försterling dabei.
Also jene, die nun zur „Interessengemeinschaft HG 85 Köthen“ unter Führung von Bodo Kreutzmann und Peter Pesth gehören.
Auerbach: Genau. Die wussten also, dass wir einen Plan haben.
Wie sah dieser Plan aus?
Auerbach: Siegfried Kneist sollte Präsident werden, Enrico Gutowski hauptamtlicher Geschäftsführer. Wenn Kreutzmann und Pesth gewollt hätten, hätten sie sich an diesen Gesprächen beteiligen können. Ich bin mir sicher, wir hätten einen wunderbaren Konsens gefunden, der dem Verein am meisten nützt. Als sie das nicht getan haben, wusste ich, dass es ihnen nur um die Person Andreas Auerbach geht.
Die Interessengemeinschaft formuliert aber auch Ziele, die auf dem Papier gut klingen: Die erste Männermannschaft soll dauerhaft in der 3. Liga etabliert werden, die Entwicklung des Nachwuchses vorangetrieben werden.
Auerbach: Männerhandball auf Jahre in der 3. Liga - das begrüße ich. Aber wie? Und zur Sache mit dem Nachwuchs: Na klar haben wir das einige Jahre völlig verschlafen, aber das ist vorbei. Nicht umsonst sind wir Leistungsstützpunkt. Ich sehe das alles sehr skeptisch. Da ist nichts Konkretes dabei. Mich stört, dass sich hier Leute hinstellen und sagen, sie müssten den Verein retten. Da gibt es nichts zu retten. Und da gäbe es auch nichts zu retten, wenn ich wegen meiner Krankheit nicht zurückgekommen wäre.
Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen, Sie überlegen sich das mit dem Rücktritt doch noch einmal anders.
Auerbach: Auf keinen Fall. Wobei ich mir sicher bin, dass ich die Wahl gewinnen würde. Nein, das Kapitel Präsidentschaft ist für mich definitiv beendet. Die HG 85 Köthen aber nicht. Wenn der neue Vorstand, egal, wer da drin sitzt, meinen Rat sucht, würde ich immer helfen.
Was haben Sie in Ihrer Amtszeit gelernt?
Auerbach: Kompromissbereitschaft. Die hatte ich am Anfang nicht. Ich war der Chef, ich musste mich durchsetzen. Und da habe ich natürlich einige Fehler begangen.
Welche?
Auerbach: Ich habe mehrfach die falschen Spieler eingekauft. Das war in einer Zeit, als das Geld auch in Köthen noch nicht so eine Rolle spielte. Die Köthener Zuschauer waren verwöhnt, die wollten jedes Jahr einen Star. Ob das nun Istvan Kiss war oder Kalman Fenyö, der mein Schwiegersohn geworden ist. Das waren tolle Zeiten. Ich war wirklich stolz. Die Fans und Zuschauer waren so dankbar. Die haben Handball mitgelebt, genau wie ich. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber diese Generation wird immer älter. Wir müssen es nun schaffen, junge Zuschauer in die Halle zu locken. Ich bin überzeugt davon, dass der Handball in Köthen lebt.
Trotzdem musste die erste Männermannschaft Ende Mai den Abstieg hinnehmen.
Auerbach: Das ist sehr schade, ich habe es der Mannschaft sehr gewünscht, drin zu bleiben. Ich habe nicht viele Spiele gesehen, wurde aber immer auf dem Laufenden gehalten. Mir wurde erzählt, dass sie sich im Saisonverlauf sehr gut entwickelt hat.
Und das alles mit dem Spielertrainer Steffen Fischer, den Sie im letzten Jahr völlig überraschend ins Boot holten. Und der nun mit allerlei Unruhe den Verein verlassen hat.
Auerbach: Ich stehe zu der Entscheidung, Steffen Fischer geholt zu haben. Sportlich kann ich nicht viel sagen, da war ich gesundheitsbedingt zu selten in der Halle. Ich habe aber von vielen gehört, dass die Mannschaft nicht abgestiegen wäre, wenn Sebastian Greß schon in der Hinrunde regelmäßig zum Kader gehört hätte. So schlecht können wir also nicht eingekauft haben. Wenn andere, die den Sachverstand nicht haben, das anders sehen, kann ich das nicht ändern. Ich bin von Steffen Fischer aber auch enttäuscht.
Warum?
Auerbach: Er hat sich nicht richtig fit gemacht. Und er ist überheblich. Ich habe noch keinen Menschen erlebt, der so von sich überzeugt ist. Das würde ich akzeptieren - wenn er etwas geleistet hätte.
Glauben Sie, dass die HG 85 Köthen in der 3. Liga eine Zukunft hat?
Auerbach: Wenn da Leute im Vorstand sitzen, die Visionen haben, bin ich überzeugt, dass der Verein mit der Nachwuchsarbeit über kurz oder lang die 3. Liga halten kann. Im Moment ist es aber vielleicht gar nicht so schlecht, wieder viertklassig zu sein. Die Chance ist da, etwas aufzubauen. Eines steht fest: Der Verein funktioniert nur mit einer guten ersten Männermannschaft. Wenn es bei der den Bach runter geht, passiert das auch dem Verein. Die HSG Wolfen ist dafür ein Beispiel.
Abschließend möchte ich mit Ihnen über Ihr Privatleben reden, wenn Sie erlauben?
Auerbach: Kein Problem.
Sie waren schwer krank, hatten einen Herzinfarkt und Schlaganfall. Was hat sich für Sie verändert?
Auerbach: Ich habe 20 Kilo abgenommen. (lacht) Ich hatte diese Krankheit, aber ich habe bei meinem Klinikaufenthalt gesehen, was es für Elend gibt. Da wirst du leise. Es hat ein Umdenken stattgefunden. Was hatte ich für ein Glück! Ich bin ein Kämpfer und ich will noch ein paar Jahre leben. Ich habe Kinder und Enkelkinder, ich will mich mehr um die Familie kümmern. Ich will für meine Lebensgefährtin da sein, die mich so sehr unterstützt hat. Und mir macht meine Arbeit in der Gastronomie Spaß. Mir fehlt mit dem Handball nichts.
Wird man Sie trotzdem bei Spielen in der Heinz-Fricke-Halle sehen?
Auerbach: Das kann ich nicht sagen. Ich weiß, dass ich immer für die HG 85 Köthen da sein werde. Das ist mein Herzensverein. Als gebürtiger Leipziger werde ich mir in der nächsten Saison einige Spiele vom SC DHfK in der Bundesliga anschauen. Ganz entspannt. (mz)
