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Kunstwerk  Kunstwerk : Hallenser baut größte Porzellanvase der Welt

Von margit Boeckh 06.12.2014, 21:52
Alim Pasht-Han mit Waben, die zusammengesetzt einmal die größte Porzellanvase der Welt bilden werden.
Alim Pasht-Han mit Waben, die zusammengesetzt einmal die größte Porzellanvase der Welt bilden werden. Andreas stedtler Lizenz

Halle (Saale) - Das Unmögliche wagen! Um nichts weniger geht es bei diesem Projekt. Die größte Porzellanvase der Welt soll entstehen. In einer kleinen Manufaktur mitten in der Thüringer Provinz. Fast acht Meter hoch wird das zerbrechliche Stück werden. Ein Kunstwerk, wie es noch keines je zuvor gab.

„Dabei“, sagt der Künstler, der das Wundergebilde ersann und es in diesen Tagen Stück für Stück Wirklichkeit werden lässt, „interessiert mich das Ganze nicht als Superlativ. Mein Streben gilt dem außergewöhnlichen künstlerischen Objekt. Diesem Experiment, das so vorher noch niemand realisiert hat.“ Alim Pasht-Han ist kein Mann marktschreierischer Effekte. Dass Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde und ähnliche PR-Gags seine Sache nicht sind, er vielmehr zielstrebig das Ausloten künstlerischer Möglichkeiten im Sinn hat, wird schnell klar in der Begegnung mit dem 42-Jährigen, zumal, wenn er auf seinen Werdegang und seine Kunst zu sprechen kommt.

Die hat den aus dem Volk der Tscherkessen stammenden Mann aus seiner gebirgigen Heimat im nördlichen Kaukasus an die Kunstakademie von Krasnojarsk („Ein hoch anerkanntes Institut und das einzige seiner Art hinter dem Ural“) geführt und schließlich über 8.000 Kilometer weiter westlich an die hallesche Kunsthochschule Burg Giebichenstein.

Maler und Kunstprofessor

Was so verwunderlich wohl nicht ist bei einem Vater, der selbst in Russland und darüber als Maler und Kunstprofessor einen Namen hat. Bewusst nennt sich der Sohn nicht mit Vatersnamen, will seinen eigenen Weg gehen. Jedoch die Kunst, die liegt im Blut. Schon als Kind habe er gemalt, erzählt der vielseitig Begabte beim Tee in seiner Altbauwohnung am Rande des halleschen Paulusviertels. Die ist zweckmäßig praktisch, ganz auf die Arbeit hin eingerichtet. Und während er den auf gute alte Mokka-Weise bereiteten starken Kaffee einschenkt, spricht er wie nebenbei von den Schwierigkeiten, denen er als (staatsrechtlich zu Russland gehörender) Nicht-Russe bei der Bewerbung um einen Studienplatz ausgesetzt war.

Moskau? Njet! Doch im sibirischen Krasnojarsk klappte es. „Nichts anderes hätte ich mir vorstellen können, als Künstler zu werden“, lächelt der zurückhaltende Mann, der ungleich temperamentvoller wird, sobald er über seine Kunst und die Haltung zum künstlerischen Schaffen spricht. Konsequent ist er dabei seinen Weg gegangen. Hat auch nach dem akademischen Abschluss Entwicklungsmöglichkeiten gesucht. Die boten sich in Deutschland, über den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Da hat er sich um ein Stipendium bemüht, wurde ausgewählt als erster bildender Künstler aus seinem Land.

Heimat nicht fremd

Dabei: Deutschland – das war Alim Pasht-Han schon in der Tausende Kilometer entfernten Heimat nicht fremd. „Mein Vater hatte beim Malen im Gebirge vor langen Jahren einen kunstinteressierten Mann aus der Nähe von Leipzig getroffen. Daraus ist eine bis heute haltende Freundschaft entstanden.“ Auch vor dem Hintergrund dieser Verbindung wählte der junge Künstler vor fast anderthalb Jahrzehnten die hallesche „Burg“ für ein Aufbaustudium in Grafik, Bildhauerei und Mediendesign. In der Saalestadt ist er geblieben, hat sich als freischaffender Künstler etabliert. Mit seinen Arbeiten ist er vertreten auf Ausstellungen im In- und Ausland bis hin nach Südkorea, hat etliche Preise errungen.

Seit rund einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit Porzellan als künstlerischem Objekt. Ein Material, das er lächelnd als „zart, zerbrechlich und irgendwie zickig“ charakterisiert. Wobei es gerade wegen dieser Eigenschaften seinem Mut zum Experiment, dem Ausloten neuer Möglichkeiten in Form und Ausdruck entgegenkommt. Die Gestaltung ist das eine, das andere die Beherrschung der Technik. Eine knifflige Sache. Gilt es doch herauszufinden, wie sich Porzellan in der Be- und Verarbeitung verhält.

„Beim Brand schrumpft es um 17 Prozent. Doch es schrumpft unterschiedlich. Das muss man beim Formen einkalkulieren“, erklärt Pasht-Han. „Und trotz aller Vorsicht passieren Dinge in der Verarbeitung, die niemand erklären kann.“ Ein zickiges Material, wie gesagt. Damit umzugehen, erweist sich als immer neue, spannende Herausforderung. Wie viel mehr bei diesem Mammutprojekt.

Auf der nächsten Seite lesen Sie mehr zum Projekt des halleschen Künstlers.

Doch wie ist es dazu gekommen? Des Künstlers Liebe speziell zum Thüringer Scherben hat wesentlich mit der Porzellanmanufaktur Reichenbach zu tun. Ein kleines, feines Unternehmen, von dem Pasht-Han als der „besten Adresse in Deutschland für Porzellan-Unikate mit künstlerischem Anspruch“ schwärmt. Wie der Begriff Manufaktur schon sagt, prägt hier noch sorgfältige Handarbeit die Produktion. „Hier habe ich offene Ohren für meine Ideen gefunden“, freut sich der Künstler.

Und hier wurden auch die Museumsleute von der Leuchtenburg auf den experimentierfreudigen Gestalter aufmerksam, der so innovativ mit dem zerbrechlichen Material umzugehen versteht. Was zum Konzept der „Porzellanwelten“ auf der Leuchtenburg passt. Unter diesem Motto wird in der hoch über dem Thüringer Städtchen Kahla thronenden Burg die Geschichte des „weißen Goldes“ in einer außergewöhnlichen Inszenierung lebendig.

„Wir zeigen die ungewöhnlichen und unerwarteten Seiten des Materials“, sagt dazu Sven Hitzer, Vorstand der als Stiftung geführten Leuchtenburg. „Die Besucher sollen das Material berühren, aktiv damit umgehen, überrascht werden. Der Triumph des Porzellans liegt in den Extremen, die es leisten kann. Wir wollen die Gäste in Staunen versetzen und ihnen einen sinnlichen Zugang zum Thema Porzellan bieten“ – Superlative inbegriffen. So verfügt die Sammlung bereits über das nur Millimeter messende kleinste Porzellanservice der Welt. Die Idee für den Kontrast – die weltgrößte Porzellanvase – stammt ebenfalls von Hitzer. Rund 80 000 Euro soll sie kosten, EU-Mittel und Gelder des Freistaates Thüringen sowie ein Eigenanteil der Stiftung machen es möglich.

Ferner Kaukasus

Dass der Mann aus dem fernen Kaukasus für die Ausführung dieses spektakulären Objekts der richtige ist, hatte Alim Pasht-Han schon mit einer vier Meter hohen Installation im Leipziger Grassi- museum bewiesen. Nun also die doppelt so hohe Vase. Ein Kunstobjekt, das mit dem üblicherweise benutzten Begriff des Blumengefäßes nur den Namen gemein hat.

Zwei Jahre brauchte es alleine für die Vorbereitungen, um die Idee sozusagen produktionsreif zu machen. „Porzellan aus einem Guss in dieser Größe herzustellen, ist nicht umsetzbar“, erläutert der Künstler. So entsteht die Vase aus „Waben“ in Hexagonform. Insgesamt 360 solcher Elemente in einem Dutzend verschiedener Größen werden Stück für Stück aufeinander gebaut zu der sich selbst tragenden Konstruktion. Hightech trifft Handarbeit: Am Computer werden die millimetergenauen 3-D-Module berechnet, die dann einen aufwendigen Herstellungsprozess durchlaufen. Für jede einzelne Wabe wird nach dem 3-D-Modell eine Gipsform hergestellt. In die wird flüssige Porzellanmasse eingefüllt.

Nach der Trocknung werden die Waben glasiert und bei 1 400 Grad gebrannt. Jede wiegt rund vier Kilo. Zehn Mitarbeiter der Reichenbacher Manufaktur sind derzeit mit ihrer Herstellung beschäftigt. Jede Wabe wird einzeln gestaltet und von Alim Pasht-Han mit einem eigenen Motiv bemalt. „Die Natur ist das Vorbild für das ganze Projekt“, erläutert er die Intention. Vom Schachtelhalm sei die Konstruktion abgeschaut, dieser trotz großer Höhe in sich stabilen Pflanze. Die gemalten Motive werden das Abbild der Evolution widergeben: „Ich arbeite mich dabei von unten nach oben durch die gesamte Entwicklung.

Kristalle und Steine

Von Kristallen und Steinen über Einzeller und Amöben bis zu komplexen Formen in menschlicher Gestalt.“ Ein Ansatz mit philosophischer Dimension: „Die Natur ist bewusst als Vorlage gewählt. Es geht um ursprüngliche Dinge, die nicht künstlich von Menschen verändert werden können.“

Bewusst gewählt sind auch die Farben, Kobalt und Gold. „Kobaltblau, weil es in der Porzellangeschichte eine bedeutende Rolle spielt und am tiefsten in das Material eingeht. Das Gold ist das Besondere, wonach die Menschheit strebt. Und das Gefäß ist ja auch etwas ganz Besonderes. Gold bringt den Glanz, das Strahlen“, erläutert der Künstler und wie er dabei lächelt, strahlt wohl auch schon ein bisschen Vorfreude auf die Vollendung des ehrgeizigen Projektes auf.

Am 20. März soll es so weit sein. Dann wird man die größte Vase der Welt auf der Leuchtenburg bestaunen können. In einem eigenen Gehäuse und mit einer Ausstellungstechnik, die es den Besuchern ermöglicht, sich jede einzelne der kunstvollen Waben genau ansehen zu können. Sie können es dann buchstäblich begreifen – wie aus dem Wagnis des Unmöglichen Realität geworden ist. (mz)