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Fußball Fußball: Wie im Kuriositätenkabinett

Von Marcus Bräuer 24.06.2012, 16:47

Gölzau/MZ. - Jochen Steingraf tat das dann auch: "Ich bin schon lange dabei, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt." Steingraf ist Trainer des VfB Zscherndorf. Sein Team hatte gerade im Elfmeterschießen mit 7:8 den Kürzeren gezogen. Die Entscheidung vom Punkt war aber nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen eines Spiels, das in der ersten Halbzeit nicht den Anschein machte, legendär zu werden. 0:0 zur Pause, Merzien etwas besser, aber nur selten gefährlich - mehr muss man zu den ersten 45 Minuten nicht sagen. Mit dem 1:0 durch Marcel Schwarz kurz nach Wiederbeginn (47.) und dem 2:0 durch Maximilian Wittig (58.) schien das Gewissheit zu werden, was sich angedeutet hatte: Merzien war besser und würde die Partie locker nach Hause bringen.

Doch Zscherndorf kam zurück. Weil sich die Spieler durch die Aussagen ihres Trainer an der Ehre gekratzt fühlten. "Das gibt es doch nicht, zeigt doch mal mehr Biss", hatte Jochen Steingraf hineingerufen. Kapitän Christopher Heldt besorgte das 1:2 (64.), der eingewechselte Matthias Friedrich das 2:2 (70.). "Wir haben zehn Minuten geschlafen und schon war der Vorsprung dahin", sagte Merziens Torwart Patrick Müller, der noch zum Helden werden sollte. Es hätte keine Verlängerung geben müssen. Beide Teams spielten auf Sieg. Doch die Extra-Zeit blieb unumgänglich, was der Dramaturgie nur förderlich war.

Merziens Manuel Stary besorgte mit einem fulminanten Schuss vom rechten Strafraumeck das 3:2 (102.). Wieder schien die Partie entschieden. Doch in der 113. Minute legte Merziens Oliver Eim Zscherndorfs Heldt im Strafraum. Den fälligen Elfmeter netzte Christian Kugler souverän ein. Also nun doch Elfmeterschießen, dachten die zahlreich erschienen Zuschauer auf dem Gelände des SV Gölzau. Doch dann bekam Zscherndorfs Thomas Taubert den Ball im Strafraum an die Hand - Elfmeter für Merzien. Der Erfahrenste schnappte sich den Ball. Doch Christian Hildebrandt machte den Beckham. Er traf den Ball so unglücklich, dass der mehr als drei Meter neben das Tor ging. Am Boden lag aber Zscherndorfs Torwart Steffen Güldner. Von Krämpfen geschüttelt konnte er nicht weitermachen. Da Zscherndorf schon drei Mal gewechselt hatte, ging mit Holger Schiroky ein Feldspieler ins Tor.

Er sollte zum tragischen Helden werden. Bei der Entscheidung vom Elfmeterpunkt liegen Glück und Unglück, Freud und Leid nah beieinander. Merzien hatte vier Mal vorgelegt, Zscherndorf drei Mal nachgelegt, als Holger Schiroky anlief und an Patrick Müller scheiterte. Doch er machte es gleich wieder gut, hielt den Schuss von Sebastian Block. Die Entscheidung fiel beim zwölften Schuss. Müller ahnte die Ecke und hielt den Versuch von Thomas Taubert.

Merziens Torwart wurde vor lauter Jubel fast erdrückt. Als er wieder stand, wurde er auch noch mit Sekt bespritzt. Das war ihm aber alles egal. "Es ist ein Wahnsinnsgefühl, dass wir das geschafft haben. Und das in so einem verrückten Spiel. Der Verein hat jahrelang darauf hingearbeitet und alles dafür gegeben. Es ist einfach riesig", sagte Müller.

Jochen Steinbach gratulierte dem Sieger fair. "Es hätten beide Mannschaften verdient gehabt. In so einer Situation ist es schade, dass eine Mannschaft auf der Strecke bleibt. Aber wir haben trotzdem eine tolle Saison gespielt", sagte Zscherndorfs Trainer. Und mit dieser Partie auch Werbung in eigener Sache betrieben.