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Akener Ehrennadel Ehrennadel der Stadt Aken: Wolfgang Schmidt und sein Leben für den Schachsport

Von Sylke Hermann 26.11.2016, 13:00
Wolfgang Schmidt, gerade 75 Jahre alt geworden, blüht auf, wenn er die Schachjugend seines Vereins trainieren kann.
Wolfgang Schmidt, gerade 75 Jahre alt geworden, blüht auf, wenn er die Schachjugend seines Vereins trainieren kann. Heiko Rebsch

Aken - Wolfgang Schmidt war ahnungslos. Und bemerkte doch, dass hier irgendetwas im Busche ist. Schachfreunde, die plötzlich unter fadenscheinigen Gründen in der Druckerei vorbeikamen, in der er arbeitet. Dann die Information im Akener Nachrichtenblatt.

Wie er aus sicherer Quelle erfuhr - in der Druckerei Gottschalk wird das Informationsblatt schließlich produziert -, hatte der Stadtrat entschieden, einem Akener Bürger die Ehrennadel zu verleihen. Gepaart mit der Unterschrift im Goldenen Buch der Stadt.

Und dann stand ja auch noch sein 75. Geburtstag ins Haus. Alles Zufall? „Die werden doch wohl nicht ...“, grübelt er. Wolfgang Schmidt, ein bescheidener Mann, der am liebsten in der zweiten Reihe steht, befürchtet das Schlimmste. Am Ende aber freut er sich „natürlich“ über die Ehre.

Ein Leben für den ohne Schach - unvorstellbar

Ein Leben ohne Schach - nicht vorstellbar für ihn. Groß geworden in der Akener Bahnhofstraße, spielte sich das Leben der Kinder und Jugendlichen, wie er schildert, auf der Straße ab.

Einen Vater gab es nicht mehr, die Mutter musste arbeiten. So trug es sich zu, dass er eines Tages bei einem Nachbarsjungen in der alten Post den Nachmittag verbrachte. „Es war Winter, hier war es schön warm, ich hatte keine Veranlassung zu gehen“, erinnert er sich. Also blieb er und sah zu, wie der gleichaltrige Junge mit seinem Vater Schach spielte. Das faszinierte den Teenager.

„Ich war neugierig“, weiß er noch. Was macht man da eigentlich? Wann zieht man die Figuren? Und wie schafft man es, seine Partie siegreich zu gestalten? Selbstverständlich, betont Wolfgang Schmidt, will man auch gewinnen. Er wollte gewinnen. Was erwartungsgemäß nicht von Anfang an glücken sollte. Aber er lässt sich die Spielfreude nicht nehmen.

Der Jugendliche besucht fortan die Schach-AG bei der BSG Stahl Aken. Er trainiert, ist fleißig, „aber ich habe auch viel Haue bekommen“. Doch das stört ihn nicht. Schach wurde sein Sport. Nicht zuletzt, weil er mit Willi Ostwald einen Übungsleiter hatte, „mit einer angenehmen, väterlichen Art“.

Mehrfacher DDR-Meister im Schach

Der Schachsport zieht sich wie der sprichwörtliche rote Faden durch sein Leben. Er lernt im Reichsbahnausbesserungswerk in Dessau Elektromontageschlosser. Was für ein Zufall, dass der Betrieb eine Schachmannschaft hat ... Und keine schlechte. Ganz im Gegenteil. Die Eisenbahnerjugend ist mehrfacher DDR-Meister. Und Wolfgang Schmidt spielt mit, bestreitet Wettkämpfe, lernt viel.

Bei der Armee in Mühlhausen - wieder geht es nicht ohne Schach. „Das hatte einen ganz einfachen Grund: Wir bekamen Ausgang, wenn wir trainierten“, erzählt er. Der Schachsport - tatsächlich Mittel zum Zweck? Er lächelt: „Wir durften zwei-, dreimal die Woche die Kaserne verlassen, um Schach zu spielen.“

Zuhause in Aken verblüfft er die Etablierten immer wieder mit neuen Schachzügen, die er zwischenzeitlich gelernt hatte. Doch es sollte nicht zum Schaden des Vereins, seiner BSG Stahl, sein, der er weiterhin als Aktiver die Treue hält.

Die Arbeit als Schachlehrer: Eine Selbstverständlichkeit

Nach der Armee studiert Wolfgang Schmidt. Er wird Lehrer für Physik und Polytechnik. Ab 1970 unterrichtet er an der Nolopp-Schule in Aken, die damals noch Mittelschule ist - und gründet hier eine Schach-AG. 15 bis 20 Kinder sind dabei. Die Besten der achten bis zehnte Klasse.

„Ich habe das sehr gern gemacht, ich war auch gerne Lehrer.“ Aber trotzdem hört er auf, gibt seinen Beruf auf. Denn mit 41 Jahren entschließt er sich, noch einmal Lehrling zu sein. Er fängt bei seinem Schwiegervater in der Druckerei Gottschalk in der Dessauer Straße in Aken an, absolviert später die Meisterschule.

Da ist selbst für die Schach-AG keine Zeit mehr. Er bedauert das - und kehrt erst als Rentner an die Schule zurück, um die Zweit- bis Viertklässler der jetzigen Grundschule für seinen Sport zu begeistern. Erst im Sommer hört er hier an der Schule auf, doch die Jugend betreut er weiter.

Die Schachjugend des TSV Elbe Aken, dem BSG-Nachfolger. Montagnachmittag, ab halb fünf, wird im Saal des Akener Volksbades trainiert. Eine Selbstverständlichkeit. Und nichts, betont er, worüber man jemals ein Wort verlieren müsste: „Ich bringe einfach ein paar Kindern das Schachspielen bei.“ Mehr nicht. Wirklich nicht?

Bescheiden trotz seiner Verdienste

Die Schachfreunde von Wolfgang Schmidt sehen das anders. Sie finden, sein ehrenamtliches Engagement für den Schachsport in Aken bewunderswert. Er ist nicht nur Abteilungsleiter, Übungsleiter, er fährt die Kinder an den Wochenenden auch zu den Wettkämpfen. Und das, finden sie, sollte gewürdigt werden.

Obgleich sich der Geehrte weiterhin äußerst ungern im Mittelpunkt des Geschehens sieht. Dann schon lieber am Schachbrett. Nach wie vor gehört Wolfgang Schmidt zur ersten Mannschaft seines TSV: „Ich verliere, aber ich gewinne auch mal. Es ist nicht so einfach“, glaubt er, „gegen mich zu spielen.“ (mz)

Treffpunkt ist immer donnerstags, 16.30 bis  18 Uhr,  im Saal des Volksbades in Aken.
Treffpunkt ist immer donnerstags, 16.30 bis  18 Uhr,  im Saal des Volksbades in Aken.
Heiko Rebsch