Prozess gegen Ex-MDR-Manager Foht Zeuge belastete MDR-Spitze: „Man hat jedes verfügbare Auge zugedrückt“
Ein verkrachter Gagschreiber und der TV-Manager Udo Foht jonglierten mit viel Geld – Verträge gab es nicht oder wirken fingiert. Was wusste die Senderspitze?

Leipzig - Er müsste hier überhaupt nichts sagen, er ist ja wegen Erpressung angeklagt und läuft Gefahr, sich selbst zu belasten. Doch Carsten Weidling nimmt am Zeugentisch Platz und beugt sich nach vorn, damit ihn alle gut verstehen. „Ich habe schon lange kein Mikrofon mehr vor mir gehabt“, sagt der 56-Jährige fröhlich.
Mehr als zwei Stunden wird der einstige „Riverboat“-Moderator, Gagschreiber und Show-Erfinder am Freitag vor dem Landgericht Leipzig über seine Geschäfte mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) aussagen. Es scheint, als habe jemand seine Bühne gesucht und gefunden.
Weidling, Sohn des TV-Entertainers O. F. Weidling, ist eine Schlüsselfigur im Skandal um den früheren MDR-Unterhaltungschef Udo Foht. Dieser hatte sich bis zu seinem Rauswurf 2011 von zahlreiche Personen aus der Showbranche Geld geliehen – obwohl er wusste, dass er es nicht würde zurückzahlen können.
Das Gericht will wissen: Wofür floss das Geld?
Unter den Angepumpten sind der Schlagersänger Florian Silbereisen und der Ex-Manager des Plattenlabels Amiga, Jörg Stempel. Einen Großteil der Summen ging an Weidlings Arbeitgeber, die Produktionsfirma Just for fun. Aber wofür eigentlich?
Antworten erhofft sich die Siebte Strafkammer von Weidling, ihrem letzten Zeugen. Der hat wortreiche Erklärungen – eines aber nicht: Verträge. „Zahlen sind nicht meine Aufgabe. Ich bin der Geschichtenerzähler“, sagt er.
Er schildert die Geschäftsbeziehung wie folgt: Foht habe frische Ideen für TV-Unterhaltung gesucht, er habe sich etwas ausgedacht und geliefert. Und die Bezahlung? „Herr Foht hat am Ende gesagt, an wen die Rechnung geht.“ Das Geld kam aber nicht vom MDR, sondern von Drittfirmen.
Der Richter fragt ungläubig nach
„Das lief alles ohne vertragliche Grundlage?“, fragt der Vorsitzende Richter Michael Dahms ungläubig. Er könne verstehen, dass das seltsam klinge, räumt Weidling ein. „Aber Herr Foht war der MDR für uns. Wenn man im Osten Deutschlands Unterhaltung machen wollte, gab es nur eine Person dafür: Herrn Foht.“ Unausgesprochene Abmachung sei gewesen, dass Just for fun 120.000 Euro im Jahr erhält – auf welchen Wegen auch immer.
Seit 2009 ist Weidling auf permanenter Weltreise, anfangs für die MDR-Fernweh-Serie „Wir sind überall“. 114 Länder hat er nach eigenen Angaben gesehen, derzeit lebt er in Buenos Aires. Die extreme Inflation dort macht das Leben für Ausländer günstig; einen Teil seiner Lebenshaltungskosten finanziert er sich durch Pokern. Für die Aussage im Betrugsprozess gegen Foht hat die sächsische Justiz den gebürtigen Dresdner einfliegen lassen.
Weidlings Leben hat Brüche: Sein berühmter Vater starb, nachdem ihn das DDR-Fernsehen wegen Witzen über die Obrigkeit kaltgestellt hatte. Der Sohn arbeitete als Gagschreiber beim Jugendsender MDR Jump, überwarf sich aber mit dem Wellenchef. Der Richter erwähnt auch eine Insolvenz und Schulden über 800.000 Euro, was der Zeuge einräumt – „ich glaube aber, das waren 800.000 Mark“, ergänzt er.
„Ich lasse ihn jetzt um sein Leben winseln“
Ab 2009 gerät Weidling erneut in Not, weil der MDR die Ausstrahlung von „Wir sind überall“ auf 2010 verschiebt, die fest eingeplante nächste Staffel nicht produziert wird und kein Geld in die Kasse kommt. Damals habe er in Kuala Lumpur mitten in der Nacht einen Anruf seines Geschäftspartners bekommen, der die Dreharbeiten sofort abbrechen wollte, erzählt er.
Auf Foht ist Weidling in jener Zeit schlecht zu sprechen, er plant eine Beschwerde bei der MDR-Spitze und glaubt, Erpressungsmaterial zu haben. „Ich lasse ihn jetzt um sein Leben winseln“, schreibt Weidling damals in einer E-Mail, die die Staatsanwaltschaft vorliest. Das habe er nicht so gemeint, sagt Weidling auf dem Zeugenstuhl – er sei einfach verzweifelt gewesen.
Einsilbig wird er, als das Gericht nach den geflossenen Summen fragt. Warum etwa zahlte eine Firma 42.000 Euro mit dem Betreff „Produktionskosten Schlagerland“? Ein Format mit diesem Titel habe er nie verfasst, räumt Weidling ein. Zudem habe er sich nie um Geld gekümmert.
Wer hat Foht eigentlich beaufsichtigt?
250.000 Euro hatte sich Foht laut Anklage insgesamt geliehen. Wie konnte er dieses undurchsichtige Finanzierungssystem gegenüber dem MDR verbergen? Weidling glaubt: gar nicht. Die Führungsebene müsse Fohts Geschäfte gekannt haben, sagt er dem Gericht. „Ich bin der Meinung, dass der Sender Herrn Foht so dankbar war, dass man jedes verfügbare Auge zugedrückt hat.“
Explizit nennt Weidling den damaligen Intendanten Udo Reiter und dessen Juristische Direktorin – „wir wissen ja, wer das war“, fügt er süffisant hinzu. Gemeint ist Karola Wille, die heutige Direktorin. Beweise liefert Weidling nicht.
Für den kommenden Freitag sind im Prozess die Plädoyers geplant.